Filme aus dem Oktober

Becky (Splatter/Thriller)

(nur als VoD, DVD und Bluray)

 

Das Kevin James nicht nur Sitcom und Komödie kann, zeigt er wenn auch nicht ganz perfekt in "Becky".

 

So hat sich Becky (Lulu Wilson) das nicht vorgestellt: Die Mutter der 13-Jährigen ist erst vor einem Jahr an Krebs gestorben, und schon verkündet ihr Vater Jeff (Joel McHale), dass er wieder eine neue Freundin hat und sie auch noch heiraten will! Doch damit nicht genug: Was als gemeinsames Vater-Tochter-Wochenende in das Ferienhaus der Familie angekündigt war, stellt sich nun als Hinterhalt heraus, schließlich hat Jeff seine Neue Kayla (Amanda Brugel) und ihren Sohn Ty (Isaiah Rockcliffe) ebenfalls zum Ausflug eingeladen, ohne Becky in seine Pläne einzuweihen. Aber diese Sorgen sollen bald in Vergessenheit geraten, schließlich taucht der aus dem Knast ausgebrochene Neonazi Dominick (Kevin James) auf. Zusammen mit seinem brutalen Gefolge ist er auf der Suche nach einem Schlüssel, der im Keller des Hauses versteckt ist. Während Jeff, Kayla und Ty nun seine Geiseln sind, konnte sich Becky im Wald verstecken und bereitet sich darauf vor, die Nazi-Rüpel mit ihren eigenen Waffen zu schlagen ...

 

Schon lange haben sich Filmfans (und auch ich) gewünscht, dass Kevin James ("Kings of Queens", "Der Kaufhaus Cop") mal einen ernsten Film macht mit entsprechender Rolle. Entsprechend war der Hype auch recht groß als heraus kam, dass der Comedy-Star in "Becky" einen Nazi spielen wird (mit fettem Hakenkreuz auf dem Hinterkopf und zahlreichen SS-Symbolen am Körper) und dieser Film recht brutal ausfallen soll.

Den beiden Regisseure Jonathan Milott und Cary Murnion ist ein Film gelungen, der als rasanter Splatter viel zu selten Tempo aufnimmt und als Home-Invasion-Thriller selten intensiv genug wirkt. Die überaus abgedrehte Geschichte punktet somit ausschließlich mit blutigen Gore-Elementen und einer grandiosen Becky-Darstellerin. Zwar darf man dem Werk keinesfalls fehlende Spannung unterstellen oder mangelnde Kreativität, dafür aber zahlreiche Schwächen im Drehbuch und vorallem extrem schwache Nebenfiguren, die zudem auch nicht richtig besetzt worden sind.

 

Zeugen die wenigen und sehr blutigen Splatter-Elemente immer wieder von Genreliebe bekommt man dazwischen leider reichlich Leerlauf zu sehen, bei dem weder die Handlung voranschreitet oder die einzelnen Figuren das so notwendige Profil erhalten.

Besonders die 3 Komplitzen von Dominic (Kevin James) fallen komplett durch und sind selbst als überspitzt dumm dargestellte Nazis ein Totalausfall. Wüsste man nicht das es sich um Rechtsradikale handelt würde man Ihnen fast eine normale politische Einstellung unterstellen. Speziell Apex (Robert Maillet) wirkt so gar nicht wie ein brutaler Schläger oder Mörder. Zwar macht er einen grimmigen Eindruck und schaut entsprechend böse, aber im Grunde könnte an Ihm ein Kuschelbär verloren gegangen sein, der einfach nur eine harte Schale um seinen weichen Kern hat.

Ganz anders sieht es beim Anführer Dominic aus. Dieser sieht nicht nur aus wie ein Nazi (die bereits erwähnten Tattoos auf dem Körper) sondern redet oft auch wie einer (wenn es bsp. um reinrassige Hunde geht) und zeigt entsprechend brutale Taten. Seine skrupellose Art zeigt sich auch darin, dass er kein Problem hat unschuldige Kinder zu töten. Das alles ist in Teilen etwas überdreht (bewusst) und gipfelt in einer skurrilen Szene, als sich der Anführer mit einer rose Schere sein verletztes und heraushängendes Auge abschneiden will, was aber nicht gelingt.

 

Und dennoch gelingt es James nicht zu 100% seine Ihn berühmt gemachte Grundsympathie abzulegen. So macht Dominic immer wieder fast einen kumpelhaften Eindruck und als fanatischer Nazi geht er viel zu selten durch. Das liegt aber wirklich nur an James und weniger an der Rolle selber. Trotzdem hat man irgendwie Spaß Ihm zuzusehen, ist dankbar für die Chance das Kevin James sich mal in einem anderen Genre versuchen durfte.

Deutlich mehr überzeugen kann Lulu Wilson als furchtlose Teenagerin Becky, die sich nach und nach um jeden der vier Angreifer kümmert. Diese nehmen das Mädchen, die anfangs noch um Ihre tote Mutter trauert und daher etwas rebellisch ist, nicht ernst und spühren die Rache der 13-jährigen dann am eigenen Leib. Mit zunehmender Dauer mordert sich Becky in einen kleinen Rausch, was sich deutlich daran ablesen lässt, dass Sie den auf Knien um Vergebung bittenden Apex kaltblütig erschießt. In den letzten Momenten sieht man Sie dann beim Verhör sitzen und bekommt mit wie Sie den Beamten absichtlich die Unwahrheit erzählt. Da fragt sich schon, wieso tut Becky das?

 

Wer sich "Becky" ansieht sollte auf jeden Fall mit der Einstellung rangehen, dass er neben einem ungewöhnlich bösen Kevin James auch schwarzen Humor und eine überspitzte Darstellung von Nazis (werden als strohdumm, tollpatschig und frei von Idealen gezeigt) zu sehen bekommt. Auch wegen der expliziet gezeigten Gewalt ist das FSK 18 durchaus gerechtfertigt.

Das Setting mit einer abgelegenen Ausflugshütte mitten im Wald und an einem See gelegen ist soweit ganz authentisch und vermittelt den Eindruck der Abgeschiedenheit ohne Möglichkeit auf schnelle Hilfe. Da sich vieles aber im Wald abspielt greift der wirklich einengende Faktor nicht so recht, den man für einen Home-Invasion-Thriller als Grundvoraussetzung benötigt. Die Kamera, welche zwischen ruhigen und hektischen Phasen wechselt, ist immer sehr nah an den Figuren (insbesondere Becky und Dominic) wodurch man deren Gesichtszüge intensiv miterleben kann. Nach den blutigen Gore-Szenen filmt man das Geschehen aus etwas größerer Entfernung, um einen anderen Blickwinkel zu erhalten. Besonders positiv hervorheben muss man den Schnitt, dem es gelingt perfekt zwischen den Szenen zu wandeln.

Begleitet wird die Geschichte von einem spannungsgeladenen, rasanten und aufbrausenden Sound, der von der Lautstärke und dem Sounddesign wirklich toll zu den Bildern passt und für die angespannt wirkende Atmosphäre der ideale Haltepunkt ist.

 

Fazit: Es ist schon faszinierend den "King of Queens"-Star James mal in einer ganz anderen Rolle zu sehen. Leider kann er nicht gänzlich überzeugen, wie auch das Drehbuch. "Becky" ist weder ein rasanter Splatter-Spaß noch  intensiver Home-Invasion-Thriller, da beide Genres nur bedingt umgesetzt werden.

 

Bewertung:

Genre: 6 von 10 Punkten

Gesamt: 6 von 10 Punkten

 

Ghosts of War (Horror/Kriegsfilm)

(nur als VoD, Bluray und DVD)

 

Wer Gefallen an "Operation Overlord" hatte wird beim neuen Film von "Butterfly Effect"-Regisseur Eric Bress sicherlich auch Spaß haben.

 

Befehlshaber Chris Goodson (Brenton Thwaites) hält gegen Ende des Zweiten Weltkriegs mit einigen seiner Soldaten ein französisches Schloss, das zuvor von den Nazis okkupiert wurde. Was anfangs als willkommene Abwechslung zum grauen Kriegsalltag gesehen wird, entwickelt sich schon bald zum Grauen, als sie in dem Gemäuer von übernatürlichen Mächten heimgesucht werden, die weit schlimmer sind als alles, was die Amerikaner bisher im Krieg erlebt haben…

 

 

2018 lief mit "Operation Overlord" ein Film in den Kinos, der die Genres Horror und Kriegsfilm verbindet um daraus einen spannenden Genremix zu machen, der nebenbei einige Splatterelemente hatte. Die Zahlen haben gezeigt, das man mit dieser Art von Filmen nur ein spezielles Publikum erreichen kann, wodurch man wohl zukünftig Horror-Kriegsfilme eher nicht mehr auf der großen Leinwand sehen wird. Und so gibt es "Ghosts of War" von Eric Bress, auch wegen Corona, nur als kostenpflichtigen Stream, auf Bluray und DVD zu sehen. Es lohnt sich auf jeden Fall mal reinzuschauen.

Schließlich erwartet einem eine wendungsreiche, spannende, in Teilen auch gruselige sowie blutige Handlung, die besonders durch den Twist knapp 25 Minuten vor Ende eine komplett neue Richtung einschlägt und das zuvor gesehene plötzlich in einem anderen Licht erscheinen lässt. Somit klären sich auch einige der zuvor auffallend prägnanten Logiklöcher auf, welche im ersten Moment einen sehr negativen Eindruck hinterlassen. Glaubt wirklich einer, dass eine Horde Nazis einfach weiterzieht nur weil die Eingangstür verschlossen ist? Wohl kaum, handelt es sich ja um ein Sonderkommando das besonders fanatisch ist. Dennoch möchte ich an dieser Stelle noch loswerden das eine spezielle Aussage im actionreichen Finale ziemlich schwierig ist und sicherlich Konfliktpotential besitzt. Es geht darum den Krieg als heiter bzw freundlich zu sehen, was aber niemals so zutrifft. Krieg ist immer mit Leid, Elend, Tod und Verbrechen behaftet und sollte nicht verharmlost werden.

 

Klar, vieles in "Ghosts of War" hat man bereits in zahlreichen Kriegsfilmen über den zweiten Weltkrieg oder in unzähligen Horrorstreifen gesehen. Gerade die Gruselelemente, denen man das eher geringe Budget ansieht, sind nichts neues und können dem hartgesottenen Horrorfan ebensowenig schocken wie sämtlich angedeutete Jumpscares. Insgesamt muss man an dieser Stelle erwähnen, dass der Gruselfaktor vorallem wegen des sehr düsteren Settings (altes Landschloss mit dunkler Vergangenheit) zustande kommt. Umhergeisternde Seelen in einem großen Anwesen, die sich für die an Ihnen verübten Kriegsverbrechen rächen wollen, versprühen schon ordentlich düsteres Flair. Das es am Ende dann doch ganz anders ist und die Geschichte so nicht stattgefunden hat werde ich an dieser Stelle wegen Spoilern nicht weiter ausführen. Will niemanden diesen besonderen WTF-Moment nehmen wenn alles auf den Kopf gestellt wird.

Mit etwas Fanatasie kann man am Ende sogar noch eine wichtige Botschaft mitnehmen bzw. eine deutliche Kritik an gewissen Entscheidungen der amerikanischen Politik in militärischen Situationen erkennen.

 

Natürlich kann man darüber streiten ob es das verwirrende Finale wirklich gebraucht hätte, da man die Geschichte auch anders hätte zu Ende erzählen können. In meinen Augen nimmt man der größtenteils geschickt und spannend geschriebene Genre-Mix einiges an Potential und erreicht somit keinesfalls das Level von "Operation Overlord", den man immer wieder als Vergleich heranziehen kann. Das liegt auch daran, weil man weder zu den Soldaten noch zum Bösen ausreichend Hintergrundinfos bekommt. Besonders die Hintergrundgeschichten wären von größten Interesse gewesen. Stattdessen packt man alles relevante in die letzten 20 Minuten und erhöht das Erzähltempo um mehrere Gänge.

 

Im Vordergrund stehen 5 amerikanische Soldaten, die allesamt kriegserfahren sind, aber vom Drehbuch her etwas unsympathisch und bisweilen auch etwas nervig rüber kommen, zuminderst in meinen Augen. Dem gegenüber stehen aber wirklich tolle Leistungen der jeweiligen Darsteller, wodurch die ziemlich oberflächlich geschriebenen Soldaten Profil und Schärfe bekommen. Es sticht aber keiner speziell hervor und am Ende sieht man den zusehens verängstigten Soldaten fast schon gerne dabei zu, wie sie versuchen mit einem alten Tagebuch und dem Vertreuen von Mehl versuchen das Geheimnis aufzudecken. Ziemlich enttäuschend ist aber die nahezu nicht vorhandene Screentime von Billy Zane, der groß auf dem Filmplakat steht aber nur eine kleine Nebenrolle innehat und erst in den letzten Minuten für ein paar Sätze zu sehen ist. Besonders Zuschauer die sich auf Ihn gefreut haben werden am Ende ziemlich frustriert sein, sofern man bis zum Ende durchgehalten hat.

 

Auch beim Thema "Figuren" konnte mich "Operation Overlord" mehr überzeugen, wenngleich man Bress' Film deswegen nicht extra schlecht reden sollte.

Trotz eher bescheidenen Budgets und fehlendem großen Filmstudio kann der Look durchaus mit dem 2018 erschienenen Films mithalten. Die Kamera liefert ruhige, auf die Handlung und Figuren fokussierte sowie düstere Bilder, die durchweg in tristen, grau-braunen Tönen gehalten sind. Selbst wenn es mal etwas actionreicher wird bekommt man klare Aufnahmen zu sehen womit man dem Geschehen immer problemlos folgen kann. Der Altersfreigabe geschuldet fallen dann alle Szenen in denen es blutiger und brutaler wird etwas gehemmter aus und man bleibt mit der Kamera etwas weiter weg oder schneidet die Momente extra so zu. Dennoch darf man "Ghosts of War" eine gewisse Härte ausstellen, was angesichts seiner Thematik auch richtig ist. Musikalisch hält man sich an genretypisches  Sounddesign, das aber gerade am Anfang kaum zu den gezeigten Bildern passen. Später bekommt man dieses Problem dann in den Griff und die Musik unterstützt die Atmosphäre ganz gut.

 

Fazit: Wendungsreicher, spannender Horror-Kriegsfilm, der mit einem unerwarteten Finale aufwartet welches die zuvor gesehene Geschichte in einem komplett anderen Licht erscheinen lässt. Trotzdem reicht es am Ende nicht um an den 2018 erschienenen "Operation Overlord" qualitativ heran zu kommen.

 

Bewertung:

Genre: 7.5 von 10 Punkten

Gesamt: 7.5 von 10 Punkten

 

Relic - Dunkles Vermächtnis (Horror/Drama)

(nur als VoD, DVD und Bluray)

 

Das ein Horrorfilm auch eine Thematik wie "Demenz" behandeln kann um seinem Publikum ein unangenehmes Gefühl zu geben zeigt "Relic"

 

Als ihre betagte Mutter Edna (Robyn Nevin) unerklärlicherweise verschwindet, eilen ihre Tochter Kay (Emily Mortimer) und ihre Enkelin Sam (Bella Heathcote) zum verfallenen Landhaus ihrer Familie und finden überall im Haus verteilt Hinweise auf die zunehmende Demenz des Familienoberhaupts. Nachdem Edna genauso mysteriös zurückkehrt, wie sie einst verschwunden ist, vermischt sich Kays Sorge, dass ihre Mutter nicht sagen kann oder will, wo sie war, mit Sams unbändiger Begeisterung, ihre Oma endlich wieder zurückzuhaben. Als Ednas Verhalten zunehmend unbeständiger wird, beginnen beide zu spüren, dass eine dunkle Präsenz im Haus die Kontrolle über die alte Dame übernehmen könnte ...

 

Allein schon die Eröffnungsszene, als man sieht wie eine Badewanne überläuft, sich das Wasser den Weg durchs Haus bahnt und in der Küche eine sichtlich verwirrte ältere Frau steht, gilt als kraftvolle Metapher für das Thema, welches Natalie Erika James in Ihrem Film behandeln will: die schreckliche Krankheit Demenz mit all ihren Folgen.

Die recht klassisch zusammengestellte Familiensituation (Großmutter, Mutter, Tochter und zwischen allen läuft es nicht so richtig gut) ist Grundlage für ein packendes, spannendes sowie mit bildlichen Metaphern vollgepacktes Familien-Horror-Drama, welches sich in die Riege der Coronaopfer mit abgesagten Kinostarts einreiht und deshalb nur digital oder fürs Heimkino verfügbar ist.

Alles fängt recht ruhig und ohne großen Sprünge an, entwickelt aber mit zunehmender Dauer eine beängstigende Eigendynamik und gipefelt in teils verstörenden Szenen sowie einem ambivalenten Schlussbild, dass praktisch das zukünftige Schreckensszenario ankündigt.

 

James gelingt es Ihrem Film von Anfang bis Ende ein düsteres, beklemmendes und angstmachendes Schaufeeling zu verleihen, sodass man "Relic" zwar fasziniert verfolgt, man aber froh ist wenn der Spuk vorbei ist. Vielen wird das einmalige Sichten sicherlich ausreichen, was weniger daran liegt dass man sich mit dem Thema nicht auseinandersetzen will, sondern vielmehr an der durchaus verstörenden Inszenierung einer Krankheit die sich vorallem in den Köpfen der Betroffenen abspielt und für deren Angehörige mitunter auf Dauer zur Belastungsprobe wird. So auch in "Relic": Der geistige Verfall von Edna setzt deren Tochter Kay und Enkelin Sam immer mehr zu, wodurch deren Verzweiflung minütlich steigt. In Kombination mit dem komplexen Familiengefüge, das von zahlreichen unausgesprochenen Konfliketen und Problemen untereinander bestimmt wird, trägt seinen Teil dazu bei. Kann man den beiden Angehörigen der alten Frau also einen Vorwurf machen das sich diese nach einer Einrichtung umsehen wo Edna fachmännisch betreut werden kann? Wohl kaum, da Sam immerhin anbietet in das abgelegene und heruntergekommene Haus einzuziehen, um ein Auge auf Ihre Oma zu haben.

 

Mit zunehmender Verschlechterung des Zustands (was nach dem Verschwinden und Wiederauftauchen der alten Frau rapide an Geschwindigkeit aufnimmt) scheint sich etwas Böses im Haus eingenistet zu haben. Das es sich dabei keinesfalls um einen "klassischen" Dämon handelt bleibt lange Zeit im Verborgenen, da James hier mit zahlreichen Elementen des Gruselkinos arbeitet und die Anspielungen eben deutlich erkennbar sind. Genau hier liegt aber der entscheidende, grandiose Punkt. "Relic" ist eben kein klassischer Horrorfilm, sondern stellt die Krankheit Demenz als eine Art innerer Dämon in den Mittelpunkt, wodurch alle Figuren beteiligt sind und die böse Seite dieser unheilbaren Erkrankung erleben. Das schrecklich reale daran ist ja, das die Persönlichkeit vor dem Körper stirbt und die Symptome mit Vorschreiten statt besser immer nur noch schlimmer werden

Dabei erhalten die drei Frauen vom Drehbuch nicht nur ausreichend Tiefe (es ist nicht relevant was alle vorher gemacht haben) sondern von den Darstellerinnen auch eine exzellente Ausstrahlung, Glaubwürdigkeit und Überzeugungskraft. Man nimmt jeder Ihre Figur von vorne bis hinten vollends ab.

 

Ähnlich wie in "Der Babadook" oder Ari Asters Debüt "Hereditary-Das Vermächtnis" sind das Unglück und der Horror, welches die Familie in "Relic" erleben, potentiell vererbbar und zeigen eines glasklar: nichts schmerzt mehr als die schlimme Erkrankung eines geliebten Menschen. Somit reiht sich dieser Film in die Riege der oben genannten und überzeugenden Produktionen ein und darf durchaus als Geheimtipp für Genrefans gesehen werden.

Passenderweise liefert man die entsprechend düstere, verstörende und geheimnisvolle Atmosphäre in Form von Schockmomenten, einer im Schlussdrittel eskalierenden Familientragödie sowie einer tollen Kameraarbeit (in Kombi mit dem detailiert gestalteten alten und maroden Haus) über die gesamte Laufzeit von 89 Minuten (die fast einen Tick zu kurz geraten ist).

Begleitet wird das Geschehen von einem im Soundesign klassisch auf Horror getrimmten Soundtrack, der jedoch besonders effektiv in Szene gesetzt wird.

 

Fazit: Nicht nur Geister, Dämonen oder Serienkiller können einem eine Heidenangst einjagen, sondern auch Demenz und deren Folgen. Und genau das macht das Horror-Drama "Relic" auf erschreckende Weise und dank zahlreicher Metaphern in der Bildsprache des Horrorgenres richtig gut.

 

Bewertung:

Genre: 7.5 von 10 Punkten

Gesamt: 8 von 10 Punkten

 

Antebellum (Thriller/Horror)

(nur als VoD, DVD und Bluray)

 

Die Produzenten von "Get Out" und "Wir" haben wieder einen tollen Horror-Thriller geschaffen, der es leider nicht auf die Kinoleinwand geschafft hat.

 

Die erfolgreiche Bestseller-Autorin Veronica Henley (Janelle Monáe) hat gerade eine Buchtournee hinter sich gebracht und freut sich darauf, endlich wieder zu ihrem Mann und ihrer Tochter nach Hause zu kommen. Doch nach einem tragischen Schicksalsschlag kommt es anders und ihr Leben ist nicht mehr so, wie es einmal war: Veronica ist in einer schrecklichen Parallelwelt gefangen. Diese lässt sie alles in Frage stellen: ihre Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Ihre einzige Möglichkeit, dieser Welt zu entkommen, ist, ein geheimnisvolles Rätsel zu lösen. Doch dafür bleibt ihr nur begrenzt Zeit...

 

Schon mit den beiden Trailern, die im Vorfeld veröffentlicht worden sind, wurde deutlich das "Antebellum" in zwei verschiedenen Zeiten spielen wird, die mehrere hundert Jahre auseinander liegen, aber seltsamerweise mit der gleichen Hauptdarstellerin im Zentrum. Wie dieser Umstand funktionieren kann zeigen die beiden Regisseure Gerard Bush und Christopher Renz in diesem von den Produzenten der Horrorsensationen "Get Out" und "Wir" produzierten Thriller, der auch einiges an Gruselelementen zu bieten hat. Man beginnt auf einer Baumwollplantage (irgendwo in den Südstaaten), auf der während des Bürgerkriegs die Sklavin Eden zusammen mit zahlreichen Afroamerikanern für die Weiße Elite schuften müssen. Allein hier gibt es schon zahlreiche starke, intensive und schockierende Momente (bsp. als eine Sklavin die fliehen will mit dem Lasso eingefangen, erschossen und mit dem Seil um den Hals zurück zur Farm gezogen wird) zu sehen, wodurch an der ersten Sekunde ein beklemmendes und unangenehmes Feeling aufkommt.

 

Diese längst vergange Zeit bekommt zudem ein extrem authentisches, detailiertes und aussagekräftiges Setting einer typischen Farm, entsprechenden Kostümen und zahlreichen Holzhütten. Allein die Bilder lassen den Zuschauer in eine Ära eintauchen, die geprägt ist von Sklaverei, Rassismus und Krieg. Mittendrin ist Eden (Janelle Monáe), eine junge mutige Skalvin, die sich trotz aller Misshandlungen nicht unterkriegen lässt und heimlich Ihre Flucht plant. Sie wartet nur auf den richtigen Augenblick.

Nach ca. 40 Minuten kommt es zum harten Schnitt und während Eden am Aufwachen ist ändert sich die Umgebung und man sieht wie Sie als anders gestylte Frau in der Jetzt-Zeit die Augen öffnet.

Nun wird die Hauptfigur Veronica genannt, ist Mutter und eine erfolgreiche Bestsellerautorin sowie engarierte Kämpferin für die Gleichstellung von Schwarzen und Weißen. Ihre Meinung sowie den Kampf gegen Rassismus fiecht die vielbeschäftigte Autorin gerne in diversen Talkshows aus, wodurch Sie sich in gewissen Kreisen unbeliebt macht.

 

Als Zuschauer begleitet man die junge Mutter während einer Vorlesung mit anschließenden Dinner, bei dem Sie von Freundinnen begleitet wird und alle einen unbeschwerten Abend (mit einigen humorvollen Szenen) erleben. Doch nebenei streut das Drehbuch einige mysteriöse Momente in die Handlung ein, die diese bald in eine neue Richtung lenken.

Veronica wird entführt (die Entführer sind die gleichen Personen wie die Farmbesitzer in Eden's Geschichte) und plötzlich ist man wieder auf der Baumwollfarn.

Auch hier werden wieder seltsame Hinweise eingestreut, wodurch sich das Puzzle langsam zusammensetzt, ohne das man das Spannungsniveau dadurch nach unten drückt. Schließlich arbeitet man gezielt auf den großen Twist hin, der im Finale alles auf den Kopf stellen wird, wenngleich man dort Eden in einer etwas zu pathetischen Haltung/Aktion zeigt. Und trotzdem ist dieses Schlussbild ein perfekter Abschluss einer packenden Geschichte, die stets auf ein ernstes Thema hinweisen will. Der Cast um die in einer Doppelrolle spielende Janelle Monáe macht dabei einen sehr ordentlichen Job und verleiht den einzelnen Figuren die richtige Menge an Charakter, Ausstrahlung und Überzeugungskraft. Zudem fällt es nicht schwer zwischen Gut und Böse bzw. sympathisch und unsympathisch zu unterscheiden womit die Herzen der Zuschauer genau jenen Figuren zufallen, die im Film unterdrückt, gedemütigt und misshandelt werden.

 

Noch ein paar Worte zum technischen Part. Wie bereits erwähnt  überzeugen die Ausstattung sowie das Szenenbild, welche von einer besonders ruhigen, fokussierten und detailreichen Kamera eingefangen werden und schlussendlich für einen grandiosen Look sorgen. Weiterhin muss man die exzellente Belichtung positiv erwähnen, bei der man mit tollem Feingefühl zwischen Szenen am Tag und in der Nacht wechselt und wirklich jeden Moment perfekt ausleuchtet. Das eher ruhige Handlungstempo kommt diesem Aspekt natürlich auch entgegen. Besonders die Bilder der vom strahlenden Sonnenschein beglückten Baumwollfarm bleiben nachhaltig im Gedächtnis.

Begleitet wird das ganze von einem zurückhaltenden, ruhigen aber auch mysteriös angehauchten Soundtrack, der auch von der Lautstärke und dem Sounddesign her sehr angenehm abgemischt worden ist.

 

Fazit: Ein wirklich feiner, intensiver und vorallem spannender Thriller, der einerseits auf das dunkle Kaptiel Sklaverei während des amerikanischen Bürgerkriegs aber eben auch das aktuell wieder sehr wichtige Thema Rassismus behandelt. Die gelingt Gerard Bush und Christopher Renz auch wegen des grandiosen Look's außerordentlich gut.

 

Bewertung:

Genre: 8 von 10 Punkten

Gesamt: 8 von 10 Punkten

 

Hexen Hexen (Fantasy/Familie)

Neuverfilmung von Roald Dahls Kinderbuch-Klassiker „Hexen hexen“ (Originaltitel: „The Witches“), der 1990 bereits mit Anjelica Huston in der Hauptrolle für die große Leinwand adaptiert wurde.

 

Im luxuriösen Hotel von Mr. Stringer (Stanley Tucci) versammelt sich eine Gruppe Hexen (angeführt von Anne Hathaway) und schmiedet einen teuflischen Plan: Alle Kinder sollen in Mäuse verwandelt werden, woraufhin das Hotel selbstverständlich das Nager-Problem beseitigen und alle Kinder vernichten wird. Gemeinsam mit seiner Großmutter (Octavia Spencer) lebt ein kleiner Junge (Jazhir Bruno) in diesem Hotel. Da Hexen es vornehmlich auf Arme und Schwache abgesehen haben, will seine Oma mit diesem Wohnort dafür sorgen, dass ihr Enkel in Sicherheit ist. Doch der kleine Jungen bekommt Wind von dem Vorhaben der Hexen und versucht sie aufzuhalten. Als er selbst eines der ersten Opfer wird, muss er von an als Maus selbst aufpassen, dass Mr. Stringer ihn nicht entdeckt ...

 

Recht kurzfristig hat Warner Bros. diese Neuinterpretation von Regisseur Robert Zemeckis für den deutschen Kinomarkt angesetzt (In den USA ist die Produktion wie so viele direkt zu einem Streaminganbieter gewandert) und hoffte damit auf im Anbetracht der Umstände gute Besucherzahlen. Doch mit dem am Montag (02.11.2020) beginnenden Kultur-Lockdown bleiben dieser Version gerade mal die 4 Tage des Startwochenendes, wobei Warner bereits angekündigt hat alle zum Zeitpunkt der Schließungen laufenden Produktionen zur Wiedereröffnung bereitstellen zu wollen. Wie der Re-Re-Start aber verlaufen wird ist jetzt noch nicht abschätzbar.

Nun aber zum Film und der aufkommenden Frage: Braucht es diese Neuverfilmung überhaupt? Ich würde sagen das Zemeckis Version durchaus gelungen ist, wobei man sich aber jetzt nicht um Welten vom Orginal aus dem Jahr 1990 absetzen kann. Kenner des Orginals wissen ja das es sich dort um eine für damalige Zeiten komplett unkonventionelle Inszenierung eines Familienfilms gehandelt hat, bei der zahlreiche Kinder mit Albträumen zu kämpfen hatten (der Film hatte eine FSK 6) und der erst nach seiner Kinoauswertung so richtig zum Kult wurde. So bleibt 2020 die Angst eines glattgebügelten Abklatsches in bester Disneymanier (ähnlich wie bei "Maleficent"), der unter allen Umständen keinesfalls gruselig sein soll.

 

Doch siehe da, Zemeckis denkt größtenteils gar nicht daran sich auf das Niveau vom Mauskonzern einzulassen und packt in seine Version der Romanverfilmung zahlreiche Szenen, die man eigentlich in einem Fantasy-Horror erwarten würde. Nicht umsonst hat die FSK dem Film eine Freigabe ab 12 Jahren erteilt. Einen großen Anteil daran hat eine grandios aufspielende Anne Hathaway als böse Oberhexe, die mit Ihrem ausdrucksstarken hinterlistigen Lachen sowie osteuropäischen Dialekt  einen perfekten Bösewicht abgibt, den man so auch in einem Bond-Streifen gerne zuschauen würde. Dabei ist Ihre Figur von Anfang an als das angelegt, was man von Hexen halten soll: Sie sind böse und hassen Kinder. Schließlich bekommt man diese, zugegeben mittelalterlichen Ansichtspunkte, gleich zu Beginn in einer Dia-Show vom Erzähler präsentiert. Dieser ist übrigens das ältere Ich des namenlosen Protagonisten, welcher im Laufe der Handlung zu einer Maus verwandelt wird und seine Geschichte in einer Art Vorführung einem Kinderpublikum vorträgt. Was auffällt ist die Tatsache, das sich Zemeckis deutlich näher an die Buchvorlage und damit die Orginalgeschichte hält als Nicolas Roeg es 1990 getan hat. Dabei wird die Handlung aber vom England der 1980er Jahre nach Alabama von 1969 verlegt um mit der Wahl des Casts (Protagonist ist ein Afroamerikanischer Junge und einige Hotelangestellte sind schwarz, während die Gäste ausschließlich weiß sind) bekommt man sogar noch eine politische Note unter.

 

Neben Hathaway kann auch Octavia Spencer als Voodoo-Oma in Ihrer Rolle überzeugen. Neben der offenen und liebvollen Umgangsweise gegenüber dem Jungen sind es vorallem auch die gezeigten und sehr schön anzusehenden Tanzeinlagen mit denen uns die Schauspielerin beglückt. Es macht einfach Spaß Ihr zuzusehen und auch zuzuhören (das Drehbuch erlaubt einige Lebensweisheiten und kluge Aussagen, die Oma raushauen darf).

Zusammen mit Anne Hathaway bildet sich ein starkes Frauenduo, die "Hexen Hexen" Ihren Stempel aufdrücken.

Selbst als Nichtkenner des Romans gibt es genug Indizien zu Beginn, wodurch man sich die weitere Handlung ausmalen kann. Für große Überraschungen und Twists ist da dann kein Platz mehr, was aber nicht immer schlimm sein muss. Wenn die Inszenierung passt, passt auch der Rest. Und genau hier muss man die ein oder andere zu offensichtliche und klischeehafte Andeutung negativ sehen. Hier hätte man durchaus etwas kreativer in der Figurenzeichnung sein dürfen.

Mit der Wahl eines noblen Hotels im ländlichen Alabama hat man auf jeden Fall eine gute Wahl getroffen, das dann auch optisch und ausstattungstechnisch für einen tollen Look sorgt. An dieser Stelle muss man auch die ruhige, fokussierte und hochwertige Kameraarbeit von Don Burgess hevorheben, der die Handlung mit tollen Bildern und Einstellungen ansehnlich auf die Leinwand bringt. Daneben überzeugt das hervorragende CGI mit zahlreichen eindrucksvollen Effekten (bsp. Hathaways riesige Schnüffelnase, grelle Blitze, oder einfach nur die animierten Mäuse), die auf jeden Fall an eine hochgradige Produktion erinnern.

 

Auch die Darstellung der Hexen, mit verkrüppelten Füßen, krallenähnlichen Fingern und mit Blasen übersähten Glatzen können begeistern. Und absolutes Highlight ist sowieso der riesige sowie aufgerissene, mit scharfen Zähnen besetzt Mund von Anne Hathaway, der sofort an Tom Hardy als "Venom" erinnert und ähnlich gruselig wirkt.

Wie bereits erwähnt verwendet Zemeckis einige Gruselelemente, die man bestenfalls als dunkle Fantasyszenen bezeichnen kann und deutlich heftiger daherkommen als jene aus den "Malifecent"-Filmen von Disney. Hier und da wirkt das Ganze zwar schon auf die heutige Zeit gebügelt (um es nicht zu düster zu halten), aber insgesamt überraschen die vielen düsteren Momente, welche man so nicht erwarten konnte. Natürlich nimmt man den Verlust einer großen Zielgruppe in Kauf, aber kann dadurch ein anderes Publikum auf seine Seite ziehen.

 

 

Fazit: Diese Neuverfilmung des 1990er Kultstreifens fällt erstaunlicherweise weniger glattgebügelt aus wie befürchtet. Sensationelle CGI-Effekte und eine grandiose Anne Hathaway als bitterböse Oberhexe machen richtig Laune, wenngleich gerade jüngere Kinder durchaus den ein oder anderen Gruselmoment verspühren werden.

 

Bewertung:

Genre: 7 von 10 Punkten

Gesamt: 7 von 10 Punkten

 

Schwesterlein (Drama)

 

Nachdem man Nina Hoss (Pelikanblut) und Lars Eidinger (Persischstunden) zuletzt in sehr starken Genrefilmen sehen konnte, stehen beide in "Schwesterlein" zusammen vor der Kamera.

 

Als sich der Zustand ihres an Leukämie erkrankten Zwillingsbruders Sven (Lars Eidinger) zusehends verschlechtert, setzt die zweifache Mutter und gefeierte Theaterautorin Lisa (Nina Hoss) alles daran, den begnadeten Schauspieler noch einmal auf die Bühne zu bringen. Ihr Leben gerät damit engütlig in Schieflage, Zeit für sich selbst und ihre Arbeit hat sie nun endgültig nicht mehr. Das ändert sich auch nicht, als sie Sven zwischenzeitlich zu sich nach Hause in die Schweiz holt. Der exzentrische Gast stört die Familieneinheit, verärgert seinen Schwager Martin (Jens Albinus), provoziert seine Schwester und hinterfragt seine Lebensentscheidungen, seine abgebrochene Karriere und seine Vergangenheit. Als Sven schließlich das Gefühl hat, dass sein Ende naht, schickt er seine Schwester zurück zu den Wurzeln ihrer tiefsten Wünsche, was schließlich auch bei ihr wieder den Wunsch weckt, etwas zu schaffen und sich lebendig zu fühlen. Es ist das letzte Geschenk eines Zwillings an seinen Zwilling...

 

2020 scheint wirklich ein Jahr zu sein in dem es filmtechnisch recht oft um schreckliche Krebserkrankungen geht; als sei die weltweite Pandemie nicht schon Krankheit genug. Natürlich konnte niemand das Ausmaß erahnen und so sollte man die vorherige Aussage auch nicht zu ernst nehmen. Nun also das nächste Krebs-Drama, diesmal eine deutsch-schweizerische Kooperation mit einer fabelhaften Besetzung. Und genau deshalb unterscheidet sich dieser Film von den meisten seines Genres obwohl die Geschichte zwar tragisch und berührend, aber mittlerweile recht ausgelutscht ist.

Im Mittelpunkt steht dabei aber nicht unbedingt nur die unheilbare Krankheit von Sven, sondern vielmehr die Beziehung zu seiner Zwillingsschwester, die ganz besonderes innig und liebevoll aufgebaut ist und allen Widrigkeiten trotzt.

Scheint es anfangs noch bergauf mit dem Theaterschauspieler zu gehen (auch beruflich ), der Film nimmt sich hier viel Zeit die einzelnen Figuren genauer zu beleuchten und Ihnen Charaktertiefe sowie Eigenschaften zu verleihen, schlägt der Krebs erbarmungslos zurück und stellt das ganze Familienleben auf eine schwere Probe.

 

Dabei läuft es bei allen Beteiligten unabhängig von der schlimmen Diagnose eh schon alles andere als rund. Die Mutter von Lisa und Sven nimmt viele Tabletten, ist antriebs- und lustlos, chaotisch und kann/will sich nicht um Ihren kranken Sohn kümmern. Offen wirft Sie Ihm sogar vor das er sie krank macht und seine Pflege zu aufwändig wäre. Sven wird durch den Krebs völlig aus dem Leben gerissen, verliert seine große Liebe (er ist schwul) und seine Karriereaussichten sind mehr als düster. Der Regisseur seines Theaters ändert kurzfristig das Bühnenstück und besetzt die Hauptrolle neu und Sven will keinem mehr zur Last fallen. Auch in Lisa's Leben läuft einiges schief: Als Autorin hat Sie aktuell eine Schreibblokade, arbeitet als Deutschlehrerin in der Schweiz (wo sie zusammen mit Ihrem Mann Martin und den Kindern lebt aber nicht glücklich ist) und hat mit Eheproblemen zu kämpfen. Und trotzdem will Lisa es allen Recht machen woran man zwangsläufig scheitern muss. Man kann sich eben nicht um alles und jeden intensiv kümmern ohne das das eigene Leben darunter leidet. Sowohl Hoss als Lisa als auch Eidinger als Sven spielen ganz groß auf, überzeugen mit facettenreichen Schauspiel sowie starker Präsenz und verleihen Ihren Figuren eine authentische und nahbare Ausstrahlung, wie man es bereits bei den vorherrigen Filmen der beiden eindrucksvoll sehen konnte. Es macht einfach richtig Spaß den beiden in dieser tieftraurigen und emotionalen Geschichte zuzusehen wie man das Beste aus einer auswegslosen Situation macht.

 

Sicherlich sollte man hier keine besonders ereignisreiche Wendungen erwarten, da der Handlungsverlauf recht offensichtlich gestaltet wird und sich die dramatischen Zuspitzungen zumeist deutlich ankündigen. Zudem wollen die Filmemacher auch aufzeigen was mit einer eh schon mit Problemen behafteten Familie passiert wenn zu allem Überfluss noch ein Mitglied schwer erkrankt. Traurige Geschichten die nur das Leben so schreiben kann und die sich wohl tagtäglich irgendwo auf der Welt abspielen. Das eher ruhige Erzähltempo lässt dem Zuschauer immer wieder die Möglichkeit in bestimmten Momenten mitzufühlen und stellt anders als etwa ein "I Still Believe" keinesfalls Gott, dessen Allmacht allem Erhaben ist, oder die Religion in den Fokus der kranken Hauptfigur. Man bleibt lieber im sachlich-medizinischen Bereich wobei die Gefühlslage der Geschwister stets offen nach außen getragen werden.

 

Die Bilder von Kameramann Filip Zumbrunn zeigen meistens die Figuren hautnah in langen Sequenzen, geht aber auch auf Distanz wenn es nötig und angebracht ist. Dann sieht man das Geschehen aus der zweiten Reihe und in räumlicher Entfernung ohne jedoch den Fokus zu verlieren. Die durchweg klaren und wertigen Aufnahmen wechseln zwischen den einzelnen Handlungsorten (Berlin, verschneites Dorf in der Schweiz und dem sterilen Krankenhaus) hin und her, wobei einige sehenswerte Landschaftsbilder der Berge hängen bleiben. Die Schausplätze sind in der Regel eher schlicht gehalten, aber stets passend zur Figurenbeschreibung. So macht die Wohnung der Mutter einen chaotischen und lieblosen Eindruck, die in den idyllischen Bergen gelegene Wohnung von Lisa und Martin modern und gemütlich. Hinzu kommt der teils harte Kontrast vom herbstlichen Berlin zur Winterlandschaft der Berge.

Musikalisch wird das Drama von pianolastigen Stücken begleitet, welche einerseits emotional, berührend aber auch ruhig und traurig wirken. Für die Atmosphäre ist diese Art von Musik auf jeden Fall bestens geeignet.

 

Fazit: Altbekannte Story, aber mit grandiosen Hauptdarstellern besetzt. "Schwesterlein" ist ein klassisches Krebs-Drama in dessen Mittelpunkt nicht unbedingt die Krankheit sondern die besondere Beziehung von Zwillingen steht.

 

Bewertung:

Genre: 7 von 10 Punkten

Gesamt: 7 von 10 Punkten

 

Blumhouse's Der Hexenclub (Fantasy/Drama)

 

Mit diesem Sequel wollte Blumhouse die Reihe des 1996 erschienenen "Der Hexenclub" wiederbeleben. Ob daraus nun mehrere Filme werden steht angesichts der Corona-Pandemie in den Sternen.

 

Die Teenagerin Lily (Cailee Spaeny) zieht mit ihrer Mutter Helen (Michelle Monaghan) in eine neue Stadt, weil diese mit Adam einen neuen Mann (David Duchovny) gefunden hat. Lily ist davon (und von ihren neuen drei Stiefbrüdern) wenig begeistert und blamiert sich noch dazu an ihrem ersten Tag an der neuen Schule. Immerhin freundet sie sich schnell mit ihren drei neuen Mitschülerinnen Frankie (Gideon Adlon), Tabby (Lovie Simone) und Lourdes (Zoey Luna) an, die sie in ihren Hexenzirkel aufnehmen. Schon bald entdeckt Lily, dass sie nun tatsächlich über magischen Kräfte verfügt und diese zu ihrem Vorteil einsetzen kann...

 

Lange war der Starttermin dieser Produktion ein großes Geheimnis, bzw. viele hatten den Film ganz einfach auch nicht auf dem Schirm. So verwunderte die recht kurzfristige Ansetzung am Halloweenwochende durch Blumhouse nicht nur die Kinos sondern auch den Großteil der Kinogänger. Dabei muss man den Orginalfilm nicht unbedingt gesehen haben um die Neufassung zu verstehen. Der 2020er Film ist dabei genauso wenig ein waschechter Horrorstreifen wie seine Vorlage. Vielmehr handelt es sich um eine Coming-Of-Age-Geschichte mit ganz viel Fantasy sowie etwas Drama und eine kleine Prise Grusel. Fürchten muss man sich also keinesfalls und Albträume werden auch ausbleiben.

Dabei verläuft die in ein angenehm ruhiges Tempo getauchte Handlung recht schön dahin und kann vorallem in der ersten Filmhälfte sehr gut unterhalten. Die meiste Zeit sieht man die vier Mädels wie sie sich Ihrer Kräfte immer mehr bewusst werden und diese dann auch einsetzen. Überraschende Twists finden praktisch gar nicht statt, weil selbst der Bösewicht ziemlich schnell für jedem Zuschauer auszumachen ist. Es geht eigentlich nur darum wann er sich als dieser offenbart und wie er am Ende von den vier  Hexen besiegt wird.

 

Mit zunehmender Laufzeit wird sowohl der Look als auch der Handlungslauf deutlich düsterer und schlägt in einen dunklen Fantasyfilm (ähnlich wie "Maleficent" ) um, welcher mit einem finalen Kampf "Gut gegen Böse" endet. Und weil es allgemein nur ein FSK 12 gegeben hat fällt das Finale entsprechend unblutig aus (untypisch für einen Film aus dem Hause "Blumhouse")

Immerhin bekommt man als Zuschauer mal einen ganz anderen Blick auf das Thema "Hexe", dass sich fundamental von jenem unterscheidet wie besagte Damen in der Literatur und zahlreichen Filmen dargestellt werden. Die vier Mädchen sind nämlich keinesfalls böse Magierinnen, die es auf kleine Kinder abgesehen haben und Unheil verbreiten, sondern Teenager mit ganz normalen Problemen wie verliebt sein, Schulstress oder den finalen Schritt zum Erwachsen sein zu gehen. Ihre Zauberkräfte nutzen die Mädels fast schon zur eigenen Unterhaltung. Da zaubert man sich gegenseitig Blümchen oder Sterne ins Gesicht, nimmt magische Bäder oder sorgt dafür das sich Mobberinnen plötzlich den Kopf an der Wand anhauen. Keinesfalls werden irgendwelche bösartige Formeln ausgesprochen bei denen andere ernsthaft gefährdet werden. Als Jugenfilm funktioniert das sicher sehr gut, Horrorfans werden aber durchweg enttäuscht sein.

Obwohl Blumhouse draufsteht sollte man nicht mit der Erwartungen einen klassischen Horror zu sehen in den Film gehen.

 

Dennoch gibt es einen Punkt der mich während des Films immer wieder gestört hat und den ich nicht ganz verstanden habe. Das Drehbuch greift so viele Themenbereiche auf, die man alle gar nicht so ausführlich abarbeiten kann ohne die Laufzeit auf 4 Stunden ausweiten zu müssen. So schneidet man Punkte wie Mobbing, Sex, erste Liebe, das Erwachsen werden, Sexualität abseits von hetero, Familienprobleme oder Freundschaft an wodurch sich ein richtiges Kuddelmuddel entwickelt und nichts auch nur annähernd vertieft werden kann. Das alles wirkt dann zu gewollt und ohne klare Linie. Man fragt sich ob diese Geschichte nicht als Serie besser aufgehoben wäre, da man dort all die verschiedenen Themen perfekt auserzählen kann ohne das man auf die Lauflänge achten muss.

So könnte man auch zu jeder der 4 Mädels eine aussagekräftige Hintergrundgeschichte aufbauen und deren Charaktereigenschaften bestmöglich rüberbringen. Man hat schon zu Beginn das Gefühl dass man einfach so in die Handlung geworfen wird ohne Chance Lily und Co. zuminderst ansatzweise kennen zu lernen. Zwar zeigt sich schnell das Sie keine leichte Kindheit hatte und als Außenseiterin gilt, mehr Infos bekommt man aber nicht. Auch zu den drei anderen im Bunde gibt es keinerlei Vorwissen (seit wann kennen Sie Ihre Kräfte, was hat Sie zueinander geführt, etc).

 

Im Laufe der Geschichte bekommt zuminderst Lily als Hauptfigur eine recht plausible Lebensgeschichte, die den nötigen dramaturgischen Grundpfeiler aufweist. Weil auch die anderen Junghexen wohl ähnliches durchgemacht haben fällt es Ihr nicht schwer schnell eine tiefere Freundschaft aufzubauen. Als Gruppe harmonieren die Teenagerinnen wunderbar miteinander, ergänzen sich perfekt und sorgen mit Ihrer Ausstrahlung sowie dem für das Alter angemessenen Verhaltens dafür, dass man als Zuschauer eine Bindung aufbauen kann. Typische Heranwachsende wie man selber mal einer/eine war.

Mit den stärksten Kräften ist aber Lily ausgestattet, die Sie auch zu Ihrem Nutzen einsetzt und damit immer mehr zur Gefahr wird, da Gefühle eine zunehmend entscheidende Rolle spielen. Allen 4 Darstellerinnen liefern eine gute schauspielerische Leistung ab und es ist offensichtlich das man Spaß am Dreh und den Figuren hatte.

Als Gegenspieler und Bösewicht agiert Lily's Stiefvater, der erfolgreich Seminare über Stärke und Selbstbewusstsein abhält und insgeheim auch magische Kräfte besitzt, dem man seine dunklen Gedanken sehr schnell ansieht. Damit wirkt der Vater von drei Söhnen zusehens unsympathischer, wozu auch seine Aussagen und Handlungen beitragen. Da das Zielpublikum noch recht jung ist, kann man diese Figur und deren Bestrebungen nicht in einer komplizierten Story verbauen. Wäre es ein FSK 16 Film gewesen dann hätte man diese Tatsache als Kritikpunkt werten müssen.

 

Neben einigen tollen und stimmungsvollen Effekten fallen auch die sehenswerten Standbilder positiv auf, in denen die Mädchen alles anhalten und sich als einzigste weiter bewegen können. Zudem gelingen alle Wechsel zwischen hellen/farbigen Sequenzen mit jenen, die düster, dunkel und mysteriös gehalten sind. Auch das Spiel mit der Dunkelheit und einzelnen Lichtquellen beherrscht man, wobei es immer um gesättigte Farben geht ohne das diese zu sehr in eine Richtung ausschlagen. Mit ein paar besonderen Perspektiven und Einstellungen sowie ganz wenigen Mini-Jumpscares spielt die Kamera ein sicheres Spiel.

Im Hintergrund gibt es einen facetten- und abwechslungsreichen Sound zu hören, der von mysteriös über Pop bishin zu Hip Hop schallt und damit sehr jung, frisch und für einen Blumhousefilm recht ungewöhnlich gut gelungen ist.

 

Fazit: Wer mit der Einstellung eine Coming-Of-Age-Fantasy-Story zu sehen in diesen Film geht wird durchaus viele ruhige und tolle Momente erleben. Als Serie würde der Stoff so wie er hier dargestellt wird aber deutlich besser funktionieren.

 

Bewertung:

Genre: 6.5 von 10 Punkten

Gesamt: 6.5 von 10 Punkten

 

Und Morgen Die Ganze Welt (Polit-Drama/Thriller)

 

Wie weit ist man bereit für seine Ideale und politischen Forderungen zu gehen? Diese Frage muss sich Luisa in "Und Morgen Die Ganze Welt" stellen.

 

Die aus gutem Hause stammende Luisa (Mala Emde) studiert im ersten Semester Jura – und spürt innerlich, dass sich etwas ändern muss in diesem Land, das immer weiter nach rechts rückt und in dem die populistischen Parteien stetig an Zulauf gewinnen. Zunächst tut sie sich mit einigen ihrer Freunde zusammen, um gegen die „Faschos“ zu demonstrieren. Dabei lernt die Studentin den charismatischen Alfa (Noah Saavedra) und dessen besten Freund Lenor (Tonio Schneider) kennen. Für ihre neuen Bekannten ist auch Gewalt ein legitimes Mittel, um Widerstand zu leisten. Die Situation spitzt sich immer weiter zu, bis sich Luisa endgültig entscheiden muss, wie weit zu gehen sie bereit ist – mit allen Konsequenzen, die das für sie, ihre Familie und ihre Freunde haben könnte...

 

In Zeiten wo es politisch nur noch rechts und links zu geben scheint und sich beide Lager immer weiter radikalisieren (zumeist im Untergrund/Hintergrund der öffentlichen Wahrnehmung) und die Aussagen jeweils andere Seite nicht mal hören will sind junge, mutige und offene Filme wie "Und Morgen Die Ganze Welt" besonders wichtig und gehören gezeigt. Der ewige Kampf der Ideologien betrifft schließlich jeden von uns und stets steht die Frage im Raum ob man bereit ist für seine Sache auch Gewalt anzuwenden. Nach dem Motto "Wie weit wirst du gehen?". Genau hier setzt Julia von Heinz, die vor Jahrzehnten selbst in der Antifa mitgewirkt hat, an um den Zuschauer einen authentischen Einblick in eine linke Bewegung zu geben. Das im Film genannte "P81" ist eine von zahlreichen Vereinigungen welche auf friedliche Art gegen rechte Demos aufmarschieren und mit kleinen Aktionen Ihren Protest kundtun. Das es sich hierbei um AFD-Kundgebungen handelt darf zwar so nicht ausgesprochen werden, ist aber deutlich erkennbar. Dabei geht es neben den zahlreichen, meist jungen und linken Aktivisten vorallem um Luisa's Weg von einer Jura-Studentin aus gutem Haus (Familie ist adelig und hat keinerlei finanzielle Einschränkungen) zur radikalen Aktivistin, die sich mit einigen anderen von der Community (die aus Geldmangel nach weggeworfenen Lebensmitteln in Containern suchen und sich auch mal als Hippies sehen) abkapselt und mit Gewalt ein Zeichen gegen Rechts setzen will.

 

Hier stellt sich die Frage ob man hier Artikel 20 des Grundgesetzes anwenden darf und welche Konsequenzen dieses Handeln mit sich bringt. Ist das Bewerfen mit Farbeiern oder das Zerstören von Autos schon ein Schritt zu weit oder darf man auch zuschlagen und andere verletzen? Alle Optionen zeigt Julia von Heinz ohne dabei auch nur im Ansatz die einzig wahre Antwort darauf zu geben. Und wenn man sich die Nachrichten ansieht was weltweit so alles abgeht dann fragt man sich sowieso ob es heutzutage überhaupt noch Tabus gibt und manche Aktionen mittlerweile auch toleriert werden. So wird im Film während einer Demo der Rechten ein asiatischer Restaurantinhaber von eben jenen mit etwas beworfen und verletzt, was die anwesenden Polizisten aber nicht besonders zu interessieren scheint. Auch an anderer Stelle macht es den Eindruck das die Behörden die Rechten gewähren lassen und im Gegenzug den Gegendemonstranten nichts durchgehen lassen. Kleine, aber effektive Anspielungen auf die aufkochenden Diskussionen über rechtes Gedankengut bei der Polizei, und somit eine gelungene und ausdrucksstarke Kritik an unserem System (die so auch nicht ganz unberechtigt ist und auf jeden Fall Aufklärung verdient hat). Diese Art der Inszenierung soll einerseits polarisieren und wütend machen, andererseits aber auch aufrütteln sowie zum Nachdenken anregen.

 

Heutzutage gibt es eben nicht nur die "Fridays for Future" Bewegung, sondern eben auch solche, die an den politischen Rändern anzutreffen sind und junge Menschen anziehen. Julia von Heinz lässt Ihre Geschichte einfach in der heutigen Zeit spielen, wodurch sich besonders das junge Publikum mit den Figuren identifizieren kann. Ich finde eh das die politischen Eliten der jüngeren Generation (14 bis 26) zu wenig zutraut und deren Interessen kaum bis gar nicht ernst nehmen oder gar gewillt sind sich mit diesen auseinander zu setzen. Schließlich lassen sich mit den Alten eben eher Wahlen gewinnen. Doch der heutigen Jugend reicht es nun mal. Themen wie Umweltverschmutzung und das Abdriften nach Rechts stehen hier ganz oben auf der Agenda, die man auch lautstark vertritt. Und so will auch Luisa Ihre Ansichten vertreten und kommt immer mehr in einen sich drehenden Kreisel aus dem es anscheinend kein Entkommen mehr gibt. Mit jeder weiteren und gewaltbereiteren Tat steigert Sie sich tiefer in Ihre politischen Vorstellungen hinein und steht bald vor der Entscheidung ob Gewalt die einzig plausible Lösung ist um gegen die politischen Gegner vorzugehen. Sieht man sich Luisa's Profil an dann dürfte Sie diesen Weg eigentlich gar nicht einschlagen. Die Gefahr das Luisa zu einer Klischeefigur verkommt, die aus Rebellion gegen die Eltern und deren altertümlichen Hobbies (Golf, Wildtierjagd) auf die Straße geht, kommt erst gar nicht auf, da einerseits das clevere und starke Drehbuch hier schon einen Riegel vorschiebt, nochmehr aber die schauspielerische Leistung von Mala Emde. Ihr gelingt es den ständigen Zwiespalt Ihrer Figur perfekt und authentisch umzusetze. Man nimmt Ihr wirklich jede Handlung, jede Träne, jeden ernsten Gesichtsausdruck und jeden emotionalen Ausbruch voll ab.

 

Insgesamt kann der junge Cast mit toller Performence überzeugen, auch sämtliche Nebenfiguren. Der charismatische und attraktive Alfa ist ein geschickter Polit-Verführer mit radikalen Ansichten, durch die sich eine Splittergruppe bildet, die eigenständig handeln und damit die ganze Community in Gefahr bringen. Daneben steht der eher zurückhaltende Lenor etwas in seinem Schatten und ist eher für friedlichen Protest. Doch mit zunehmender Dauer ist auch er bereit auf Gewalt zu setzen. Ganz auf der richtigen Seite steht Luisa's Freundin Batte, die nicht fassen kann, dass sich Luisa so derat radikalisiert und auf Alfa's Seite schlägt. Aber auch für einen Antifa-Veteran hat man noch Platz, und Dietmar ist der heimliche Star des Films. Obwohl er politisch mit seiner Gesinnung abgeschlossen hat (die Ihn für Jahre in den Knast gebracht hat) und einem Job als Altenpfleger nachgibt gewährt er dem Trio mehrfach bereitwillig Unterschlupf und leistet in Gewisserweise Hilfe. Dieses Aufeinandertreffen der Generationen stellt sich nicht nur als grandioser Glücksfall sondern auch als eine Entlarvung der Tatsachen heraus: Gibt es für die jungen Revoluzer nur Dietmar's Weg oder eben jenen von Luisa's Eltern? Oder vielleicht noch einen dritten, der evtl. eine Mischung aus beiden ist? Diese Frage lässt die Regisseurin genauso offen wie jene zum Thema "Gewalt gegen Demokratiefeinden"

Zum Ende der fast 2 Stunden Filmlaufzeit wird Luisa und das Filmpublikum von der Filmemacherin mit all den Fragen nach "falsch und richtig" alleingelassen, wobei es den Eindruck macht als würde die Protagonistin einen Alleintrip beschreiten und von allen anderen als einzige einen Weg der absoluten Gewalt beschreiten. Was nun wirklich richtig oder falsch ist, was man tun sollte/darf/muss, hierzu gibt es im Bezug auf den Vormarsch der Rechten keine klaren Antworten.

 

"Und Morgen Die Ganze Welt" ist ein mutiger, authentischer und durchaus komplexer Film, der aktueller den je ist und zur richtigen Zeit auf die Leinwand kommt, bei dem Daniela Knapp mit Ihrer Kamera immer ganz nah an den Figuren dran ist, selbst im Gewühle einer aus dem Ufer laufenden Demo oder Schlägerei von den Linken und Rechten. Das es durchweg auch hecktische Bilder zu sehen gibt ist kein Markel sondern sogar sehr förderlich für die Glaubwürdigkeit der Geschichte. Beim Schauen fällt der eher düstere und beklemmende Look der Bilder auf, die zwischen der Community in der Großstadt, Demos und abgelegenen Orten (ländlich gelegen) wechseln und den Eindruck erwecken, dass sich diese Konflikte überall in Deutschland abspielen könnten und sicherlich auch tun.

 

 

Fazit: Durch und durch spannendes Polit-Drama aus Deutschland, bei dem die Frage "Gewalt oder keine Gewalt" immer mehr in den Fokus rückt. Ein mutiger und wichtiger Film, dem es egal ist ob er aneckt oder polarisiert. In Zeiten von politischer Spaltung ein Must-See für jeden

 

Bewertung:

Genre: 8.5 von 10 Punkten

Gesamt: 8.5 von 10 Punkten

 

Kajillionaire (Drama/Komödie)

 

Mit Ihren neuen Film zeigt Miranda July wieder einmal, welch brilliantes Gespür Sie für eine Handlung und den entsprechenden Cast hat.

 

Robert (Richard Jenkins) und Theresa Dyne (Debra Winger) schlagen sich gemeinsam mit ihrer erwachsenen Tochter Old Dolio (Evan Rachel Wood) mit allerlei Trickbetrügereien und Diebstählen durch. Die Gauner-Familie kennt kein anderes Leben und will auch gar kein Anderes. Doch ihre Betrügereien reichen in letzter Zeit kaum noch, um die Miete für ihr Zuhause in Los Angeles zu bezahlen, ein leerstehendes Bürogebäude neben einer Badeschaum-Fabrik. Als Old Dolio drei Tickets für eine Reise nach New York gewinnt, fliegen die drei, nur um Geld wegen eines angeblich verlorenen Gepäckstücks abzustauben. Doch auf der Rückreise lernen sie Melanie (Gina Rodriguez) kennen, die selbst ein Fan von Filmen wie „Ocean's Eleven“ ist und auch schon eine Idee für eine Gaunerei hat...

 

Wer glaubt das es sich beim Filmtitel "Kajillionaire" um eine Mengeneinheit jenseits von Milliarden und Billionen handelt, der ist gewaltig auf dem Holzweg. Vielmehr handelt es sich um eine ironische Darstellung der ergaunerten Beträge der Betrügerfamilie im neuen Film von Miranda July. Denn diese sind alles andere als hoch und bestehen in der Regel aus dem Inhalt von gestohlenen Briefen, welche Old Dolio in einer Postfiliale aus den Schließfächern ergaunert. Bei dem durchaus kuriosen Namen handelt es sich um den Versuch an einen Lottogewinn zu kommen, da der Gewinner ein Obdachloser mit eben jenem Namen war. So skurril und verrückt der Name allein schon ist, so bizarr ist die gesamte Handlung. Und dennoch handelt es sich um einen ungemein sehenswerten Film, dessen absurdestes Puzzleteil nicht mal der rosarote Schaum ist, der täglich zur gleichen Uhrzeit durch die Wand in das heruntergekommene Apartment der Famile quillt. Dementsprechend haben sich alle 3 einen Wecker in den Armbanduhren programmiert, um stets informiert zu werden wenn es wieder sowiet ist. Bewaffnet mit Eimern und Handtüchern wird dann der Schaum in Zusammenarbeit entfernt.

 

Dies ist aber nicht die einzigste verrückte Eigenart der Familie: dem Vermieter versucht man stets auf akrobatische Weise aus dem Weg zu gehen um nur ein wiederkehrendes Beispiel zu nennen. Die Betrügereien sind teilweise minutiös durchgeplant und sollte man mal einen Massagegutschein bekommen soll Old Dolio für diesen eine Bargeld-Rückerstattung verlangen.

Schließlich steht man mit 1500 Dollar beim Vermieter in der Kreide und jeder Dollar Bargeld zählt.

Wie man sieht handelt es sich wirklich um eine ziemlich abgefahrene Handlung, die aber aufgrund Ihrer Inszenierung aber auch witzig, warmherzig und einfach nur sehenswert ist. Und im Grunde zeigt July eine ärmliche Familie, die alles dafür tut um über die Runden zu kommen, was in Amerika des Jahres 2020 auf unzählige Familien zutrifft.

Ein besonderes Augenmerk legt die Regisseurin aber auf die Beziehung der Eltern zur Tochter, das nichts mit einem als selbstverständlich geltenden liebevollen Umgang zu tun hat. Vielmehr gilt Old Dolio nur als Komplizin mit der man die Beute (die ja meist mickrig ist) gerecht durch 3 teilt. Einfache Sachen wie Zuneigung, Liebe und Geburtstagsgeschenke gibt es nicht, will man doch ein Verweichlichen der Tochter verhindern. Obwohl das alles kühl und kaltherzig wirkt ist es dennoch komisch und auf positive Weise skurril.

 

Erst als die Brillenverkäuferin Melanie auf der Bildfläche erscheint beginnt das über die Jahre gewachsene und eingespielte Trio zu bröckeln. Schließlich bringt die junge Frau (Die zudem auf Gaunerfilme wie Ocean's Eleven" steht) frischen Wind und neue Gaunerideen in die Gruppe. Gleichzeitig öffnet Sie Old Dolio nach und nach die Augen das das Verhalten der Eltern alles andere als in Ordnung ist. Zudem scheint Melanie auch leidenschaftliche Gefühle für die stets mit weiten Joggingsachen bekleidete Gaunertochter zu hegen. Gina Rodriguez sorgt mit Ihrer Euphorie, dem Selbstbewussten Auftreten und Ihrer grundpositiven Art für einen neuen Ton in der sonst so eintönigen (positiv gesehen) Geschichte. Das July aber ein besonderes Händchen für Hauptfiguren hat zeigt die Besetzung mit Evan Rachel Wood, die in der Rolle komplett aufblüht und diese einfach nur perfekt und vorallem glaubhaft spielt. Aber auch die Eltern, gespielt von Richard Jenkins und Debra Winger, werden überzeugend und trickreich verkörpert. Sind sie anfangs noch herzlos und kalt wandelt sich das ganze komplett ins Gegenteil, ohne das man als Zuschauer zu 100% von deren Sinneswandel überzeugt ist (was sich im grandiosen Finale zeigen wird). Es fällt nicht schwer die beiden in die Rolle der verantwortungslosen Egoisten zu drängen.

 

Während als die einen keine Gefühle kennen und rein pragmatisch denken lernt die Tochter langsam solche zuzulassen und vorallem zu fühlen.

So verwundert es kaum das July's Film einfach nur herrlich unberechenbar und unvorhersehbar bis zur letzten Sekunde bleibt, da ein Twist auf den nächsten folgt und immer wieder mit Pointen gearbeitet wird. Die allerbeste gibt es aber erst im (wie soll es auch anders sein) überraschenden aber sensationellen Finale zu sehen, welches aber hier nicht verraten wird.

Wie alles andere auch absurd und crazy erscheint so kann man auch die Filmmusik bezeichnen. Diese besteht aus einem Mix von unterschiedlichsten Genres, die aber fast perfekt zu den Bildern und Szenen passen. Schon im Trailer kann man erahnen was man im fertigen Film zu hören bekommt. Wer also wissen will was ich meine der sollte sich diesen mal schnell reinziehen. Dort wird auch ein weiteres prägnantes Merkmal ersichtlich: der Look

Hier arbeit man viel mit orange-beige-farbigen Bildern, die weder eine düstere noch übermäßig witzige Atmosphäre erzeugen. Und dennoch wirkt das alles trotz der vielen Konflikte lebensfroh und soll vorallem Mut für ein eigenständiges Leben machen.

 

Mit dem Stil von Miranda July kommt man vielleicht nicht sofort klar, weil vieles augenscheinlich keinen Sinn ergibt oder einfach nur zu verrückt klingen mag um wahr zu sein, aber wenn man sich darauf einlässt und auf die Wirkung vertraut wird man schnell begeistert und berührt zugleich sein. Die feine Gradwanderung beherrscht die Regisseurin sehr gut, wodurch ein Vergleich mit Wes Anderson durchaus gerechtfertigt erscheint. Und obwohl es zu den Figuren keine große Vorgeschichte gibt und alle praktisch so in die Handlung geworfen werden, kann man zu allen eine eindeutige Meinung haben, die entweder positiv oder negativ gelagert ist. Und selbst zu dem sterbenden Mann, dessen Wunsch es ist das die "Einbrecher" seine Familie imitieren, kann man ebenso eine Bindung aufbauen, wie zu der unachtsamen Renternin, die man als erstes "ausraubt" mit dem neuen Mitglied Melanie.

Es würde noch so viel zu erzählen geben, aber nicht spoilerfrei. Nur eines möchte ich noch los werden. Schaut ihn euch unbedingt an. Ihr werdet überrascht sein wie euch eine solch absurde Geschichte am Ende berühren kann.

 

Fazit: Eine sehenswerte, skurrile und verrückte Tragikomödie mit herrlich unvorhersehbaren Handlungsverlauf, der aber dadurch auch so realistisch wirkt. Besonders Evan Rachel Wood kann in Ihrer Rolle brillieren.

 

Bewertung:

Genre: 8 von 10 Punkten

Gesamt: 8.5 von 10 Punkten

 

Mein Liebhaber, der Esel & Ich (Komödie/Romanze)

 

Erneut hat es eine französische Komödie in die deutschen Kinos geschafft, die mit einer ordentlichen Portion tragischer Romanze daher kommt.

 

Die Lehrerin Antoinette (Laure Calamy) kann es kaum erwarten, mit ihrem heimlichen Liebhaber Vladimir (Benjamin Lavernhe) – dem Vater einer ihrer Schülerinnen – in den Sommerurlaub zu fahren. Der hat allerdings doch keine Zeit für die traute Zweisamkeit, weil seine Frau schon einen Trekkingurlaub geplant hat – mitsamt Tochter und einem Esel, der das Gepäck tragen soll. Das will Antoinette nicht so einfach auf sich sitzen lassen. Sie beschließt, der Familie zu folgen. Doch das ist einfacher gesagt als getan, denn ihr Miet-Esel Patrick denkt gar nicht daran, nach ihrer Pfeife zu tanzen.

 

In Frankreich konnte "Mein Liebhaber, der Esel & Ich" bereits knapp 700T Besucher in die Kinos locken und damit ein solides Ergebnis einfahren. Nun hat es die romantische Komödie mit Laure Calamy in der Hauptrolle auch nach Deutschland geschafft.

Und es bewahrheitet sich wieder das französische Filme aus diesem Genre eine gewisse Leichtigkeit, Heiterkeit und Lockerheit haben, die den meisten deutschen Filmen aus diesem Genre leider reihenweise fehlen. Obwohl die Handlung einen gewissen Anteil an dramatischen Elementen besitzt hat man nie das Gefühl, dass dies der ansonsten positiven Grundstimmung auch nur irgendwie schaden könnte. Wenn es zu Konflikten wie etwa einem Gespräch zwischen Antoinette und Eleonore während der Wanderung kommt, bei der die betrogene Ehefrau die Ihr bereits bekannte Affäre von Vladimir mit der Lehrerin anspricht, kommt dann werden diese erst gar nicht bis zum Anschlag hochdramatisiert sondern zumeist weggelächelt oder mit einem Missgeschick aus der Welt geschafft.

 

Wie im Genre üblich muss man kein besonders großer Prophet sein um den groben Ablauf der Handlung recht schnell erkennen zu können. Warum sollte man auch meinen das das bekannte und vielfach erprobte Schema geändert wird?

Trotz seiner Vorhersehbarkeit gelingt es dem Film von Caroline Vignal trotzdem recht gut den Zuschauer bei der Stange zu halten. Neben einigen witzigen Szenen sind es aber vorallem die wirklich tollen Momente bei denen Antoinette mit Patrick durch die Bergwelt wandert und sich mit dem Esel unterhält. Dabei erzählt Sie ihm Ihre ganze Lebensgeschichte (inkl. aller Liebschaften) und schwärmt in höchsten Tönen von Vladimir, mit all seinen geistigen und körperlichen Vorzügen. Natürlich kann Sie sein bestes Stück da nicht außen vor lassen. Das ist ist diesem Fall aber weder zu anzüglich noch zu ernst gemeint.  Und der anfangs recht sturre Esel scheint Gefallen an den Geschichten zu finden und die anfänglichen Schwierigkeiten (er sieht es gar nicht ein die Befehle der Lehrerin zu befolgen) verblassen immer mehr.

Es entsteht nach und nach eine intensive Verbindung zwischen Mensch und Tier, die man sonst in dieser Art wohl nur sehr selten findet.

 

Wie sich dann herausstellt scheint Patrick so etwas wie ein Gespür für Menschen zu haben, da er stets laut aufschreit wenn ihm eine Figur zu nahe kommt die für sein Frauchen auf Zeit nicht gut ist.

So ist er der heimliche Star in dieser Komödie, die im Grunde nur noch Antoinette als Hauptfigur aufweist. Diese hatte im Leben bisher kein langfristiges Glück in der Liebe und trifft einen falschen Mann nach dem anderen. Immer ist es was anderes was nicht so richtig passen will. Zudem scheint Sie ein gewisses Talent für Tollpatschigkeit zu besitzen und lacht für Ihr Leben gerne, selbst wenn es vllt gerade nichts zu Lachen gibt.

Laure Calamy spielt diese Rolle mit viel Charme, Offenheit und Witz wodurch man sich immer wieder in Sie hineinversetzen und mitfühlen kann. Es macht einfach Spaß Ihr und dem Esel zuzusehen wie daraus eine tolle Freundschaft entsteht, die dafür sorgt das die Wanderroute trotz schmerzenden Knöchels gemeinsam beendet wird.

Die weiteren Figuren, insbesondere Benjamin Lavernhe alias Vladimir und Olivia Cote als Eleonore machen Ihre Sache trotz recht wenig Screentime ganz ordentlich und sorgen mit wenigen Momenten dafür, dass man die Filmfiguren entsprechend einordnen kann.

 

Technisch gesehen bekommt man eine grundsolide Kameraarbeit zu sehen, die stets in kräftige, bunte und warme Farben getaucht ist und das Geschehen während der Sommermonate zeigt. Besonders beeindruckend sind die Naturaufnahmen in den Bergen, Wäldern und Weiden die allesamt viel Ruhe und Gelassenheit versprühen. Die einzelnen Hütten auf dem Wanderweg machen einen fast schon nostalgischen aber sehr glaubhaften Gesamteindruck und sind das krasse Gegenteil zu der hektischen und wilden Welt der Großstadt. Es gibt eigentlich keine Szene in der man die Hauptfigur nicht sieht, egal ob man gerade in der Schule, einer Hütte oder in den Bergen ist. Musikalisch wird die Geschichte von einem durchweg heiteren, harmonischen und sommerlichen Score begleitet, der auch einige countryähnliche Stücke enthält, die Lagerfeuerfeeling aufkommen lassen.

Immer wieder fällt auf das diese wohl nicht die richtige Ausrüstung und Kleidung für den geplanten Trip im Koffer hat. Ist der Strohhut noch akzeptabel, fallen die kurzen Oberteile und vorallem das unpassende Schuhwerk auf, mit dem man eigentlich keine ca. 100 km zurücklegen kann. Sicherlich soll dieser Aspekt die Spontanität der Reisepläne bildlich darstellen und können somit nicht als Negativpunkt gewertet werden.

 

Zu diesen gehören aber einige nicht plausible Momente während der 97 Minuten. So sagt Antoinette immer wieder deutlich das die Tour abgebrochen wird, Sie aber plotzlich und ohne weitere Erläuterung dann doch weiter macht. Auch tauchen ein paar Nebenfiguren auf, die nach einer Szene wieder verschwinden und deren Verbindung zur Hauptfigur nicht vertieft werden. Zuletzt muss man noch feststellen das es sich zwar um einen durchaus netten Film handelt, der auch zu unterhalten weiß, aber meine Erwartungen nicht ganz erfüllen konnte. Es haben einfach ein paar  mehr Lachmomente ebenso gefehlt wie dieser eine ganz spezielle Moment. Und das Finale finde ich auch nicht ganz gelungen. Man erahnt zwar was vermittelt werden soll, aber im Grunde lässt uns der Film dann doch unwissend zurück.

 

Fazit: Tolle, heitere und witzige Produktion aus unserem Nachbarland, die aber dann besonders gut ist wenn Antoinette mit dem sturren Esel Patrick gemeinsame Screentime hat.

 

Bewertung:

Genre: 7 von 10 Punkten

Gesamt: 6.5 von 10 Punkten

 

Der geheime Garten (Fantasy/Familie/Drama)

 

Neueste Adaption des 1911 erschienen Romans von Frances Hodgson Burnett, der sich "Harry Potter"-Produzenten David Heyman angenommen hat.

 

Die 10-jährige Mary Lennox (Dixie Egerickx) ist ein wildes Mädchen, das in Indien lebt und von ihrem Vater und ihrer Mutter nicht viel Aufmerksamkeit bekommt. Als ihre Eltern sterben, wird sie zu ihrem Onkel Lord Archibald Craven (Colin Firth) nach England geschickt, wo sie mit ihm auf einem abgelegenen Landgut tief in den Yorkshire-Mooren leben soll. Nachdem sie ihren kranken Cousin Colin (Edan Hayhurst) getroffen hat, der in einem Flügel des Hauses eingesperrt lebt, entdeckt sie noch weitere gut gehütete Familiengeheimnisse. Doch das größte Geheimnis lüften die beiden Kinder mit der Entdeckung eines wundersamen, geheimen Gartens, der versteckt auf dem Gelände der Misselthwaite Manor einen Dornröschenschlaf hielt. Dieses magische Fleckchen Erde wird für Mary und Colin zu einem abenteuerlichen Ort, der ihr Leben für immer verändern und ihre Seelen heilen wird.

 

Für viele Literatur-Kritiker gilt "Der geheime Garten" als das stärkste Werk der britischen Autorin Frances H. Burnett, und nicht die vielleicht viel bekanntere Geschichte "Der kleine Lord". Besonders zweitere gilt ja für viele als einer der Weihnachtsfilme schlecht hin. Der geheime Garten wurde dennoch im Laufe der Zeit schon etliche male verfilmt, wovon einige Versionen immer wieder mal im TV zu sehen sind.

Die Geschichte über den verborgenen Garten, der besondere Kräfte zu besitzen scheint, bekommt nun also eine weitere Adaption und hat als Produzenten keinen geringeren als David Heyman hinter sich, der mit "Harry Potter" und "Paddington" bereits ausdrucksstarke Filme produziert hat. Anders als im Buch spielt die Handlung etwa 40 Jahre später und somit in der Zeit nach dem zweiten Weltkrieg, was weder negativ noch positiv auffällt.

So verwundert es auch nicht, das "Der geheime Garten" seine größte Stärke im visuellen Bereich hat, der den Zuschauer in eine ganz besondere Traumwelt entführt. Davon ist man zu Beginn noch etwas entfernt, da sich Regisseur Marc Munden sehr lange Zeit lässt um uns den wundervollen Ort der Glückseligkeit zu enthüllen.

 

Zwar sieht man Mary anfangs im warmen und in kräftigen farben getauchte Indien (das im Laufe der Handlung immer wieder mit Rückblicken eingeblendet wird), was sich aber recht schnell ändert. Nun begleitet man das Mädchen durch das dunkle, schwarze, kühle und durchweg leblos wirkende große Anwesen in England wandeln, bei dem der Wind durch die Gänge weht und die Wände mit eigentlich schönen Wandmalereien verziert sind. Dabei wirkt die Protagonistin komplett fehl am Platz, auch wegen Ihrer anfangs hochnäsigen und herablassenden Art. Auch das Umland macht einen wenig einladenden und besonders das Moor auch einen mystisch-unheimlichen Eindruck (hier nutzt Munden mit ausgiebigen Nebelschwaden ein passendes Stilmittel). Der erst kürzlich beendete Krieg ist in vielerlei Hinsicht noch präsent.

Als kompletten Kontrast hierzu gilt der geheime Garten den Mary zufällig entdeckt. Dort scheinen die Pflanzen ein bewegtes Eigenleben zu führen und sich den Gefühlen der Menschen farblich anpassen. Auch bei Wind ändert sich die Optik von zahlreichen Blättern und Ästen. Dabei vereint der magische Ort mehrere Vegetationszonen (Mitteleuropa bishin zu tropisch) und führt den Zuschauer eine bildstarke Traumfantasie vor, in die man sofort eintauchen möchte. Die Zauberwelt von "Harry Potter" lässt grüßen und visuell wird man phasenweise in diese Welt entführt. So wechseln sich farbenfrohe, bewusst auch mal überdrehte Bilder mit kalten, dunklen und traurigen Aufnahmen ab. Knallharte, aber durchweg effektive Kontraste.

 

Genau in dieser Welt überzeugen vorallem die Kinderfiguren und füllen die ansonsten eher belanglose und wenig spannende Geschichte mit viel Leben, Freude und Spaß. Selbst wenn die kleine Mary (Dixie Egerickx verkörpert die Rolle mit viel Charme, Leidenschaft und kindlicher Spielfreude) anfangs wegen Ihres Auftretens im Anwesen etwas unsympathisch rüberkommt, spührt man Ihren innerlichen Wunsch nach Liebe und Zuneigung. Und gewissermaßen ist Ihr Verhalten auch typisch für so manch verwöhntes Kind, das ohne Geschwister und Freunde aufwächst. Mit zunehmender Laufzeit taut Mary aber auf, beginnt Lebensfreude zu versprühen und steckt auch alle anderen damit an.

Der Rumtreiber Dicon (sehr sympathisch gespielt von Amir Wilson) hat ebenso wie Mary und der gelähmte Colin (Edan Hayhurst verleiht seiner Filmfigur eine anfangs bemittleidenswerte später aber sympathische Art) eine tragische Vorgeschichte und muss den Verlust eines Elternteils verkraften. Genau das verbindet die 3 Kinder miteinander, wird aber leider viel zu oberflächlich abgetan und nicht weiter vertieft. Gerade solche Schicksale bieten viel Stoff um der Geschichte Profil zu verleihen. So obliegt es am Ende Mary die ganzen Zusammenhänge zu verstehen um die richtigen Schlüsse daraus zu ziehen.

Ebenfalls enttäuschend ist viel zu unausgeprägte Figur des Anwesenbesitzers Craven, der als verbittert gilt und plötzlich eine unerklärliche Wandlung durchzieht als Mary Ihn aus dem brennenden Haus zehrt. Hinzu kommt die erschreckend magere Spielzeit mit der Colin Firth auskommen muss und somit eigentlich keine Chance hat seiner Figur Charakter und Ausstrahlung zu verleihen.

 

So bleiben vorallem die grandiosen Bilder von Lol Crawly im Gedächtnis, welcher der angestaubten Romangeschichte neues Leben einhaucht und die sensationell ausgestatteten Schauplätze perfekt auf die Leinwand bringt. Hier sei noch erwähnt das man besonders auf die vielen kleinen Details achten sollte, die von einzelnen Blumen bis hin zu eindrucksvollen Wandmalereien reichen, die eines zeigen: Das Anwesen hatte vor nicht allzu langer Zeit die gleiche positive und überwältigende Ausstrahlung wie der wunderschöne Garten. Zudem kann man das wiederkehrende Vögelchen als eine Art Medium deuten (Vllt die verstorbene Grace). Neben der wunderbaren Kameraarbeit überzeugen auch alle Effekte (die den Zuschauer teilweise zum Staunen bringen) und  der exzellente Schnitt sowie das Colorgrading.

 

Bei der durchweg stimmungsvoll wirken Filmmusik von Komponist Dario Marianelli hätte es hier und da etwas weniger auch getan. Zwar sorgen die Melodien für das perfekte Fantasyfeeling und bei den emotionalen/dramatischen Szenen stets für Anspannung, sind dafür aber manchmal zu dominant und nehmen den Bildern etwas von Ihrer Faszination. Atmosphärisch kann man da wirklich wenig aussetzen, dafür aber an der Umsetzung und Lautstärke (Sounddesign)

 

Fazit: Moderne Adaption eines Roman-Klassikers, die mit tollen Effekten, und einer wahnsinnig schönen visuellen Welt überzeugen kann, sowie sympathischen Kinderfiguren. Die eher übersichtliche Erzählweise ist dagegen enttäuschend.

 

Bewertung:

Genre: 7 von 10 Punkten

Gesamt: 7.5 von 10 Punkten

 

 

Greenland (Katastrophenfilm/Thriller/Drama)

 

 

Bei Gerald Butler weiß man eigentlich immer was man bekommt wenn er in einem neuen Film zu sehen ist, so auch bei "Greenland".

 

Als ein Kometenhagel auf den Planeten zurast, geht es für die Menschen auf der Erde ums blanke Überleben. John Garrity (Gerard Butler) will gemeinsam mit seiner Frau Allison (Morena Baccarin) alles in seiner Macht stehende tun, um auch ihren Sohn Nathan (Roger Dale Floyd) in Sicherheit zu bringen. Die Familie gehört zu den wenigen, die für den Lufttransport zu einem streng geheimen sicheren Hafen ausgewählt wurden. Als die Familie sich gerade in Sicherheit wähnt, wird sie wenige Minuten vor dem Start auseinandergerissen. John sucht verzweifelt nach Allison und Nathan. Doch parallel muss Allison auf eigene Faust nach ihrem Sohn suchen, der entführt wurde und dringend medizinische Hilfe benötigt ...

 

Was haben so ziemlich alle Filme gemeinsam bei denen ein Komet oder Astereoid auf die Erde zurast? Bei allen geht es hauptsächlich um gigantische Explosionen und um genau diesen einen bestimmten Helden, der die Welt vor der Zerstörung retten wird. Für seinen neuen Film richtet "Angel Has Fallen"-Regisseur Ric Roman Waugh seinen Blick auf eine etwas andere Handlung, wie wohlgemerkt erstaunlich gelungen ist. Zwar verzichtet Waugh keinesfalls auf einen Titelhelden, der unter dem Einsatz seines Lebens eine schier unmögliche Aufgabe bewältigen muss, doch anstatt diesen auf eine Selbstmordmission zu entsenden um den Planeten Erde zu retten möchte John einfach nur seine Frau und den gemeinsamen Sohn in Sicherheit bringen. So ganz ohne gewaltige Einschläge und um den Erdball rollende Schockwellen kommt "Greenland" natürlich nicht aus, schließlich bleibt es im Kern eben doch ein Katastrophenfilm, der in einem Katastrophenjahr 2020 durchaus auch aufzeigt, das es noch größere und weitaus weitreichendere Probleme geben könnte wie Corona.

Es verwundert somit auch kaum, das Waugh's Werk gerade dann am stärksten ist, wenn er auf Emotionen sowie zahlreiche spannende und dramatische Momente setzt. Denn John und Allison sind eigentlich getrennt und finden durch den unausweichlich kommenden Kometen wieder zueinander und nehmen für die Zukunft Nathan's alles in Kauf.

 

Und so ist man ohne große Umwege recht zügig mitten im Geschehen, das während der gesamten Laufzeit ein schnelles, aber angenehmes Tempo aufweist ohne große Umwege.

Die Ehekrise wird nicht näher erläutert, sprechen die Bilder doch eine deutliche Sprache. John ist ein erfolgreicher Architekt in Atlanta und hatte eine Kurzzeitaffäre mit einer Unbekannten als es in der Ehe gekriselt hat. Über Allison erfährt man kaum etwas und Nathan's Schicksal besteht darin das er Diabetiker ist. Mehr Hintergrundinfos sowie Charaktereigenschaft braucht man auch gar nicht um relativ schnell eine Bindung zu den Figuren aufzubauen. Und das alle Filmfiguren praktisch wie du und ich sind und es somit jeder sein könnte macht dies noch einfacher (kein höherer Militärangehöriger, keine gesellschaftlich höher gestellte Personen, usw.). John, Allison und Nathan sind praktisch eine Familie aus der Mitte, die zufällig? ausgewählt wurden um den Einschlag in einem sicheren Bunker in Grönland zu überleben. Dass der Weg zum Stützpunkt mit zahreichen Hindernissen gepflastert ist ist schnell ersichtlich und wird in kleinen Nebenhandlungssträngen ausgearbeitet. Es kommt dadurch keinesfalls Langeweile auf und auch die vorkommenden (aber kurzen) Leerlaufmomente fallen so kaum ins Gewicht. Butler und Baccarin machen Ihre Sache in bekannter Weise gut; besonders bei Action-Allzweckwaffe Gerald Butler weiß man eben was man erwarten darf und dann auch geliefert bekommt: grundsolides Schauspiel mit ernster Miene und einer tollen Präsenz. Aber auch seine Filmpartnerin Morena Baccarin weiß zu begeistern, vorallem in den emotionalen Szenen.

 

Diese wirken zu keiner Zeit übertrieben oder künstlich gepushed, im Gegensatz zu einigen sehr zufällig passierenden Geschehnissen: Beispielsweise verlieren sich John und Allison auf der Militärbasis um nach einer Odysse fast zeitgleich beim Haus Ihres Vaters anzukommen. Zudem bekommen beide immer dann Hilfe wenn Sie diese am nötigsten benötigen. Diese gezeigte Hilfsbereitschaft ist sicherlich immer und überall wünschenswert, aber im realen Leben leider noch zu oft eine Utopie. Aber schön zu sehen das Waugh dieser wichtigen menschlichen Charaktereigenschaft so viel Aufmerksamkeit zukommen lässt, die in der ansonsten chaotischen und anarchischen Welt deutlich heraussticht. Wir alle wissen ja bzw können und denken wie sich ein Großteil der  Menschen verhalten wird wenn das System zusammenbricht und es keine Kontrolle mehr gibt. Diesen Aspekt stellt der Filmemacher ebenfalls sehr ausdrucksstark dar.

Wo wir gerade beim Thema Bilder sind: die Kameraarbeit von Dana Gonzales zeigt einen sehr gelungenen Weltuntergang mit zahlreichen Einschlägen, brennenden Städten und durch die Gegend fliegenden Filmfiguren. Nicht immer gelingt es dabei aber das Aufnahmegerät ruhig und fokussiert zu halten. Gerade in den hektischen Momenten wackeln die Bilder doch recht arg und können das Szenario nur bedingt einfangen, was ich schade finde. Hier und da etwas unruhige Bilder gehören definitiv zu diesem Filmgerne dazu, aber eben dosiert. Das machen vergleiche Produktionen wie "Armageddon" oder "2012" besser, die aber auch deutlich mehr Budget zur Verfügung hatten.

 

Dieser Punkt führt dann zum eigentlich größten Kritikpunkt (wobei dieser hier nicht ganz so sehr ins Gewicht fällt), und zwar den CGI-Effekten. Hier sieht man "Greenland" sein für das Genre sehr überschaubares Budget (35 Mio US-Dollar) deutlich an. Viele Kometeneinschläge, Explosionen, Feuer oder Aufnahmen des "brennenden" Himmels haben Zweite-Liga-Charakter. Darüber kann man aber zumeist hinwegsehen, da diese erstens verhältnismäßig wenig vorkommen und zweitens die Geschichte von John, Allison und Nathan mit Ihrer verzweifelten Reise (mit allen Rückschlägen) zum rettenden Bunker klar im Vordergrund steht.

Gesamtbetrachtet ist der Look aber erstaunlich gut und Waugh liefert uns tolles und vorallem unterhaltsames Popcornkino, das in Zeiten von mangelnden Blockbustern definitiv einen Kinobesuch wert ist. Und wie bereits erwähnt, Butler liefert eben wieder ab. Fans von seiner "Has Fallen"-Reihe aber auch Weltuntergangsstreifen kommen voll auf Ihre Kosten. Soundtechnisch bekommt man spannungsgeladene, emotionale und auch wuchtige Melodien zu hören, die dafür sorgen das man als Zuschauer eine gewisse Anspannung verspührt. Vieles ist dabei für das Genre typisch gehalten, harmoniert aber mit dem Geschehen.

 

Weil es sich eben um eine ganz normale Familie handelt bekommt die Handlung eine in vielen Punkten nachvollziehbare und auch packende Note, mit ein paar kleineren Kritikpunkten. Es ist aber schön zu sehen das es in Hollywood auch mal in eine andere Richtung gehen kann und es ein immer größer, immer bombastischer, immer effektvoller nicht unbedingt braucht um die Menschen im Kinosaal zu unterhalten.

Und gerade in so enthaltsamen Zeiten wie diesen können eher minimalistissche (aufs Budget bezogen) Filme ebenso überzeugen wie eine Highbudget Produktion.

 

Fazit: Trotz eher zweitklassiker CGI-Effekte kann "Greenland" durchaus überzeugen. Eine größtenteils nachvollziehbare, stets spannende und von Butler und Baccarin gutgespielte Geschichte über einen möglichen Weltuntergang. Ein Film der mich positiv überrascht und ziemlich gut gefallen hat.

 

Bewertung:

Genre: 7.5 von 10 Punkten

Gesamt: 8 von 10 Punkten

 

The Mortuary: Jeder Tod hat eine Geschichte (Horror/Fantasy)

 

Das aus einem Kurfilmprojekt Mithilfe von Crownfounding, viel Leidenschaft und 5 Jahre Entstehungszeit ein Kinofilm werden kann beweist Regisseur Ryan Spindell mit seinem Langfilmdebüt.


Früher oder später landet jeder Bewohner von Raven's End mal auf dem Tisch von Montgomery Dark (Clancy Brown). Der Leichenbestatter kennt die Toten besser als jeder Andere. Und die Angehörigen müssen sich keine Sorgen um ihre Verstorbenen machen, bei Montgomery sind sie in besten Händen. Egal, ob es um die Grabrede, die letzte Salbung oder die Verbrennung im hauseigenen Krematorium geht. Die Prozesse rund ums Sterben schüchtern Sam (Caitlin Fisher) nicht ein – ganz im Gegenteil, das Morbide zieht sie förmlich in den Bann. Das junge Mädchen bewirbt sich bei Montgomery, als er eine Stelle ausgeschrieben hat. Während er ihr einige der seltsamsten Geschichten, die er in seiner langen Karriere erlebt hat, erzählt, stellt sie jedoch fest, dass es nicht umsonst „Ruhe in Frieden“ heißt ...

 

Bereits 2014 fing Regisseur Ryan Spindell an Geld für ein Kurzfilmprojekt zu sammeln. Mit den angepeilten Ziel 50.000 Dollar versprach er eine Produktion auf dem Niveau eines Hollywoodstudios. Herausgekommen ist der 2015 auf zahlreichen Festivals abgefeierte Kurzfilm "The Babysitter Murders", welcher nun auch 1 zu 1 in "The Mortuary" übernommen worden ist. Zusammen mit 3 weiteren Geschichten bekommt man also 4 scheinbar unabhängige Handlungen die aber alle in der Haupthandlung irgendwie doch zusammen fließen werden. Dabei überzeugen die ersten Episoden mit toller, detailierter und raffinierter Ausstattung während sich die Intensität und Spannung von Geschichte zu Geschichte spürbar steigern. Wirklich alles übersteigt die Erwartungen an eine Produktion aus reiner Leidenschaft um ein vielfaches. Egal ob Cast, Setting, Kostüme, Make-up,Soundesign oder Effekte, man kann fast kaum etwas aussetzen und ist einfach nur fasziniert vom Geschehen.

 

Das durchweg clevere Skript erlaubt es dem Film auch mal eine Pause im Spannungsbogen einzulegen, was aber keinesfalls für Langeweile sorgt, kann man sich an den wunderbaren Ausstattungen bzw. Effekten erfreuen, denen man zu keiner Zeit das kleine Budget ansieht. So beweist Spindell vorallem eines: es kommt auf Leidenschaft, Kreativität und Ideenreichtum an um einen grandiosen Film drehen zu können und weniger auf ein millionenschweres Budget. Hinzu kommen hier auch noch spielfreudige Darsteller, denen man ansieht das alle Bock auf das Projekt hatten. Besonders die beiden Hauptfiguren harmonieren perfekt miteinander und werden von Clancy Brown und Caitlin Custer auch extrem glaubhaft und sehenswert verkörpert. Auf der einen Seite der mysteriöse und skurrile Bestatter, der gerne mal als Freak bezeichnet wird und ein Geheimnis zu hüten scheint. Ihm gegenüber steht eine neugierige und wortgewante junge Frau, die besonders die ersten beiden Geschichten knallhart analysiert und nach noch schaurigeren und brutaleren Erzählungen fragt.

 

Beginnt der mit blasser Haut und in einem auffälligen schwarzen Anzug gekleidete Montomery mit einer kurzen Geschichte über eine Taschendiebin die eines Abends auf der Toilette von einem Tentakelmonster hinter dem Spiegel angegriffen und in eine Art Höhle gezogen wird, ist dies ein ansehnlicher Appetithappen im Stil von H-P. Lovecraft. So ähnlich sieht es Sam auch und fordert als nächstes etwas Besseres.

 

Also bekommt Sie die Geschichte ("Unprotected") des Studenten Jake zu hören, der für seinen One-Night-Stand mit Sandra ziemlich skurril bestraft wird da er während des Sex heimlich  das Kondom abzieht. Dieses ekelige und unverantwortliche Verhalten, das dem widerspricht was er vor der Uni predigt, wird er schmerzhaft und blutig bereuen inkl. einem wunderbar fiesen und bösen Abschlussbildes.

 

Die dritte Geschichte ("Till Death") des Bestatters handelt von Ralph und seiner schwerkranken Frau, deren Pflege und die damit verbundenen Kosten sehr an Ihm nagen. Da bekommt er vom Arzt einen Tipp über Schmerzpillen, die friedlich zum Tod führen und später nicht nachweisbar sind. Der gezeigte Doktor kommt übrigens noch in den anderen Episoden vor. Als Ralph sich entschieden hat kommt es dann doch anders und die Story endet mit einer fabelhaften und langen Fahrstuhlfahrt die geprägt ist von Schwerelosigkeit und eine tragisch-schöne sowie berührend-schaurige Note hat. Gothic-Horror vom allerfeinsten das selbst der Meister in diesem Bereich, Guillermo del Toro nicht besser inszenieren könnte.

 

Den Abschluss bildet der bereits erwähnte Kurzfilm "The Babysitter Murders", der den Tod des kleinen Jungen erzählen soll, dessen Bestattungsfeier man zu Beginn der Handlung sieht. Und dieses ist es Sam die als Erzählerin fungiert. Da ab hier nun der unerwartete und grandiose finale Twist eingeläutet wird und ich diesen keinesfalls spoilern will (dieses Erlebnis muss man wirklich im Kino erleben) sei nur soviel gesagt: Es geht darum wie ein Verrückter aus einer Anstallt ausbricht und den Babysitter des Jungen tötet. Den der Mörder hat es aus seltsamen Gründen genau auf jene abgesehen, die sich um kleine Kinder kümmern. Doch man wird am Ende überrascht das sich diese Geschichte nicht so darstellt wie man anfangs meint.

Genau deshalb ist sie auch mein absolutes Highlight und zusammen mit dem cleveren und fabelhaften Finale, das dann noch die Metaebene einführt und in der Schlussszene zeigt das es sich bei dem Film um eine Geschichte aus einer Geschichte einer weiteren Geschichte handelt. Das durchaus offene Ende lässt auf jeden Fall eine oder mehrere Fortsetzungen offen, ähnlich wie der 2019 erschienene "Scary Stories to Tell in the Dark". Im Grunde ist "The Mortuary" die erwachsene Version der "Scary Stories", mit ein paar weiteren Upgrades. Schließlich geht es in beiden Filmen um skurrile Gruselgeschichten aus einem oder mehreren Büchern.

 

Wenn Ich ehrlich bin war die größte Enttäuschung des Films die Tatsache das er zu Ende war und es keine weiteren verrückte, blutige, aber auch witzige Geschichten zu sehen gab. Sicherlich erkennt man an ein paar Stellen das es sich um das Langfilmdebüt des Regisseurs handelt, aber dafür ist es wirklich sehr gelungen. Hier könnte in Zukunft wirklich noch viel Gutes kommen und das Genre einen weiteren Mastermind hervorbringen.

 

Fazit: Die Horrorüberraschung des Jahres und ein Beweis dafür, dass man aus ganz wenig sehr viel machen kann wenn man an den richtigen Stellen ansetzt. Fans von "Scary Stories to tell in the Dark" werden diesen skurrilen, blutigen und leidenschaftlichen Film lieben.

 

Bewertung:

Genre: 7.5 von 10 Punkten

Gesamt: 8.5 von 10 Punkten

 

The Beachhouse (Horror)

 

Mit seinem Regiedebüt liefert Jeffrey A. Brown einen Strandhorror, der sich zahlreicher Elemente von Lovecraft bedient.

 

Randalls (Noah Le Gros) Vater hat ein Strandhaus - klar, dass er es sich nicht nehmen lässt, mit seiner Freundin Emily (Liana Liberato) dort ein romantisches Wochenende zu verbringen. Der Ort ist perfekt, schließlich wohnen keine Nachbarn in unmittelbarer Nähe! Aber schon kurz nach ihrer Ankunft befürchten sie, nicht allein im Haus zu sein. Es stellt sich heraus, dass die Turners, ein befreundetes Paar von Randalls Vater, sich schon vor dem jungen Pärchen im Haus einquartiert haben. Doch die Vier machen sich nichts daraus. Sie verstehen sich trotz des Altersunterschieds gut und beschließen, die Zeit einfach gemeinsam im Haus zu verbringen. Es kommt zu einem verhängnisvollen Abend, an dem eine Menge Alkohol fließt. Das Ergebnis gibt es für die Beteiligten am nächsten Tag zu sehen: Das Wasser schmeckt nicht normal, die Turners verhalten sich merkwürdig und was zur Hölle sind das für schleimige Kokons am Strand? Hat es etwas mit dem merkwürdigen Nebel zu tun, der am Abend über das Land zog?

 

Bei Regiedebüts schaut man immer etwas genauer hin da sich hier bereits das Potential eines Regisseurs/einer Regisseurin erkennen lässt. Auch lässt sich ableiten mit welchen Stilelementen der/die Filmemacher(in) arbeitet und wie diese dann im Film schlussendlich verwendet werden. Jeffrey A. Brown, der bei "The Beachhouse" auch das Drehbuch schrieb, liefert einen Strandhorror als Einstieg in die Regiewelt, der vorallem durch seine düstere und packende Atmosphäre überzeugen kann. Sicherlich ist das Thema nichts neues (größtes Negativbeispiel ist hier "Killer Beach" aus 2015), aber Brown schafft es dennoch dem Ganzen eine zuminderst neugedachte Linie zu geben indem er sich zahlreicher Stilmittel aus dem Lovecraft-Universum bedient.

Dies deutet der Regisseur schon recht früh mit einigen deutlich erkennbaren Hinweisen an, wodurch die Spannung leidet; der Handlungsverlauf wird dem Zuschauer praktisch auf dem Silbertalett serviert. Dennoch braucht der Film verhältnismäßig lange (im Grunde die komplette erste Hälfte) um in Fahrt zu kommen. Vieles deutet anfangs auf ein Drama hin, da Randall und Emily augenscheinlich gerade Probleme in Ihrer Beziehung haben. Und dann kommt auch noch das unbekannte und deutlich ältere Ehepaar hinzu. So nimmt sich Brown sehr viel Zeit seinen Filmfiguren charakterliche Eigenschaften und Verhaltensweisen aufzudrücken, die aber entweder sehr klischeehaft oder eher unglaubwürdig erscheinen.

 

Hinzu kommen zahlreiche Dialoge/Gespräche die entweder zu wissenschaftlich oder einfach nur (positiv ausgedrückt) ungeschickt rüberkommen. Hat man bisher durchgehalten beginnt die Handlung dann endlich Ihre Arbeit aufzunehmen. Der aufkommende Nebel, der zudem einen üblen Geruch mit sich führt, macht nicht nur einen angsterregenden Eindruck sondern kündigt auch einige skurrile, ekelige und schleimige Szenen an, die durchaus das Potential haben einen auf den Magen zu schlagen. Alles beginnt mit Halluzinationen im Drogenrausch, die begleitet werden von verrückten Farben, leuchtenden Bäumen und verzehrten Bildern. Gerade jene Bilder überzeugen und zeigen das man das sicherlich kleine Budget größtenteils hierfür aufgewendet hat, wofür ich sehr dankbar bin. Dennoch sieht man dem Film fast durchgehend die geringen Mittel an, neben einer besonders anfangs sehr unruhigen Kameraführung, die hin und her wackelt.

Alle folgenden körperlichen Veränderungen der Figuren gelingen für ein Regiedebüt erstaunlich gut und sorgen für ein paar Gruselmomente. Dabei lässt es Brown anfangs noch offen ob es sich um eine außerirdische Lebensform oder eine aus den Tiefen der Meere nach oben gespühlten unbekannten Spezies handelt. Das ist auch egal, schließlich werden die infizierten Figuren teilweise böse entstellt unf kotzen einen seltsamen weißen Schleim und fühlen sich so, als würde sich etwas in Ihren Körpern "bewegen".

 

Die als ausführlich gedachte Figurenbeschreibungen funktionieren nicht zu 100% und auch die Schauspieler können bei weiten diesen Makel mit entsprechenden Schauspiel ausgleichen. Einzig Hauptdarstellerin Liana Liberato (bekannt aus "Trust") kann Ihrer Figur Emily eine einigermaßen glaubhafte Ausstrahlung verleihen und ist sichtlich bemüht die Mängel der Figurenbeschreibung mit facettenreichen Schauspiel zu überdecken. Sie ist auch die einzige zu der man als Zuschauer eine Bindung aufbauen kann und deren Schicksal nicht egal ist. Zuminderst erging es mir so. Ich wollte bei Emily stets wissen wie Sie mit dem Horror umgehen wird und ob es gelingt dem Grauen zu entkommen.

Und so verzweifelt schreien, weinen und gleichzeitig kämpferisch sein, ohne das es lächerlich oder gekünstelt wirkt, muss man auch erst mal so hinbekommen. Denn das nehme ich Emily größtenteils auch ab.

Zu den weiteren Figuren und Darstellern gibt es nur zu sagen das erstere wie bereits erwähnt wenig kreativ aber klischeehaft geschrieben sind und zweitens sagen wir mal so, solide verkörpert werden. Da hebt sich das junge Mädel mit Ihrem Studium und den weiteren Plänen schon etwas ab, wenngleich man hier vielleicht etwas zu dick aufträgt.

 

Zunehmend bekommt "The Beachhouse" mehr und mehr Sci-Fi-Elemente, die man so ähnlich bereits bei "Die Farbe aus dem All" gesehen hat. Insgesamt scheint sich der Film einiges von dem im März erschienen Sci-Fi-Horror abgeschaut zu haben. Und in jene Szenen (inkl. Licht-Effekte) wurde auch Geld investiert, sehr zur Freude für den Besucher. Das Setting ist ja trotz sandreichen Strand am Meer und Sonnenschein wenig aufregend und detailiert. Und dennoch wirkt der menschenleere Strand, das idyllische Strandhaus und das wunderbar blaue Meer einfach zu perfekt um nicht irgendein düsteres Geheimnis zu haben. Musikalisch bleibt man der skurrilen Story treu und verwendet neben klassischen Horrorscores auch Trommelschläge oder auch schräge Melodien, wodurch die gesamte musikalische Untermalung recht ordentlich abgemmischt worden sind. Eben genauso bunt wie zahlreiche Szenen, gerade zu Beginn der Tortur.

Und dennoch verliert sich die Handlung am Ende etwas in den zahlreichen Schauplätzen und Ideen, die allesamt nicht so perfekt ineinander greifen wie man es sich wünschen würde.

Für ein Regiedebüt sind die Kritikpunkte aber noch im Rahmen und sollten dem Regisseur nicht gnadenlos um die Ohren gehauen werden. Die Kombi aus kosmischen und körperlichen Horror ist eben nicht gerade die leichteste Genremischung und diese Inszenierung macht ja schonmal einige Punkte sehr richtig.

 

Fazit: Grundsolides Regiedebüt mit toller und packender Atmosphäre aber einer Handlung, die am Ende vielleicht zu viel wollte und sich etwas in Ihrer Geschichte verloren hat. Gerade zum Finale hin zeigen sich zahlreiche Elemente ala Lovecraft.

 

Bewertung:

Genre: 6.5 von 10 Punkten

Gesamt: 6 von 10 Punkten

 

Winterreise (Doku/Drama)

 

Basierend auf Martin Goldsmiths Buch „Die unauslöschliche Symphonie. Musik und Liebe im Schatten des Dritten Reiches - eine deutsch-jüdische Geschichte“.

 

Martin Goldsmith weiß nur wenig über die Vergangenheit seiner jüdischen Eltern. Der bekannte Radiomoderator weiß nur, dass sie vor dem Zweiten Weltkrieg in Nazi-Deutschland lebten und von dort flohen, während ihre restliche Verwandtschaft starb. Nun will Goldsmith die Geschichte seiner Eltern rekonstruieren und führt dafür Gespräche mit seinem Vater, die in diesem Doku-Drama nachgestellt sind. In die Rolle des Vaters schlüpft dabei Bruno Ganz. Wie ein Puzzle setzt sich das Leben seiner Eltern vor Goldsmith‘ Augen zusammen, das in bearbeitetem Archivmaterial aber auch für die Zuschauer sichtbar wird...

 

Wer Bruno Ganz nochmal in einer Kinoproduktion auf der Leinwand sehen will sollte/muss sich diese Drama-Doku von Anders Ostergaard ansehen, der für seine dänisch-deutsche Produktion den im Februar 2019 verstorbenen Filmstar ("Der Untergang") noch zu einem letzten Filmauftritt gewinnen konnte. Im Mittelpunkt stehen die zahlreichen Fragen von Martin (den man zu keiner Zeit sieht, da der Film aus seiner Perspektive zu sehen ist) an seinen Vater (gespielt von Ganz) über die wahren Hintergründe seiner Familie.

Nur soviel ist Ihm bekannt: Man stammt aus Oldenburg und musste 1941 vor den Nazis aus Deutschland fliehen, weil sein Vater Jude ist.

Also beginnt er den mittlerweile alten Mann immer wieder in dessen Haus aufzusuchen um ein Kapitel aus dessen Jugendjahren zu erfahren. Warum hat er seine aufstrebende Musikkarriere aufgegeben? Wo hat er seine spätere Frau und die Mutter von Martin und seinem Bruder Peter kennengelernt? Warum und wann mussten beide fliehen? Was ist mit der restlichen Familie passiert?

 

Viele Fragen die im Raum stehen und endlich aufgeklärt werden müssen um das dunkle Kapitel zu erleuchten.

Also beginnt der Vater ausführlich zu erzählen was in den 1930er Jahren alles passiert ist, welche Träume und Wünsche er hatte und wie es dazu kam das er und seine mittlerweile verstorbene Frau nach Amerika geflohen sind und der Rest eben nicht. Als das wirkt sehr glaubwürdig, authentisch und in gewisserweise auch schockierend. Ein Schicksal das unzählige Familien weltweit eint und für eine hautnahe Erzählung sorgt.

Dabei spielt Bruno Ganz nochmal richtig groß auf und kann in der Rolle des Vaters, der diesen Teil seines Lebens am liebsten vergessen würde und diesen auch irgendwo verdrängt hat, mehr als überzeugen und verleiht Ihm nicht nur eine tolle Präsenz sondern auch eine entsprechende Ausstrahlung.

 

Farbige Bilder wechseln sich mit zahlreichen schwarz-weiß Aufnahmen ab, wobei zweitere grundsätzlich Orginalbilder aus der Nazizeit sind. Zudem arbeitet man mit vielen Fotografien, die immer wieder in den Handlungslauf eingebaut werden. Das alles zusammen macht einen tollen Look und gibt der Doku eine sehr glaubhafte und überzeugende Note. Musikalisch gibt es einen ruhigen und begeleitenden Sound zu hören, der größtenteils aber auf das allernötigste beschränkt worden ist. Dadurch wird man als Zuschauer nicht von der Handlung abgelenkt und kann sich auf jene sehr gut einlassen.

 

Fazit: Eine Doku mit Dramaelementen die sich für geschichtsaffine Zuschauer definitiv lohnen wird. Aber auch als neutraler Besucher, der einfach Bruno Ganz nochmal erleben will kann man mit diesem Film viel anfangen.

 

Bewertung:

8.5 von 10 Punkten

 

 

Mrs. Taylor's Singing Club (Tragikomödie/Musik)

 

 

Basierend auf einer wahren Geschichte gibt es diesen Film über den ersten Frauenchor aus Soldatenpartnerinnen im Kino zu sehen.

 

Rein äußerlich könnte die Offiziersgattin Kate Taylor (Kristin Scott Thomas) nichts erschüttern. Egal in welchem Kriegsgebiet ihr Mann Richard gerade sein Leben aufs Spiel setzt, sie überspielt die Sorge um ihn stets mit einem Lächeln. Um den Frauen dabei helfen, auf andere Gedanken zu kommen, hat die Armee auf dem Stützpunkt eine Freizeitgruppe eingerichtet, doch dasitzen und Teetrinken war noch nie nach Kates Geschmack. Stattdessen gründet sie lieber einen Chor mit Lisa (Sharon Horgan) – aber die Leiterin der Gruppe kann mit Ihrem Musiktalent sowie Kate's Stimme nicht viel anfangen. Doch auch Lisa kann dem entwaffnenden Charme der neuen Sängerin und ihrer Wirkung auf den Rest des Chors nichts entgegensetzen und so dauert es nicht lange, bis das ungleiche Frauenduo sich zusammenrauft und gemeinsam den Chor leitet. Schon bald werden sie über die Landesgrenzen Großbritanniens bekannt sein.

 

Das Musik bzw. Singen immer ein schönes und befreidenes Hobby für gestresste oder traurige aber auch angespannte Menschen ist hinlänglich bekannt und wird von zahlreichen Personen so auch praktiziert.

Oftmals tun sich dann einige Gleichgesinnte zu einem Chor zusammen um gemeinsam zu singen. Und warum sollen nicht auch die Frauen von Soldaten in einer Militärbasis zusammen singen während Ihre Männer monatelang im Auslandseinsatz sind? Genau das dachte sich auch eine Soldatengattin und gründete einen solchen Frauenchor.

Auf dieser wahre Geschichte basiert nun der neue Film von "Ganz oder gar nicht" Regisseur Peter Cattaneo, der sich hierfür ein grandioses Schauspielerinnen-Duo geholt hat. Kristin Scott Thomas (als Offiziersgattin Kate) und Sharon Horgan (als Lisa) sind nicht nur extrem charmant und ehrlich sondern auch charismatisch und verkörpern Ihre Rollen sehr facettenreich. Somit tragen beide den Film gemeinsam durch eine größtenteils schematische Handlung, die leider zu oft mit klassischen Genrestilmitteln arbeitet und dabei ein wenig kreatives zu bieten hat.

 

Sicherlich sollte man von einer musikalischen Tragikomödie keine hochspannende und knisternde Story erwarten, aber etwas mehr an frischen Ideen hätte Cattaneo aber trotzdem einbauen können. Immerhin gelingt es Ihm mit seiner Inszenierung neben vielen Schmunzlern auch einige berührende und emotional-traurige Momente zu liefern. Manchmal genügt es eben mit einfachen Mitteln für das gewünschte Ergebnis zu erzielen. Und wie das Finale endet enthüllt der Film auch recht zügig. Auf den Weg dorthin gibt es natürlich noch reichlich witzige und dramatische Szenen, wobei letzteres in der zweiten Filmhälfte deutlich mehr im Fokus steht. Hier baut Regisseur Cattaneo in meinen Augen aber einen Tick zu sehr auf Drama anstatt seiner zuvor guten und leichten Linie treu zu bleiben. Klar das Thema "Verlust" spielt eine zentrale Rolle, aber entweder man macht eine seichte Musikkomödie mit ein wenig Drama oder eben einen ernsten Musik-Film. Natürlich kann man darüber auch diskutieren, da es die Grundthematik hergibt.

 

Dennoch täuscht der Handlungsaufbau nicht darüber hinweg das die Story bzw das Drehbuch keinerlei Konfrontation oder gar Kritik am System inne hat. Bestes Beispiel ist eine Szene als der Frauenchor in der Stadt an einem Anti-Kriegs-Demonstranten vorbei geht und Lisa Im entgegnet "Wir können nicht gegen den Krieg sein, da wir mit Ihm verheiratet sind". Auch hört man von den ganzen Frauen kein einziges kritisches Wort über das Militär und alles wird überlächelt.

Hier hätte ich mir definitv eine andere Message an das Publikum gewünscht, schließlich sind die Filmfiguren alle freie Menschen mit dem Recht auf Meinungsfreiheit. Diese Tatsache hätte dem Feel-Good-Feeling des Films keinen Abbruch getan. Zudem sollte es im Jahr 2020 auch möglich sein in einer Filmproduktion eine Anti-Kriegs-Message unter zu bringen ohne das man dafür nach Guantanamo gesteckt wird. Technisch gibt es an sich nichts auszusetzen, da Kameramann Hubert Taczanowski schöne Bilder liefert. Immer fokussiert, in warme und helle Farben getaucht und ohne große Unruhemomente wird das Geschehen gezeigt. Dabei schwenkt die Kamera immer wieder auf einzelne Gesichter oder zeigt den Chor als Ganzes beim Singen. Dem Zuschauer fällt es Gesamtbetrachtet nicht schwer der Handlung zu folgen, was auch am guten Schnitt liegt. Trotz des Hintergrunds mit Soldaten und Krieg gibt es keinerlei blutige oder Szenen mit Kampfhandlungen zu sehen (wenn überhaupt wird nur im TV über berichtet). Man kann sogar sagen das das Leben in der Militärbasis hier und da ziemlich komödiantisch und deutlich übertrieben scherzhaft gezeigt wird (Als sich der Leiter bsp einen Gehörschutz aufsetzt oder sich  beim Karaoke ziemlich peinlich benimmt.

 

Wie bereits erwähnt überzeugen die beiden Hauptdarstellerinnen auf ganzer Linie und verleihen Ihren Figuren nicht nur zahlreiche Facetten sondern auch ein glaubwürdiges Auftreten. Den so richtig scheinen Kate und Lisa nicht zusammen zu passen, da beide jeweils andere Vorstellungen des Chors aber auch Beweggründe haben. Kate will den Verlust Ihres Sohnes (starb im Kriegseinsatz) damit verarbeiten, und dass ziemlich professionell und mit entsprechender Planung. Lisa stattdessen möchte dem schwierigen Verhältnis zu Ihrer Tochter etwas entgehen und sieht in dem Frauenchor eher eine nette Freizeitbeschäftigung ohne Zwänge. Da sind kleinere Konflikte auf jeden Fall vorprogrammiert, was bei den anderen Mitgliedern immer wieder für Verwirrung und Diskussionen sorgt. Dabei muss man sagen das die zahlreichen Nebenfiguren alle einen soliden und bisweilen auch charamten Job machen und mit Lisa/Kate toll harmonieren. Die Angst um Ihre Männer vereint alle miteinander und jede geht damit auch anders um. Am Ende wird aus einem Haufen von Einzelkämpferinnen eine homogene Gruppe. Weiter oben schon gesagt, alles recht schemenhaft aber dennoch ganz gut gespielt.

 

In meinen Augen gibt es 3 Szenen die mich besonders berührt haben und neben der Musik zu meinen Highlights zählen. Da wäre zum einen ein Moment als der Chor in einem Tunnel Schutz vor dem Regen sucht und dort beginnt zu singen, oder der Moment als Sarah (toll gespielt von Amy James-Kelly) vom Tod Ihres Mannes erfährt (beide kennen sich schon seit der Schulzeit und sind erst frisch verheiratet) und zuletzt die Trauerfeier bei der die Frauen "Ave Maria" in der Kirche zu Ehren des Gefallenen zum Besten geben.

Hier sind wir dann auch bei einem weiteren Punkt mit dem mich "Mrs. Taylor's Singing Club" (Der Filmtitel trifft nicht zu 100% zu in meinen Augen) voll begeistern konnte: der Musik

Bei den Choreinlagen, insbesondere bei "Time After Time", hatte ich regelmäßig Gänsehqut und ein nicht zu beschreibendes Glücksgefühl. Über die Auswahl der Musiktitel lässt sich auch hier streiten, hätte man doch auch tiefgründigere oder aussagekräftigere Songs verwenden können, aber so wie die Lieder gesungen worden sind haben sie mich voll gepackt.

 

Fazit: Musikalische Tragikomödie, welche den Zuschauer regelmäßig ein Lächeln ins Gesicht zaubert, aber auch emotionale Momente zu bieten hat bei denen Tränen´fließen könnten. Die beiden Hauptdarstellerinnen liefern jeweils eine grandiose Performence ab und lassen die ansonsten recht oberflächliche und ohne Ecken und tieferen Aussagen behaftete Geschichte immer wieder vergessen.

 

Bewertung:

Genre: 6.5 von 10 Punkten

Gesamt: 7.5 von 10 Punkten

 

 

Eine Frau mit berauschenden Talenten (Krimi/Komödie)

 

 

Fans von kniffligen und raffiniert inszenierten Krimi-Komödien sollten sich die französische Produktion "Eine Frau mit berauschenden Talenten" ansehen.

 

Patience Portefeux (Isabelle Huppert) ist eine französisch-arabische Gerichtsdolmetscherin beim Drogendezernat, die sich auf das Abhören von Telefonaten der Drogenszene spezialisiert hat. Was sich nach einem sicheren Job anhört, wird vom Staat allerdings schlecht bezahlt. Die sonst so selbstbewusste und unabhängige Patience wird vor ein großes Problem gestellt, als sie die Unterbringungskosten für das kostspielige Pflegeheim ihrer Mutter nicht mehr aufbringen kann, woraufhin die Einrichtung damit droht, die alte Dame auszuquartieren. Die Übersetzerin bekommt mit, dass gerade eine Drogenlieferung auf dem Weg nach Paris ist und schafft es, die Beschlagnahmung der Drogen zu sabotieren. Sie macht sich selbst auf die Suche nach dem Stoff und wird fündig. Fortan mischt sie als begnadete Verkäuferin den Pariser Drogenmarkt auf und steigt schnell zur neuen Autorität der Szene auf. Für ihre Kollegen, die Polizei, ist der neue Mitspieler auf dem Markt noch immer ein Phantom - doch der Leiter des Dezernats, Philippe (Hippolyte Girardot), der Patience auch noch vergöttert, hat schon eine Vermutung, wer hinter dem neuen Drogenboss steckt...

 

In Frankreich bereits ein kleiner Hit, über 350.000 Besucher in 3 Wochen, gibt es die Romanverfilmung von "Die Alte" nun auch in Deutschland im Kino zu sehen. Dabei legt Regisseur Jean-Paul Salome weniger den Fokus auf ein klares Statement zur Drogenpolitik in Frankreich sondern vielmehr auf das Element einer leichten Krimi-Komödie mit einer überragenden Isabelle Huppert in der Hauptrolle. Allein schon wegen Ihr muss man sich diesen Film im Kino seines Vertrauens ansehen. Aber natürlich auch wegen der, zugegeben nicht ganz so realitätsnahen, Geschichte die Salome raffiniert und charmant inszeniert.

Charmant auch deshalb, weil die zahlreichen Lacher und die geschickt gezeigten Kontraste niemals nur rein oberflächlich sondern stets auf amüsante Weise gezeigt werden. Besonders dann, wenn Patience als ominöse aber zierliche Madame Hasch mit den körperlich wuchtigen Dealern (die zudem fast wie Clowns wirken) verhandelt und diese mit klaren Befehlen und einer selbstbewussten Art regelmäßig kleinlaut werden lässt. Als wären es kleine Kinder denen man alles mehrfach und mit Nachdruck erklären. Nur eine von vielen Kontrapunkten mit denen man den Zuschauer beglückt.

 

Dass Patience überhaupt zu diesem Schritt (die Drogenlieferung auf eigene Rechnung zu verticken) gezwungen wird offenbart sich erst nach und nach. Schließlich ist die Dolmetscherin nicht von Anfang an scharf darauf in einem Umfeld zu arbeiten, bei dem es mitunter gewaltätig zugehen kann. Mit feinem Gespür für die Figurenbeschreibung gelingt es Salome das Publikum mit zunehmender Laufzeit immer mehr auf die Seite seiner Hauptfigur zu ziehen um so die Sympathiewerte nach oben zu treiben. Man hofft bei den immer heikleren und moralisch fragwürdigen Unternehmungen auf ein gutes Ende für Patience, deren Insiderwissen aber zunehmend aufzufliegen droht. Den die Polizei kommt der unbekannten Dealerin immer näher, auch weil Patience Ihren Boss und Geliebten Philippe unterschätzt und dieser Ihr nicht mehr alles so beiläufig erzählt. Die Chemie zwischen Huppert und Philippe-Darsteller Girardor stimmt einfach in jeder Sekunde wobei die oscarnomminierte Darstellerin Ihrem Gegenüber aber immer die Show stiehlt und eine angenehme Präsenz auf die Leinwand zaubert.

 

Insgesamt macht der Cast einen ordentlichen Job und erfüllt die Handlung mit viel Leben und Freude. Diese spielt übrigens die meiste Zeit in Paris und zeigt den Zuschauer Orte, die man sicherlich nicht in den zahlreichen Touristenführern finden wird. Da ist zum einen das Wohnhaus von Patience, das einer geschäftstüchtigen Chinesin gehört (die nebenbei Geld wäscht und die Kellerräume zu Hochsicherheitszellen ausbauen hat lassen während der Aufzug eine Zeit lang defekt war) und die Frau die einzige nichtasiatische Bewohnerin ist, während man vielfach die Büros des Drogendezernates und damit den Arbeitsplatz der Dolmetscherin sieht. Viele Gespräche der Drogendealer (die stets auf arabisch stattfinden) hört sich Patience auch in Ihrer Wohnung an, die nebenbei bemerkt sehr orginell und typisch für eine Frau Ihres Alters eingerichtet ist. Die Kamera arbeitet hier mit viel Feingefühl und ist stets auf die Handlung fixiert. Immer wieder gibt das auch die Gesichter einiger Figuren durch Nahaufnahmen zu sehen, einfach nur um deren Emotionen greifbar zu machen. Auch beim Schnitt zeigt sich eine gut abgestimmte und zielführende Arbeit, wodurch kein Moment unnötig gekürzt oder zu lange auf den Zuschauer wirkt.

 

Was sicherlich im Vergleich zur Romanvorlage fehlt ist dort deutlich erkennbare Gesellschaftskritik und der ein oder andere größere Knall. Denn genau mit diesem Stilmittel hätte man noch etwas mehr aus der ansonsten sehr guten Handlung herauskitzeln können. Das bsp. der Kampf der französischen Polizei gegen die Dealer noch nicht da ist wo man gerne sein möchte wäre die ein oder andere spöttische oder bitterböse Anekdote sicher wert gewesen. So bleibt das zweite Geheimnis der Hausbesitzerin Madame Fo, diese hat ebenfalls ein Talent dafür wie man Leichen spurlos verschwinden lassen kann, der einzig nennenswerte schwarzhumorige Beitrag in dieser Verfilmung.

Eingehüllt ist diese übringens in einen recht erfrischenden, modernen und facettenreichen Soundtrack, der von Hip Hop bzw. Rap-Einlagen über tanzbare Beats bishin zu klassischer Musik reicht und zudem immer wieder mit emotionalen und spannungsgeladenen Stücken punkten kann.

 

Fazit: Ein charmanter, raffiniert und unterhaltsam inszenierter Krimi mit viel Witz und komödischen Mitteln aus Frankreich, bei dem vorallem Hauptdarstellerin Isabelle Huppert glänzen kann.

 

Bewertung:

Genre: 7.5 von 10 Punkten

Gesamt: 8 von 10 Punkten

 

 

Milla Meets Moses (Coming of Age/Drama)

 

 

Einen etwas anderen Film über eine Krebskranke Figur gibt es mit "Milla Meets Moses" im Kino zu sehen.

 

Als sich die schwerkranke Milla (Eliza Scanlen) in den Drogendealer Moses (Toby Wallace) verliebt, ist das der schlimmste Albtraum ihrer Eltern Henry (Ben Mendelsohn) und Anna (Essie Davis). Doch als ihre Tochter zum ersten Mal in der Liebe eine neue Lebenslust entwickelt, werden die Dinge chaotisch und die traditionellen Sitten werden von Milla gekonnt ignoriert. Sie zeigt bald allen Menschen in ihrer Umgebung – ihren Eltern, Moses, dem sensiblen Musiklehrer, einem angehenden Kindergeiger und einer entwaffnend ehrlichen Nachbarin – wie man so lebt, wenn man nichts mehr zu verlieren hat. Was für Familie Finley anfangs nach einer großen Katastrophe aussieht, führt stattdessen dazu, dass die Eltern lernen, loszulassen und im Chaos des Lebens Ordnung finden.

 

Zuerst einmal sollte man sich nicht verwirren lassen wenn man diese Coming-of-Age Geschichte auch als "Babyteeth" betitelt sieht; es handelt sich um den gleichen Film, der einfach nur unterschiedlich vermarktet wird. Der titelgebende Milchzahn bekommt am im Filmverlauf seinen großen Moment, und zwar an einer entscheidenden Stelle kurz vor dem tragischen Finale. Auf dem Weg dorthin bekommt man als Zuschauer einen erstaunlich anderen Krebsfilm zu sehen als man vielleicht erwartet hat. Das liegt nicht nur an dem nicht alltäglichen Grundaufbau (Die Krankheit ist zwar immer präsent wird aber niemals übermäßig groß in Szene gesetzt und man sieht Milla nicht ständig im Krankenhaus) sondern auch am herausragenden Cast um Eliza Scanlen und Ben Mendelsohn, der mit teilweise herausragenden Leistungen überzeugen kann.

Im Anbetracht der Grundstory sollte man eigentlich meinen das Milla's Kampf gegen den Krebs und die aufkommende Liebesromanze mit Moses im Fokus stehen, doch weit gefehlt. Regisseurin Shannon Murphy hat noch mehr zu bieten, schließlich beleuchtet "Milla Meets Moses" auch das alles andere als perfekte Familienleben und die daraus folgenden charakterlichen Entwicklungen der Eltern.

 

Dabei kommt aber Moses Vorgeschichte deutlich zu kurz, wodurch seine Figur recht eindimensional und durchaus auch klischeehaft bleibt. Er ist der typische Junkie, der von zuhause rausgeflogen ist, keinen Job hat und den ganzen Tag nur rumlungert um abends auf Partys zu gehen. Etwas mehr zu seinen Hintergründen (auch warum er so wurde und was der Auslöser seines Absturzes war) hätte der Handlung sichtlich gut getan. Immerhin verleiht Toby Wallace seinem Moses zahlreiche tolle Facetten sowie einen gewissen Sympathiefaktor, trotz seiner kriminellen Energie. Man nimmt Ihm seine innere Zerissenheit und die aufkommenden Gefühle vollends ab. Ebenfalls sehr überzeugend sind Eliza Scanlen (als einerseits verletzliche und von Ihren Gefühlen überranntes und andererseits rebellisches und pubertierendes Mädchen, die den Eltern auch mal lautstark deren eigene Argumente entgegenwirft und gerne auch mal eine bockische Phase hat) sowie Mendelsohn (bekannt aus diversen Blockbustern), der den erstaunlich ruhigen und kontrollierten Vater Henry verkörpert, der offen mit Rezepten um sich wirft (als Psychater darf er das) damit seine Frau Anna ruhig gestellt wird. Auch Moses bietet er diese begehrten Rezepte an, damit sich der Junge um Milla kümmert. Obwohl er mit der hochschwangerern Nachbarin fremdknutscht und sich Drogen spritzt, wirkt er dennoch als ein toller Vater, der vieles mit Pragmatismus sieht, dadurch aber seine eigene Hilflosigkeit verstecken möchte.

 

Essie Davis als Milla's Mutter Anna kann man als zwiegespaltene Frau betrachten. So ist Sie beim ersten gemeinsamen Abendessen die Person, welche am zugedröhntesten ist. Auf der anderen Seite verachtet Sie Moses wegen dessen regelmäßigen Konsums und Diebstahl eben jener Mittel. Wie Milla auch ist Anna musikalisch talentiert und fördert das Violinenspiel Ihrer Tochter. Die Figuren sind also allesamt vielmehr als reine Karikaturen.

In der unkonventionell erzählten Geschichte, deren Grundlage ja in zahlreichen Filmen bereits auf der großen Kinoleinwand zu sehen war, kommen somit zahlreiche klassische Musikstücke vor, die sich mit popigen, tanzbaren und am Ende auch emotionalen Songs abwechseln. dabei nimmt der Soundtrack aber nur eine begleitende und angenehm dosierte Rolle ein.

 

Prinzipiell könnte "Milla Meets Moses" überall spielen, handelt es sich ja um eine Geschichte die an keine Nationalitäten oder Staaten gebunden ist. Murphy wählt aber eine nicht näher erwähnte australische Vorstadt, die wohl am Meer liegt, als Ort des Geschehens. So sieht man bsp eine typische Mädchenschule (inkl. Uniformen) oder breite Straßen mit Einfamilienhäusern, alles bei strahlendem Sonnenschein und warmer Witterung. Nebenbei ist erkennbar, dass "Mila Meets Moses" um die Weihnachtszeit spielt, die aber in Australien anders als auf der Nordhalbkugel in die Sommermonate fällt. Die Kamera von Andrew Commis ist meistens immer nah an den Figuren und zeigt deren Emotionen in längeren Bildeinstellungen. Bei den emotionalen bzw traurigen Szenen hält man dann aber etwas Abstand und zeigt die jeweiligen Momente mit dem nötigen Respekt. Nicht immer gelingt es dabei perfekt ruhige Bilder auf die Leinwand zu bringen.

Am Ende gelingt es dann trotzdem den Zuschauer zu packen, der sich die ein oder andere Träne angesichts der gezeigten Bilder nicht verkneifen kann.

 

Fazit: Ein berührender Film über ein Mädchen, dass nach Ihrer Krebsdiagnose so richtig beginnt zu Leben und dabei den Eltern aufzeigt wie wichtig es ist loszulassen. Trotz traurigen Hintergrund versprüht diese Coming-of-Age Geschichte die pure Lebensfreude

 

Bewertung:

Genre: 7.5 von 10 Punkten

Gesamt: 7 von 10 Punkten

 

 

Es ist zu deinem Besten (Komödie)

 

 

Die erste größere deutsche Komödie nach der Corona-Pause ist "Es ist zu deinem Besten", der am 08.10.2020 in die Kinos kommt.

 

Arthur (Heiner Lauterbach) ist ein konservativer, wohlhabender Wirtschaftsanwalt, Kalle (Jürgen Vogel) ein zu Wutausbrüchen neigender Bauarbeiter und Yus (Hilmi Sözer) ein harmoniebedürftiger Physiotherapeut. So unterschiedlich die drei Männer auch sein mögen, es eint sie der Missmut über ihre potenziellen Schwiegersöhne: Arthurs Tochter Antonia (Janina Uhse) will den linken Weltverbesserer Alex (Jacob Matschenz) heiraten, Kalles Tochter Luna (Lisa-Marie Koroll) liebt den deutlich älteren Aktfotografen Ernesto (Andreas Pietschmann) und Yus‘ Tochter Sophie (Lara Aylin Winkler) schwänzt die Schule, um mit dem Drogendealer Andi (Junis Marlon) rumzuhängen. Die selbst ernannten „Super-Schwäger“ wollen ohne das Wissen ihrer Frauen und Töchter versuchen, die Schwiegersöhne in spe loszuwerden – komme was wolle...

 

Immer wieder bestätigt sich auf enttäuschende und schockierende Weise wie schwach und unterirdisch der deutsche Mainstreamfilm ist und was dem hiesigen Publikum zugemutet wird. Zumeist als Komödie laufen diese Produktionen immer nach dem gleichen Muster ab, haben die gleichen flachen Lacher und bauen auf die selben 0815 Dramaturgien. Es scheint fast so als gäbe es ein Universaldrehbuch, dass dann bei jeder neuen Produktion leicht abgewandelt und neu besetzt wird.

Ehrlich und knallhart gesagt: Ein Armutszeugnis für den deutschen Film, und das im Jahr 2020, in dem man die einmalige Chance hat sich unabhängiger von Hollywood zu machen und um den hiesigen Publikum eine wirkliche Alternative aufzuzeigen.

Doch "Es ist zu deinem Besten" macht leider (wieder mal) fast alles falsch und ist Wasser auf die Mühlen derjeniger, die dem deutschen Film seine Qualität absprechen. Das dies aber nicht immer zutrifft zeigen ja Produktionen wie "Berlin Alexanderplatz", "Exil", "Systemsprenger", Freies Land" oder der kürzlich erschienene "Pelikanblut" auf eindrucksvolle Weise.

 

Aber wieder zurück zum Film von Marc Rothemund; Dieser ist ja keineswegs total unlustig oder ohne Witze (das diese recht flach und oberflächlich sind klammern wir jetzt mal aus), aber das die Figuren gänzlich ohne einen Funken von Charaktertiefe und mit plumpen und klischeehaften Eigenschaften geschrieben sind ist einfach nur zum Kopfschütteln. Zu keiner Figur kann man eine emotionale Bindung aufbauen, sich gar in diese hineinversetzen. Zudem bleiben zahlreiche Beweggründe offen oder werden erst gar nicht angesprochen. Das man bei der riesigen Anzahl der Figuren nicht jede bis ins Detail beleuchtet erwartet man ja auch nicht, aber etwas mehr Tiefe hätte es dann schon sein dürfen. Warum ist Kalle bsp so schnell auf 180? Was findet seine Tochter an dem deutlich älteren Künstler? Woher kennt Antonia Alex? Und das sind nur einige der Fragen die man sich als Zuschauer stellt.

Einige der Filmfiguren sind derat schlecht geschrieben (vorallem die Mütter), sodass man einfach nur genervt von deren Art ist. Da hilft es auch nicht das sich die Schauspielerinnen alle Mühe geben. Eine Lisa Maria Potthoff wirkt mit Ihrer sonst so charmanten Art (ich sage nur "Eberhofer-Filme) völlig fehl am Platz und es schmerzt Sie in diesem Film so sehen zu müssen.

 

Einzig die Töchter, Jürgen Vogel und allen voran Heiner Lauterbach (der dem Film eine tragende Präsenz verleiht) sind Lichtpunkte was das Schauspiel betrifft, da Rollen gespielt werden, die man von den jeweiligen Schauspielern in ähnlicher Weise bereits kennt. In Anbetracht der unterirdischen Rollenbeschreiben ist das allerdings nichts positives; man erwartet von solchen Filmgrößen eine gewisse Präsenz und Schauspielqualität. Und dennoch muss ich hier positiv erwähnen das die drei Väter toll harmonieren und es meistens auch richtig Spaß macht Ihnen beim Pläneschmieden sowie deren zum Scheitern verurteilten Ausführungen zuzusehen. So muss man am Ende aber doch knallhart sagen das einem die einzelnen Figurenschicksale komplett egal sind. Ob die 3 Mädchen am Ende mit Ihren Männern zusammen sind oder nicht ist genauso egal wie das durchaus kreativere Ende bei dem sie die Männer einfach durchgetauscht hätten. Wobei letzteres sicherlich soetwas wie einen Überraschungsmoment dargestellt hätte, in einer durchweg spannungslosen und daher auch vorhersehbaren Handlung ohne Reibungs- und Aneckpunkten. Alles bleibt oberflächlich um ja keine unnötigen Konflikte zu entflammen.

Alle dramatischen Momente sind absoluter Standart und teilweise einfach nur dumm und beschämend. Mit zahlreichen Lachern unterbricht man das im wahrsten Sinne Trauerspiel und sorgt für seichte Unterhaltung. Hier könnte man natürlich auch noch den kritischen Finger heben und die Inszenierung dieser Szenen als Negativpunkt ansehen, was ich aber an dieser Stelle nicht tue. Der Unterhaltungsfaktor war gegeben und teilweise auch amüsant.

 

Noch ein paar Worte zum technischen Teil. Hier gibts an der soliden Kameraarbeit nicht auszusetzen da man stets nah am Geschehen und den Figuren dran ist und mit einigen interessanten Blickwinkeln (wie etwa das Augenduell von Arthur und Alex das schwer an ein Schießduell in einem  Westernfilm erinnert) für tolle Momente sorgt. Auch was das Setting, die Ausleuchtung und die Ausstattung betrifft gibt es echt nichts zu bemängeln. Die Geschichte spielt in Berlin und zeigt dabei nicht mal die bekannten Adressen sondern nutzt eher unbekannte Nebenstraßen und Stadtteile für die Handlungsorte. Das es zufällig gerade Sommer ist und die Sonne strahlt passt zudem perfekt ins Bild. Mein persönliches Highlight war der Discobesuch der 3 "alten" Herren mit Alex und die damit verbundenen Tanz- und Saufszenen. Hier konnte mich der Film das einzige mal wirklich überraschen.

Der Soundtrack ist sehr stimmungsvoll, modern und überrascht mit zahlreichen Musikgenres. Hier will man "hipp" sein um auch ein jüngeres Publikum anzusprechen, wa durchaus gelingen sollte.

 

 

Fazit: Wieder eine der typisch deutschen Mainstream-Komödien: Viele lustige Szenen (die alle recht flach sind), charakterlose Filmfiguren, extrem vorhersehbar, unlogisch, 0815-Dramaturgie und zunehmend überdrehter. Leider bleibt nichts bis wenig hängen und Heiner Lauterbach sowie Jürgen Vogel sind die einzigen Lichtpunkte.

 

Bewertung:

Genre: 6.5 von 10 Punkten

Gesamt: 4.5 von 10 Punkten

 

 

Peninsula (Action/Horror/Zombiefilm)

 

 

4 Jahre nach dem vorallem in Südkorea megaerfolgreichen "Train zo Busan" kommt endlich die Fortsetzung, bei der das komplette Land unter den Zombies zusammengebrochen ist.

 

Nach den Ereignissen in „Train To Busan“ hat sich das Virus vier Jahre später auf die gesamte Halbinsel Korea ausgebreitet und macht der Bevölkerung weiterhin zu schaffen. Der Soldat Jung-seok (Gang Dong-won) entkam der Zombie-Hölle nur knapp. Mittlerweile führt er ein eher zurückgezogenes Leben in Hongkong. Da erhält er ein seltsames Angebot: Er soll mit einer Gruppe Söldnern auf die unter Quarantäne stehende Halbinsel (engl. „Peninsula“) zurückkehren und dort einen LKW finden und die Ladung sichern – und das Mitten in Seoul, wo es vor Zombies nur wimmelt! Er lässt sich auf das Angebot ein und findet sich kurz darauf an dem Ort wieder, an dem die Apokalypse einst ihren Anfang nahm. Die Mission gestaltet sich leichter als angenommen, schon bald finden sie das Zielobjekt. Aber dann stellt Jung-seok fest, dass sie nicht allein sind. Die geheimnisvolle Milizeinheit 631 stellt gemeinsam mit den Zombies alles auf den Kopf...

 

Mit über 11.6 Mio Besuchern lockte "Train to Busan" im Jahr ca. 20% der südkoreanischen Bevölkerung in die Kinos, was damals als eine Megaüberraschung galt. Dass das Sequel "Peninsula" 4 Jahre später an diesen Erfolg nicht anknüpfen konnte ("nur" 3.8 Mio Besucher) lag einerseits an der Corona-Pandemie aber auch an der Tatsache das die Fortsetzung zu sehr hollywoodlike geworden und von der einzigartigen Inszenierung des Orginals nichts mehr übrig geblieben ist.

Nach einem kurzen Prolog, der während des Ausbruchs einsetzt, setzt die Handlung also 4 Jahre später ein und die ganze koreanische Halbinsel steht unter Quarantäne. Jetzt könnte eine (ähnlich wie beim ersten Film) spannende, blutige und von Zombies überrannte neue Story folgen, was auch die ersten 30 Minuten noch der Fall ist, die aber zunehmend immer mehr zu einem generischen Actionhorror im Stile von "Mad Max" wird. Die Zombies spielen nun fast keine Rolle mehr und dienen nur noch als Mittel zum Zweck um Menschen auf der Flucht aufzuhalten oder um diese mit einem (zugegeben komplett unrealistischen) Drift umzunieten. Den großen Schrecken haben die Untoten damit verloren (ähnlich wie übrigens in der TV-Serie "The Walking Dead", mit der man den Film durchaus vergleichen kann).

 

Zudem nutzen die beiden Kinder das über den Haufen fahren von Zombies als eine Art Spiel wodurch das ganze hart an der Grenze zur Lächerlichkeit tendiert. Es entwickelt sich eine in vielen Teilen vorhersehbare und zunehmend überdimensionierte sowie actionreiche Geschichte, in der die Computereffekte (mit einigen negativen Aussetzern) zusehens die Oberhand gewinnen. Zum Glück baut man auch auf handgemachte Kampfszenen, die in einem asiatischen Film niemals fehlen dürfen. Hier können die Figuren zumeist überzeugen. Wenn wir schon beim Thema "Filmfiguren" sind fallen überraschend deutlich vorhandene Charaktereigenschaften auf, die aber noch tiefer hätten gehen können. Man versteht zwar die Beweggründe von Jung-seok, die beiden Mädchen retten zu wollen, die er ja vor 4 Jahren kommentarlos am Straßenrand hat stehen lassen, doch sind diese nicht immer zu 100% glaubwürdig und plausibel. Auch das die Mutter der beiden das Wiedersehen mit dem Soldaten so klaglos hinnimmt dürfte man zuminderst als fragwürdig bezeichnen. Es ist ja offensichtlich das Jung-seok und die tapfere Frau am Ende überleben wodurch man als Zuschauer den meisten Spaß mit Jooni und ihrer jüngeren Schwester Yu-jin sowie dem kauzigen Großvater hat. An die wirklich starken Charaktere aus "Train to Busan" kommen die neuen leider trotzdem nicht heran.

 

Das man sich in einer apokalyptischen Welt befindet sieht man nicht nur am durchaus überzeugenden Setting (kaputte Gebäude an denen sich Pflanzen hochranken, unzähligen leeren Autos oder einer in grau und dunklen Farben gehüllten Umgebung), sondern auch daran das die Überlebenden kein Interesse mehr an Gold, Schmuck oder Geld haben sondern bei den "Spielen", die an die Gladiatoren im alten Rom erinnern nur das man es anstatt Tieren nun mit Zombies zu tun hat, um so lapidare Dinge wie Konserven und Schokoriegel wetten. Nahrung und Waffen sind in solch einer Welt eben die Währung der Stunde. Natürlich lässt man das kapitalistische nicht außen vor und so soll eine Söldnertruppe mal eben 20 Mio Dollar aus dem eigentlich unzugänglichen Südkorea herausholen (Chef ist übrigens rein zufällig ein weißer alter Mann aus dem Westen) wodurch es dann doch wieder ums liebe Geld geht. Die ganze Welt dreht sich ja schließlich darum...

 

Mangelnde Kreativität hat wohl zu diesem Szenario und der darausfolgenden Geschichte geführt, weil eine persönlichere bzw. humanere (bsp. das man Überlebende retten soll) Sichtweise zu wenig Zündstoff versprochen hätte; zuminderst ist das meine These für diesen bereits mehrfach erwähnten generischen und kurzweiligen ablaufenden Action-Blockbuster aus Südkorea. Immerhin gibt es bei den technischen Sachen (die bereits erwähnten CGI-Effekte mal ausgeklammert) an sich nichts auszusetzen: Die Kamera ist immer recht nah an den Figuren und sorgt in der äußerlich chaotischen Umwelt für eine geordnete und ruhige Sichtweise auf das Geschehen. Selbst bei den zahlreichen Verfolgungsszenen wird man als Zuschauer nicht mit hektischen Bildern zur Überforderung getrieben. Nur bei der Ausleuchtung so manchen Augenblicks gibt es Ungereimtheiten; eine Leuchtfackel in 100 m Höhe würde niemals einen Straßenabschnitt bei tiefster Nacht so auslechten als wäre es Tag und die Sonne scheint. Schnitttechnisch wird eine saubere Arbeit und auch die Filmmusik fügt sich vom Sounddesign gut ein, wenngleich man diese auch etwas dezenter hätte einsetzen können.

Bei der unnötig in die Länge gezogenen und patriotisch inszenierten Schlussszene, wo sich erst der Großvater heldenhaft vor seine Enkelin wirft, will sich erst die Mutter und dann Sung Seok zum Wohle der Gruppe opfern was durchaus als feine Geste betrachtet werden kann, aber natürlich derat übertrieben dargestellt wird. Es zeigt sich hier ein letzter, in meinen Augen komplett überflüssiger, Einsatz eines Hollywood-Blockbusterstilmittels, dass es einfach nicht mehr gebraucht hätte.

 

 

Fazit: Wer nach "Train to Busan" auf eine ebenso kreative und einzigartige Fortsetzung gehofft hat wird leider feststellen, dass man bei "Peninsula" zu sehr Richtung Hollywood schielt und daraus einen generischen Action-Horror gemacht hat.

 

Bewertung:

Genre: 6.5 von 10 Punkten

Gesamt: 6 von 10 Punkten

 

Evil Eye (Thriller/Drama/Horror), nur als VoD

 

Bollywood trifft auf Horror, so oder so ähnlich könnte man diese Produktion von Blumhouse betiteln.

 

Die in New Orleans lebenden Pallavi (Sunita Mani) lernt eines Tages einen ebenso attraktiven wie sympathischen Mann namens Sandeep (Omar Maskati) kennen. Als sie ihrer Mutter Usha (Sarita Choudhury) in Indien davon erzählt, ist diese zunächst überglücklich, dass ihre Tochter einen Mann gefunden hat. Doch je mehr sie über Sandeep erfährt, desto mehr ist sie überzeugt, dass es sich bei ihm um eine Reinkarnation des Mannes handelt, mit dem sie vor 30 Jahren in einer gewalttätigen Beziehung gefangen war – ein Trauma, von dem sie sich nie wirklich erholt hat. Ihre Familie und ihre Freunde versichern ihr zwar, dass ihre Sorgen um Pallavis Wohlergehen unnötig sind, doch sie reist dennoch nach Amerika, um ihre Tochter zu beschützen...

 

Indien ist ja weltweit für die zahlreichen Bollywood-Filme bekannt. Doch nun bekommt man dank Blumhouse eine ganz neue Seite des Subkontinents zu sehen, und zwar eine schaurig-brutale. Zuminderst war das die große Hoffnung nachdem "Evil Eye" als eine Produktion welche in diese Richtung geht angekündigt worden ist. Und was bleibt am Ende des Films davon übrig? Leider recht wenig und ein enttäuschendes Gefühl. Potential war definitiv reichlich vorhanden. Allein schon deshalb, weil man immer wieder mit indischen Traditionen und Bräuchen (wie etwa das Lesen der Horoskope um herauszufinden wie eine Person charakterlich ist) arbeitet, und die indische Kultur viel Platz im Drehbuch einnimmt.

Man sieht tradiotionele Kleidung, Feste und auch die (veralteten) Ansichten von Pallavis Eltern (insbesondere der Mutter) kommen immer wieder zum Vorschein. Selbst der Cast besteht überwiegend aus indischen/bzw indischstämmigen Schauspielern; Doch das alles bringt recht wenig wenn die zu erzählende Geschichte weder spannend noch geheimnisvoll oder gar grusselig daherkommt wie bei "Evil Eye".

 

Meistens wohnt man den mehrmals täglichen Telefonaten des Mutter-Tochter-Gespanns bei, die mitunter immer um das gleiche Thema kreisen: erst Pallavi soll verheiratet (finanziell bestmöglich) werden und als Sie Sandeep kennenlernt geht es nur um Ihn. Da kann man als Zuschauer schnell die Lust am Film verlieren, da ansonsten wenig bis gar nichts aufregendes passiert. Das liegt auch an der recht klischeehaften und eindimensionalen Figurenbeschreibung. Hier die konservativen Eltern, die an den altbekannten Gepflogenheiten festhalten und dort die junge, emanzipierte Tochter, die in den USA lebt und nur den Mann heiraten will, welchen Sie auch liebt. Dabei macht es auch keinen Unterschied ob Pallavi noch einige Zeit Single ist oder nicht. Diese festgefahrenen Positionen sorgen somit immer für Streit und die Tatsache, dass Pallavi Ihrer Mutter nicht glauben will als diese sagt das Sandeep nicht der ist, der er vorgibt. Mütterliche Fürsorge trifft auf eine erschreckende Erkenntnis. Es entwickelt sich also im Grunde genommen ein Mutter-Tochter-Drama, welches sich zwanghaft daran versucht ein Thriller zu sein. Hinzu kommen teils recht belanglose, oberflächliche und einfach auch unkreative Dialoge, die dem Geschehen nur unnötig Zeit nehmen. Dem Cast kann man dabei nichtmal einen Vorwurf machen, versucht doch jeder/jede aus den Rollen das Beste rauszuholen. Und so nimmt man allen auch das ab, was dargestellt wird, wobei besonders Pallavi und Ihre Eltern überzeugen können. Sandeep sieht  man ab dem ersten Moment seine Hinterlistigkeit und seine dunklen Pläne an.

 

Erst gegen Mitte des Films nimmt die Handlung dann etwas an Fahrt auf, wird mit einigen interessanten Szenen "aufgepimpt" und schlägt nun endlich die Thriller-Richtung ein. Die zuvor recht ausgiebigen Telefonate werden kürzer und düsterer. Zudem wechselt das Szenenbild nicht mehr ganz so häufig zwischen New Orleans (und der sehr modern eingerichteten Wohnung) und Indien (die Eltern leben verhältnismäßig nobel und komfortabel), wird zunehmend hektischer und farblich auch dunkler. Es entsteht ein wertiger und edler Look, der auf jeden Fall weit über einer TV-Produktion liegt und mit toller Kameraarbeit ansprechend gefilmt wird. Dabei ist das Bild immer auf die Handlung fokussiert, ohne dabei an den Figuren zu kleben. Es wird auf entsprechend nachvollziehbare Abstände geachtet, wenn nötig aber auch auf Nahaufnahmen gesetzt.

 

Wenig überraschend ist die Tatsache, dass Usha von Anfang an recht hatte und nun mit aller Macht versucht Ihre Tochter zu beschützen und retten. Schließlich scheinen die ganzen Armbänder und Objekte nicht den gewünschten Schutz zu bieten (wieder eine Anspielung auf die indische Kultur).

So langsam sich die Handlung bewegt (man räumt der Figurenbeschreibung viel zu viel Zeit ein) so schnell wird das (ein wenig) blutige Finale durchgezogen. Eingeleitet mit einem Twist 20 Minuten vor Ende beginnt dann der spannendste Teil von "Evil Eye", der wie gesagt im Hauruckverfahren mit einem mehr als vorhersehbaren Plot abgewickelt wird.

 

Noch ein paar Worte zur Filmmusik: Natürlich dürfen Bollywood-Melodien nicht fehlen, die sich aber aber mit typisch indischen sowie geheimnisvollen und mysteriösen abwechseln. Der Soundrack ist einer der wenigen positiven Punkten.

 

Fazit: Viel Potential, wenig daraus gemacht. So kann man "Evil Eye" bezeichnen, der von den bisher erschienenen "Welcome to the Blumhouse" Filmen der schwächste ist. Die Grundsituation hätte viel mehr hergegeben

 

 

Bewertung:

Genre: 5.5 von 10 Punkten

Gesamt: 5 von 10 Punkten

 

Nocturne (Psychothriller/Horror), nur als VoD

 

Von den bisher erschienen 4 Filmen aus der "Welcome to the Blumhouse" Reihe ist "Nocturne", hier beleuchtet man die Abgründe der Seelen von aufstrebenden Musikern, der stärkste.

 

Juliet (Sydney Sweeney) ist eine begabte klassische Pianistin, doch an der renommierten Musikschule, an der sie studiert, steht sie genauso im Schatten ihrer ebenso talentierten, aber ungleich extrovertierteren Schwester Vivian (Madison Iseman) wie in ihrem ganzen bisherigen Leben. Da nimmt sich Moira (Ji Eun Hwang), eine Kommilitonin von Juliet und Vivian, das Leben und Juliet stiehlt Moiras Notizbuch, das voller brillanter Musiktheorien und rätselhafter Symbole ist. Die von Ehrgeiz und Neid zerfressene Juliet studiert das Buch und gerät schon bald immer mehr unter den Einfluss einer unheimlichen Macht, dir ihr zwar zu Erfolg und Anerkennung verhilft, aber auch immer mehr Kontrolle über sie gewinnt...

 

Viele Künstler leiden darunter oder waren schonmal an dem Punkt: Psychische Probleme. Diese Thematik greift nun Jason Blum mit Blumhouse Pictures auf und liefert einen spannenden und düsteren Psycho-Thriller mit Horrorelementen. Ob man den Horrorpart schlussendlich wirklich gebraucht hätte sei mal dahingestellt. Ich persönlich fand es einen tollen und kreativen Zusatz zu der an sich schon packenden Handlung. Alles beginnt mit dem Suizid der begabten Schülerin, die wohl wahnsinnig geworden ist und augenscheinlich unter einem Fluch stand.

Ein kleiner Einspieler, der nun die Richtung vorgeben und einen Ausblick auf den Werdegang von Juliet geben wird.

Die junge Frau steht fortan im Mittelpunkt einer Geschichte, die sich zunehmend verdüstert und mit mysteriösen Szenen einen schönen Gruselfaktor besitzt. Schließlich konkuriert Juliet mit Ihrer Zwillingsschwester Vivian um die nun freigewordene Stelle als Solo-Pianistin beim Abschlussball. Nach und nach entzweiht das Notenbuch die beiden Schwestern und lässt aus der anfangs schüchternen Juliet eine bösartige Künstlerin, die mit aller Macht als die Bessere gesehen werden will. Als Zuschauer wird man trotz wechselndem Tempo an das Geschehen gefesselt und man verfolgt mit Begeisterung den Verfall von Juliet.

 

Als sei es Schicksal gewesen, kommt Sie in den Besitz des (verfluchten) Notenbuchs der toten Mitschülerin und wird zunehmend von diesem eingenommen. Aus dem Mauerblümchen wird am Ende ein schizophrenes, hinterlistiges, eifersüchtiges und bösartiges Mädchen, dass zudem noch tablettenabhängig ist und den Unterschied zwischen Realität und Fiktion nicht mehr erkennen kann. Dabei nimmt Sie keine Rücksicht mehr auf Ihre Mitmenschen sowie die Familie. Besonders leidet das Image des zuvor als unzertrennlich geltende Schwesternpaar und Vivian gelingt es immer weniger zu verstehen was mit Juliet los ist. Und trotz allem, Vivian verletzt sich schwer wegen Juliet und diese sorgt mit brisanten Enthüllungen dafür das die glückliche Beziehung in die Brüche geht, liebt Vivian Juliet über alles und würde alles für Sie tun. Zwar gilt Vivi als die talentiertere und ist auch in der Persönlichkeitsentwicklung auch weiter, lässt das aber nie so richtig raushängen. Wer weiß was passiert wäre wenn Sie das Buch gestohlen hätte. Leistungstechnisch kann man den Schauspielern lobende Worte zukommen lassen, da jeder einzelne einen guten Job macht.

 

Das das Buch am Ende doch nur ein Mittel zum Zweck und nicht vom Teufel besessen ist zeigt sich daran, dass Juliet sich so ziemlich alles einbildet was sie zu sehen glaubt. Zwar scheinen die Bilder aus dem Buch immer wieder real zu werden oder bewegen sich, aber im Grunde spielt sich alles nur im Kopf des Mädchens ab und zeigt einfach nur die dunkle Seite Ihrer Seele. Eine tolle und eindringliche Bildsprache, die geschickt und kreativ umgesetzt wird. Letztendlich dienen die Zeichnungen/Symbole (teilweise spiegelverkehrte Schrift und mysteriöse und kultische Bilder) im Buch nur dazu einen möglichen Weg aufzuzeigen, den ein aufstrebender Mensch einschlagen wird wenn dieser Besessen von Erfolg ist.

Und so bekommen die zahlreichen Nebenfiguren in "Nocturne" ausreichend Profil, ohne dabei zu sehr im Vordergrund zu stehen. Somit begleiten diese den Weg der Hauptfigur exzellent.

 

Atmosphärisch durchaus düster und beklemmend werden die Bilder gehalten, welche von einer guten Kamera eingefangen werden. Dabei wechselt man zwischen Nah- und Weitaufnahmen und zeigt dabei mit fokussierten Einstellungen entweder die Figuren oder das Gesamtgeschehen auf beeindruckende Weise. Nebenbei sei bemerkt das der Gesamtlook Kinoqualität besitzt und durch tolle Lichteffekte überzeugen kann. Gerade wenn man ein grelles Licht zeigt hat das durchaus verstörende Züge. Und es wäre kein Studentenfilm wenn nicht typische Aktivitäten wie unerlaubte Partys, Alkohol- und Drogenkonsum zu sehen wären. Hierbei möchte ich noch die ziemlich starken Drogenrauschbilder hervorheben, welche ebenso überzeugen wie alle Effekte.

Passend zur Stimmung ist das Szenenbild gehalten. Zwar spielt vieles der Geschichte am Tag oder draußen, aber insgesamt wirkt das Schulgebäude mit seinen Räumen recht grau, kühl, steril und einfach nur leblos. So wird der Fokus klar auf den Werdegang von Juliet gelegt, was durchweg gelingt.

Ein grandioses und in meinen Augen auch zu Interpretationen einladendes Finale, welches am Ende nur konsequent ist, beendet einen tollen Psychothriller, den ich Blumhouse so gar nicht zugetraut hätte.

 

Ein letztes Highlight neben der Inszenierung ist der grandiose Soundtrack, der neben Piano- und Klassikstücken auch einige sehr skurrile, mystische und verrückte Melodien enthält, was anfänglich vielleiht etwas verwirrend wirken mag, aber am Ende einfach nur genial umgesetzt ist.

Ich sage sogar das die Filmmusik richtig Spaß macht und einfach mal etwas neues, anderes darstellt.

 

Fazit: Ein toller, atmosphärisch gelungener Psychothriller aus dem Hause Blumhouse der vieles richtig macht und von einem grandiosen Sound begleitet wird. Von den bisher erschienenen "Welcome to the Blumhouse" Filmen der Stärkste.

 

Bewertung:

Genre: 7.5 von 10 Punkten

Gesamt: 7.5 von 10 Punkten

 

 

The Lie (Drama/Psycho-Thriller), nur VoD

 

 

Schon 2018 wurde dieses Drama mit Thrillerelementen abgedreht und kommt jetzt im Rahmen der "Welcome to Blumhouse" Veröffentlichen zu Amazon Prime Video.

 

Die Eltern von Kayla (Joey King) sind getrennt und die Jugendliche lebt hauptsächlich bei ihrer distanzierten und kontrollsüchtigen Mutter Rebecca (Mireille Enos). Nun soll Kayla die Ferien in einem Tanz-Trainingslager verbringen, wovon die angehende Tänzerin aber überhaupt nicht begeistert ist. Kaylas Vater Jay (Peter Sarsgaard) soll sie in das Dance Camp fahren, doch auf dem Weg treffen Vater und Tochter auf eine Freundin von Kayla und Kayla besteht darauf, Brittany (Devery Jacobs) mitzunehmen. Bei einer Pause an der verschneiten Straße kommt es dann jedoch zu einem Zwischenfall: Die beiden Mädchen verschwinden zusammen im Wald, doch als Jay nach einem Schrei hinterhereilt, findet er nur noch Kayla auf einer Brücke über einem reißenden Fluss sitzend vor...

 

Angekündigt als Horrorfilm im Rahmen der neuen Reihe "Welcome to Blumhouse" die exklusiv auf Prime Video zu sehen ist ist "The Lie" dahingehend eine Enttäuschung, als das es sich keineswegs um einen Gruselfilm sondern um ein Drama mit Thrillereinschlägen handelt. Also nix mit schaurigen Gruselmomenten

Die Story ist dabei wenig spannend (wobei die Tatsache ist, dass man schon nach kurzer Zeit das Gefühl hat hier stimmt etwas nicht und ein Twist am Ende könnte alles aufklären, zuminderst dafür sorgt diesen auch sehen zu wollen), ziemlich langsam im Handlungstempo und plätschert so die meiste Zeit recht belanglos dahin. Wer also hier mal aufs Klo muss wird somit nichts verpassen.

 

Schließlich werden potentiell spannende Details, wie etwa das Armritzen von Kayla oder die Gewaltspuren im Gesicht von Brittany, nur kurz angerissen und nicht weiter verfolgt. Dabei hätte man hier einiges rausholen können und der Story neben mehr Tiefe auch Spannung verleihen können. Schließlich hätten diese Dinge mit dem Verschwinden von Brittany zusammenhängen können. Insgesamt fällt auf das die Figuren in "The Lie" allgemein recht oberflächlich gehalten werden und die Einteilung in Gut und Böse daher nicht möglich ist. Kayla's Eltern sind zerstritten, berufstätig und keiner fühlt sich so recht für die 15-jährige zuständig. Erst als Sie von Ihrer angeblichen Tat erzählt halten die beiden zusammen und versuchen mit aller Macht Schaden von Ihrer Tochter abzuwenden (statt die Polizei zu rufen, was sicherlich klüger gewesen wäre). Brittanys Vater it dagegen sehr aufbrausend, aber eben auch sehr besorgt um das Wohlergehen des Mädchens, was man Ihm auch nicht verübeln kann. Und Kayla? Die wirkt nach dem vermeindlichen Mord erstaunlich gelassen, ruhig und kontrolliert, ja sogar fröhlich und macht nicht den Eindruck eines verstörten Menschen, der eben einen anderen von der Brücke gestoßen hat.

 

Genau diese Ausdrucksweise lässt den Zuschauer stutzig werden und auf einen Twist am Ende hoffen. Schließlich scheinen die die beiden Freundinnen einen Plan zu verfolgen, der mit einer einfachen Lüge Zeit verschaffen soll. Genau diese Lüge aber lässt die Situation im Finale eskalieren. Und hier hat man das erste mal sowas wie einen packenden Film. Alles davor ist dagegen fast schon langweilig, was selbst der durchaus gelungene Sound nicht aufwerten kann. Immerhin sorgt die Kameraarbeit mit durchweg gelungenen Aufnahmen und das Vorstadtfeeling im verschneiten Winter für ein ansprechendes Setting, dass mehr Atmosphäre versprüht als die Geschichte. Der Look erinnert zuweilen an eine bessere TV-Produktion, die aber durchaus kinotauglich gewesen wäre.

 

Der im Finale endlich einsetzende Twist löst dann die ganze Lüge auf, was aber im Anbetracht der vorherrigen Ereignisse schon fast etwas von Komödie besitzt. Schließlich haben sich die Eltern der beiden Mädchen zu sehr in die (durchaus beklemmende) Situation gestürzt und diese eskalieren lassen, während man Kayla recht gut gelaunt jeden Morgen beim Frühstück sieht. Der Plan der beiden Mädchen (bei dem beide profitieren wollten) scheint aufgegangen zu sein, ohne das sie aber von der verhängnissvollen Nacht zuvor wissen.

 

Fazit: Ein als Horrorfilm angepriesenes Drama, das die meiste Zeit wenig spannend vor sich hin plätschert und den Eindruck hinterlässt das sowohl beim Drehbuch und in der Produktion der Mut zur Härte gefehlt hat. Alles wirkt so, als hätte man es für das Mainstreampublikum glattgebügelt, wodurch Genrefans leider das Nachsehen haben.

 

Bewertung:

Genre: 6 von 10 Punkten

Gesamt: 5.5 von 10 Punkten

 

 

Black Box (Thriller/Horror), nur VoD

 

 

Jason Blum hat wieder seine kreativen Köpfe was austüffteln lassen und herausgekommen ist ein interessanter Horror-Thriller.

 

Nolan (Mamoudou Athie) hat bei einem Autounfall seine Frau und sein Gedächtnis verloren. Nun hat der alleinerziehende Vater Probleme, den Alltag auf die Reihe zu bekommen und sich um seine junge Tochter Ava (Amanda Christine) zu kümmern. Um endlich wieder Herr über seine Erinnerungen und seinen Verstand zu werden, unterzieht er sich in der Klinik von Lillian (Phylicia Rashad) einer experimentellen Therapie, die Hypnose und VR vereint. Doch bei seinen Ausflügen in sein Gedächtnis sieht sich Nolan immer wieder mit einer unheimlichen Kreatur konfrontiert, die laut Lillian die Versuche seines Verstandes symbolisiert, ihn vor den Traumata in seiner Vergangenheit zu beschützen. Bald schon beginnt Nolan, an sich selbst und an seinen Erinnerungen zu zweifeln...

 

Jason Blum und seine Produktionsfirma Blumhouse Pictures gelten  ja schon seit einiger Zeit als die Horrorschmiede schlecht hin. Stets findet man mit vergleichsweise wenig Budget kreative Lösungen und produziert durchaus sehenswerte Filme, die zudem immer ziemlich viel Gewinn abwerfen. Natürlich reden wir von Einspielergebnissen von 50-200 Mio weltweit, die bei weitem nicht an Produktionen aus dem Hause Marvel/Disney heranreichen.

Nun gibt es also eine Zusammenarbeit mit Amazon, die aus 8 Filmen bestehen soll von denen 4 (verteilt auf 2 Blocks) im Oktober 2020 und weitere 4 im gleichen Zeitraum 2021 (sofern es die Situation zulässt und gedreht werden kann) erscheinen.

"Black Box" ist im ersten Block enthalten und wirkt von Anfang bis Ende wie ein klassischer Blumhouse-Film. Neben einer ziemlich kreativen Grundidee (Horror meets Psychthriller und moderne/futuristische Technik) sind es eine Grundspannung und ein wertiger Look mit denen man punkten kann.

 

Dabei gelingt es verhältnismäßig lang die eigentliche Aussage zu verschleiern, nämlich die Frage: was passiert wenn man Gehirnströme zu einer Art Datei umwandeln kann um diese dann wie einen Chip in ein anderes Gehirn einzusetzen?

Könnte und vorallem sollte man so hirntoten Menschen die Gedanken bzw. das Wissen eines anderen einpflanzen um diese zu retten?

So ziehlt "Black Box" nicht nur auf die wissenschaftliche und medizinische Seite ab, sondern eben auch auf die ethische. Den bei allem Fortschritt im medizinischen Bereich spielt immer auch die Ethik eine wichtige Rolle.

Man versucht zwar alles mit einem objektiven Blick zu sehen, doch die Beweggründe der Ärztin bleiben persönlicher Natur, schließlich will Sie doch Ihren toten Sohn zurück holen.

 

Und so entwickelt sich eine spannende Geschichte bei der Nolan in sein innerstes Eintauchen will um sein Gedächtnis wieder zu erlangen. Den irgendwie scheinen die bruchstückhaften Erinnerungen nicht zu dem zu passen was er bsp in seinem Handy gespeichert hat oder was seine Wohnung betrifft. Diese kleinen Details lassen den Zuschauer dann schon erahnen das in seinem Gehirn etwas manipuliert worden ist. Die Motive von Lillian sind da noch nicht erkennbar, was dem Film auch wirklich gut tut. Zwar beschränkt man sich nur auf wenige Figuren, doch nicht alle erhalten die nötige Tiefe und Glaubwürdigkeit, bzw lassen den Zuschauer nicht an sich ran. Während also Lillian ziemlich gelungen in Szene gesetzt wird wirkt Ihr Sohn Thomas (der früher wohl gewalttätig war) recht offensichtlich schnell die Geduld, ohne das dies weiter erläutert wird. Nolan, seine Tochter und sein Freund, der Arzt Gary sind dagegen recht solide und angemessen charakterisiert. Trotzalledem ist jetzt aber keine Figur dabei, zu der man eine besondere Verbindung aufbauen kann. Am ehesten noch zu Nolan, da er letztendlich ja das hilflose Opfer ist und im Finale dann doch zurückkehren kann in seinen Körper. Der Cast als Ganzes macht seine Sache soweit wirklich ordentlich und jedem merkt man an, das die Lust auf das Projekt groß war.

 

Mit guten 90 Minuten hat man eine angenehme Lauflänge, die zudem in einem ordentlichen Handlungstempo weder zu kurz oder noch zu lang wirkt und mit einem offenen Ende definitiv Lust auf mehr macht. Mehr wird aber nicht verraten.

Das wirklich aufregende an "Black Box" (Der Titel ist hier wirklich exzellent gewählt) ist der innerlich stattfindende Kampf der beiden Persönlichkeiten von Nolan und Thomas. Und er zeigt: das menschliche Gehirn ist eben doch kein PC bei dem man einfach mal schnell die Festplatte tauscht, ohne große Komplikationen. Mit der als "Black Box" bezeichneten Maschine erhält man nebenbei noch eine ganz neue Ebene, wodurch man dem Horrorgenre einen neuen Weg ebnen kann. Man darf auf jeden Fall gespannt sein ob sich in naher Zukunft geplante Produktionen in diese Richtung trauen und bewegen da das Horrorgenre definitiv neue Wege braucht um sich von den zuletzt viel zu vielen Remakes zu lösen. Kreativität war schon immer der Weg in die Zukunft, und Mut wird dann eben doch belohnt.

 

Beim technischen Teil sind die durchweg wertigen Effekte (u.a. die Störsignale als Nolan bei der Hypnose in seinen "sicheren Raum" gelangt) und er ebenso gute Gesamtlook zu erwähnen, die man so von Blumhouse-Produktionen kennt. Trotz dem bereits erwähnten Mini-Budgets gelingt es immer wieder aufs neue optisch starke Filme zu produzieren, die auf jeden Fall Kinocharakter besitzen. Bei der Kameraarbeit sorgen eine ruhige und fokussierte Führung, geschickt gewählte Blickwinkel und eine feine Lichtsetzung für ein ansprechendes Bild, das musikalisch mit düsteren aber auch emotionalen Melodien begleitet wird. Diese sind aber zumeist in genretypischer Qualität und somit nichts besonderes.

 

Fazit: Kreative Idee, ansprechende und mutige Umsetzung und ein offenes Ende: Diese Blumhouse-Produktion macht definitiv Lust auf mehr.

 

Bewertung:

Genre: 7 von 10 Punkten

Gesamt: 7 von 10 Punkten

 

 

Enfant Terrible (Biografie/Drama)

 

 

Inszenatorisch eine etwas andere Biografie über einen der exzentrischten deutschen Filmemacher aller Zeiten.

 

Als Rainer Werner Fassbinder (Oliver Masucci) 1967 mit gerade einmal 22 Jahren eine Inszenierung des Antitheaters in München komplett umkrempelt, dachten die Anwesenden nicht einmal im Traum daran, dass dieser junge Rebell einmal zu den bedeutendsten Filmemachern des Landes zählen wird. Doch seine unkonventionelle Art ist sowohl ansteckend als auch anziehend und so dauert es nicht lange, bis Schauspielerinnen, Selbstdarsteller und Affären ihm Avancen machen und Fassbinder einen Film nach dem anderen dreht, die dann auf den Festivals in Cannes und Berlin für Aufsehen sorgen. Wie im Film als auch im echten Leben geht Fassbinder dahin, wo es wehtut. Rainer Werner Fassbinder ist dafür bekannt, sein Team zu drangsalieren, genauso wie auch seine Freunde und Geliebte. Doch das Leben am Limit, die unbändige Schaffenskraft und die Arbeitssucht fordern schon bald ihren Tribut...

 

Oftmals haben Biopics bei denen das Leben der zu verfilmenden Personen in Episoden gezeigt wird eine Eigenart an sich, die wie eine bildliche Version des Wikipedia-Eintrags wirken. Schließlich sollen die einzelnen Stationen im besten Fall an Orginalschauplätzen oder aufwendig nachgebauten Sets gezeigt werden.

Oskar Roehler, der zu einem der letzten provokanten Regisseure Deutschlands zählt, lässt seine Biografie zu Rainer Werner Fassbinder so ganz anders inszenieren. Statt auf etwa gleichaltrige Schauspieler (Fassbinder war zu Beginn seiner Karriere Anfang 20) darf der exzellente 51-jährige Oliver Masucci in die Titelrolle schlüpfen, inkl. seinem brillianten Bierbauch, den er immer wieder toll und schamlos in die Kamera hält.

Weiterhin fällt auf das der gesamte Film in einem Filmstudio aufgenommen wurde, da die Ausstattung auf das Minimum reduziert ist und Großteile der Räumlichkeiten nur auf bemalten Wänden dargestellt werden. Zudem erkennt man diese eigenwillige Art einen Film zu drehen auch an der Beleuchtung, die durch und durch künstlich wirkt und im Hintergrund durch das typische Schwarz einer Studioumgebung ersichtlich ist.

 

Aber das ist in diesem Fall gar nicht so schlimm, überzeugt das Ganze doch auf seine ganz besondere Art und Weise. Und letztendlich lenken die Aufbauten und das Szenenbild den Zuschauer nicht von der eigentlichen Geschichte, das Leben und die Exzesse von Fassbinder, ab.

Dessen unermüdlicher Arbeitsdrang, sein Tempo und vorallem seine Wutausbrüche am Set und die damit verbundenen Schikanen gegenüber den Schauspielern und des Filmteams kommen somit perfekt zur Geltung und Masucci kann in dieser Rolle einfach nur glänzen und durchweg überzeugen. Sein facettenreiches, lautes und dominantes Spiel bleiben ebenso im Kopf wie die zahlreichen Drogenexzesse und eine Hauptfigur, die durchweg raucht und Cuba Libre bzw andere alkoholische Getränke zu sich nimmt.

 

Die zahlreichen Sexszenen (bzw. Andeutungen) sind trotz der ansonsten perfekt provokant gehaltenen Inszenierung am Ende dann doch überzogen und in meinen Augen auch wiederwertig. Hier übertreibt es Roehler dann zu sehr mit seiner Darstellung (Fassbinder mag zwar all diese Ausschweifungen so geliebt haben, war er doch ein Exzentriker, aber irgendwo gibt es einen Punkt an dem es zu viel wird)

Obwohl Masucci stets im Mittelpunkt der Kamera steht, können auch die zahlreichen von namhaften Schauspielern gespielten Nebenfiguren durchaus überzeugen und fügen sich gut ins Gesamtkonstrukt ein.

 

Trotz der schlichten Ausstattung stellt sich ein authentisches Bild ein, das musikalisch annähernd perfekt begleitet wird. Zumeist gibt es wiederkehrende Melodien zu hören, die stets an einen bestimmten Ort gebunden sind, aber auch für die damalige Zeit typische Songs. Weiterhin sind Orginal Radio- und Fernsehausstrahlungen zu hören und sehen, die Fassbinder überraschend politisch kommentiert. Im Großen und Ganzen ist "Enfant Terrible" dennoch kein politisch-korrekter Film sondern möchte den Filmtitel mit aller Macht alle Ehre machen, was in jeder Sekunde spektakulär gelingt.

 

Sicherlich ist diese Art der Inszenierung nicht für jedermann ein Filmgenuss, auch ich hatte hier und da so meine Probleme, aber gerade für Fans von speziellen Produktionen (die auch experimental ausfallen können) werden mit diesem Film Ihre wahre Freude haben. Den neben einigen extrem komischen Szenen gibt es eben auch groteskes und abstoßendes zu sehen, dass alles irgendwo zwischen Theater, Kino, Kunst, Trash und Übertreibung liegt.

 

Fazit: Endlich mal kein klassisches Biopic, bei dem neben der schlichten Ausstattung vorallem Oliver Masucci als Rainer Werner Fassbinder überzeugen kann. Trotz ein paar Kritikpunkten ein Film, der auf der großen Kinoleinwand eine besondere Wirkung entfallten kann.

 

 

Bewertung:

Genre: 8 von 10 Punkten

Gesamt: 7 von 10 Punkten

 

 

Niemals Selten Manchmal Immer (Drama)

 

 

Das in den USA immer noch als Tabu geltende Thema "Abtreinung" wird von Eliza Hittmann in einem eindrucksvoll emotionalen Film aufgegriffen.

 

Das Leben der 17-jährigen Autumn (Sidney Flanigan) verläuft so normal wie unspektakulär. Auf dem Land in Pennsylvania geht sie ihrer Arbeit in einem Supermarkt nach und führt ein bescheidenes Leben. Das ändert sich jedoch schlagartig, als sie bemerkt, dass sie ungewollt schwanger ist. Auf die Hilfe ihrer Eltern kann sie allerdings nicht bauen. Genauso wenig helfen ihr die Broschüren im Gesundheitszentrum weiter, auf Autums Fragen haben die Hefte keine Antworten. Was das junge Mädchen durch ihre eigenen Nachforschungen über reproduktive Dienstleistungen erfährt, ist nicht ermutigend: Als Minderjährige kann sie in ihrem Bundesstaat ohne Zustimmung der Eltern keine Abtreibung erhalten. Das lässt sie über die jahrhundertealten Methoden nachdenken, die Frauen angewendet haben, wenn sie mit ungewollten Schwangerschaften konfrontiert wurden. Autumns Cousine Skylar (Talia Ryder) sieht sie jeden Tag in der Schule und bei ihrem Teilzeitjob als Kassiererin – und schon bald ist für sie die Sache klar: Kurzerhand reist sie mit ihr nach New York. Dort angekommen, wollen die beiden eine Klinik aufsuchen, die bei Autumn die Abtreibung vornehmen soll...

 

Selten hat mich ein Film so entsetzt, traurig und gewissermaßen auch hilflos zurückgelassen wie der dritte Langfilm der "Tote Mädchen lügen nicht" Regisseurin Eliza Hittmann "Niemals Selten Manchmal Immer", dem es durchweg gelingt auf der einen Seite tiefemotional und andererseits so nüchtern zu sein. Schließlich bekommt man das Geschehen durch die Augen der 17-jährigen Teenagerin Autumn (die aus einem zerrütteten Elternhaus kommt) gezeigt, die während der gesamten Laufzeit einen traurigen, leeren und verzweifelten Eindruck hinterlässt. Lediglich in 2 Momenten huscht Ihr ein Lächeln über die Lippen, das aber schnell wieder dem bekannten weicht. Hier zeigt Sidney Flanigan Ihr unglaubliches Schauspieltalent und verleiht Autumn eine ungeheuer große Glaubwürdigkeit, wodurch man als Zuschauer zwangsläufig mitfühlen und sogar hilflos der Geschichte folgen muss. Man möchte dem Mädchen, das wortkarg und schüchtern ist, einfach nur helfen oder Sie in den Arm nehmen. Niemand außer Ihrer Cousine Skylar vertraut die Schwangere, mit der Autumn dann auch die weite und gefährliche Reise nach New York unternimmt. Die einerseits naiven aber auch erschreckend schockierenden Selbstversuche (Überdosis Tabletten und Schläge auf den Bauch) haben nicht den gewünschten Erfolg gebracht. Und Beratung gibt es auch nur online und nicht bei der Frauenärztin (die mit einem uralt Film vor der Abtreibung abraten will).

 

Obwohl sich die beiden Frauen wenig zu sagen haben (anscheinend haben Sie keinen allzu guten Draht zueinander) spürt man stets deren Verbundenheit und Zuneigung. Auch dann noch als Autumn Ihre Cousine in der U-Bahnstation (New York wird abseits der Touristenrouten und dreckig gezeigt) mit den Worten "du sollst dich verpissen" wegschickt halten sie zusammen. Und Schlussendlich ist es Skylar die mithilfe einer (unbeabsichtigten) Liason mit einem jungen Mann (den man auf der Busfahrt kennengelernt hat) dafür sorgt, dass beide ihre Rückfahrttickets kaufen können. Für Ihre Cousine würde die junge Frau ohnehin alles tun (Am Ende hat mir aber ein einfaches "Danke für alles" von Autumn für die Hilfe von Skylar gefehlt). Insgesamt ist "Niemals Selten Manchmal Immer" akustisch ein sehr ruhiger und nüchterner Film, der aber in seiner Message umso lauter und intensiver ist. Statt mit Worten arbeitet Hittmann mit aussagekräftigen Bildern und Szenen, statt mit einem überdreht auffühlenden Sound gibt es ruhige und begleitende Melodien und statt hektischer Kameraarbeit lange und fokussierte Sequenzen der Hauptfigur.

 

Der Regisseurin ist es ein absolutes Bedürfniss mit der Kamera immer nah an Autumn dran zu bleiben, um deren Gefühlslage und Emotionen für den Zuschauer einzufangen. Besonders erwähnenswert ist die ziemlich lange Einstellung als das Mädchen bei Ihrer Betreuerin im Büro sitzt und dort ein ausführliches Frage-Antwort-Gespräch führt, bei der Autumn erst mit Ja und Nein und im Anschluss mit Niemals-Selten-Manchmal-Immer anworten soll, wobei die Fragen immer persönlicher und intimer werden. Gerade zum Ende hin sieht man Autumn an, wie sehr Sie leidet und wie viel Trauer in Ihr stecken. Zudem zeigt sich, das Autumn sich immer noch nicht völlig öffnen kann und einiges nicht preisgeben möchte. Übrigens kommen die Männer in dem Film durchweg alle nicht gut weg und werden stets so dargestellt, als würden Sie Frauen nur als (Sex)Objekte sehen. Sei es der Supermarktchef (Der einen sehr widerlichen Eindruck macht), Autumn's Vater (der nichts für seine Tochter übrig hat) oder ein Unbekannter der sich in der U-Bahn wegen der beiden Frauen in den Schritt fasst. Selbst der eigentlich nette Junge aus dem Bus nutzt am Ende die Notsituation der beiden Mädels aus um das zu bekommen was er will; also zuminderst in Zügen. So zeigt Hittmann erschrecken eindrucksvoll in welchen System Frauen leben und das diese am liebsten keine Kontrolle über Ihren Körper haben sollen. Eine aussagekräftige Metapher.

Trotz dieser tiefemotionalen Bilder, die mir persönlich den Boden unter den Füßen weggezogen haben, muss man der Kamera auch eine objektive Sichtweise der Dinge zusprechen. Das ist jetzt nicht mal negativ gemeint sondern als herausragendes Kompliment, schließlich steht das Schicksal des Mädchens stellvertretend für tausende anderer und Hittmann möchte das Thema "Abtreibung" ohne politische, ethnische oder persönliche Grundlagen zeigen.

 

Zu keiner Zeit kommt es zu einer Verharmlosung, einer Überspitzung oder einem zu detailierten Moment wodurch Hittmann's Film trotz seiner nüchternen und naturalistischen Inszenierung ein absolut sehenswertes Genrehighlight darstellt, wie man es heutzutage leider viel zu selten im Kino sehen kann. Nebenbei bemerkt bekommt der Film eine dokumentarische Ader und fühlt sich immer wieder wie ein Roadmovie an.

 

So sind es dann auch diese kleinen, aber effektiven Momente bei denen der Zuschauer durch das Zusammenreimen der Dinge feststellen muss, dass die Ärztin in Autumns Heimatort eine Abtreibungsgegnerin ist, dies aber durch bewusste Falschaussagen oder aufmunternde Worte geschickt versteckt ohne das es der zum Thema "Abtreibung" meinungslosen Teenagerin auffällt. Doch wird die Ärztin genauso wenig verteufelt wie die streng gläubischen Demonstranten in Manhatten oder die durchweg hilfsbereiten und freundlichen Mitarbeiter in der Abtreibungsklinik, die mit viel Geduld, Zuwendungen und Angeboten den zumeist minderjährigen und traurigen Mädchen helfen und bei der Abtreibung begleiten wollen. Auch Autumn's Betreuerin ist beim finalen Eingriff dabei und hält deren Hand (Wie Autumn dann später auch als Skylar mit dem Jungen rummacht). Alle Seiten werden sachlich, objektiv und nüchtern betrachtet, schließlich präsentiert man hier den leider traurigen Ist-Zustand in den USA und weltweit was das Thema "Abtreibung" betrifft.

 

Abschließend ist noch zu erwähnen das Hittmann Ihren Figuren viel Zeit und Raum bietet um sich zu entwickeln, wodurch die Schauspieler genau das zeigen können (und sollen) was sie können. Schließlich ist die Geschichte von Autumn keine besonders außergewöhnliche, dafür aber eine allzu reale und kein Einzelfall. Nur wird eben die Sichtweise der Betroffenen in den allermeisten Fällen keine tiefere Bedeutung beigemessen und Filme zum Thema Abtreibung verkommen somit zu reinen künstlich und dramaturgisch aufgeladenen Produktionen, bei denen es schlichtweg darum geht entweder Für oder Gegen Abtreibung zu sein während die wahren Leiden Filmfiguren keine Rolle spielen. Und genau das macht "Niemals Selten Manchmal Immer" ganz anders und ist deshalb ein so kraftvoller Film.

Und ja, während und nach den Film musste ich doch mit den Tränen kämpfen und auf dem Weg zum Auto (der zum Glück etwas länger war) hatte man reichlich Zeit über das Gesehene nachzudenken: Danke das es solche Filme noch im Kino zu sehen gibt.

 

Fazit: Ein aktustisch leiser dafür aber umso lauterer Film über eine ungewollt schwangere 17-jährige, der durch Hittmann's Einfühlungsvermögen zu einem kraftvollen Genrevertreter wird, den es im Kino viel zu selten zu sehen gibt. Durch und durch traurig und auch dank der beiden Hauptdarsteller so intensiv. Eine absolute Filmempfehlung

 

Bewertung:

Genre: 9 von 10 Punkten

Gesamt: 9 von 10 Punkten