Filme aus dem November

 

The Secrets We Keep (Thriller/Drama)

 

 

Das nicht nur Juden während des zweiten Weltkriegs Opfer von Kriegsverbrechen waren zeigt der eindrucksvolle Thriller "The Secrets We Keep"

 

Der Zweite Weltkrieg ist vorbei. Maja (Noomi Rapace), die in Rumänien Opfer eines Kriegsverbrechens geworden ist, hat sich mit ihrem Mann (Chris Messina) ein neues Leben aufgebaut. Die beiden wohnen in einem amerikanischen Vorort. Als Maja einen Ausflug macht, begegnet sie einem Fremden (Joel Kinnaman), den sie für ihren früheren Peiniger hält. Vor 15 Jahren hat er sie misshandelt, da ist sich Maja sicher. Sie will Rache – und entführt den Mann. Er wird im Keller ihres Hauses festgehalten, wo Maja ein Geständnis erzwingen will. Doch der Mann beteuert, unschuldig zu sein. Hat Maja den Richtigen? Oder verwechselt sie ihn? Ihr Ehemann (Chris Messina) hat Zweifel, ob Majas Eindruck stimmt...

 

Filmproduktionen die sich dem Thema "Kriegsverbrechen an Minderheiten während des zweiten Weltkriegs" annehmen gibt es immer mal wieder im Kino zu sehen. In "normalen Zeiten" gibt diese Produktionen zumeist nur in Programm- oder Arthauskinos zu sehen, wodurch sie an der breiten Masse recht lautlos vorbeirauschen. Wie auch andere Filme von meist kleinen Studios profitieren in Coronazeiten viele ernste und tiefgründige Filmgeschichten von den zahlreichen Verschiebungen der Blockbuster. Denn so bekommen Filme wie etwa "The Secrets We Keep" von Yuval Adler unerwartet viel Aufmerksamkeit und werden dadurch auch in zahlreichen Kinohäusern gezeigt, die ansonsten ein komplett anderes Programm vorführen. Wenn man so sagen möchte eine Win-Win-Situation. Das Publikum kann sich mit diesen Themen beschäftigen und die Verleiher können auf gute Zahlen hoffen. Zuletzt haben auch die Kinos etwas davon, da man regelmäßig neues Material zeigen kann.

Nun also zu dieser Produktion aus den USA, deren Kinostart für den 05.11.2020 angesetzt ist. Erzählen viele Filme zum Thema "Kriegsverbrechen" über das Leiden von Juden in Europa geht man hier einen anderen Weg. Die Hauptfigur Maja kommt ursprünglich aus Rumanien und zählt zur Minderheit der Sinti und Roma. Schon vor dem Einmarsch der Deutschen galt diese als Randgruppe und wurden von der Bevölkerung ausgegrenzt. Durch kleine Rückblicke, die zumeist in schwarz-weiß gehalten und recht unruhig und auch ungenau gehalten werden erfährt man von diesem einen schrecklichen Abend, bei dem die Gruppe der Protagonistin von deutschen Soldaten erst missbraucht und dann kaltblütig ermordert worden sind.

 

Und das alles in den letzten Kriegstagen 1945 und nach Jahren im Straflager. Wie es der Zufall will trifft die junge Mutter etwa 15 Jahre später (der Film spielt wohl ende der 1955er bzw. Anfang der 1960er Jahre) einen Ihrer ehemaligen Peiniger in der kleinen US-Stadt, in der Sie mit Mann und Kind wohnt. Es entwickelt sich eine hochspannende, intensive aber auch aufgeladene Handlung, die sich immer weiter zuspitzt um in einem heftigen und erschütternden Finale endet. Dabei gelingt es Adler nahezu perfekt seiner Geschichte zum einen eine geschichtliche Tiefe und Glaubwürdigkeit sowie zum anderen auch eine emotionale und persönliche Note zu verleihen. Es geht um Missbrauch, Gewalt, Mord, Verbrechen, Rache und Vergebung aber eben auch um den Umgang mit diesen schrecklichen Taten in der Nachkriegszeit. Lange Zeit wird der Zuschauer rätseln wie diese verhängnisvolle Begegnung von Maja und Karl alias Thomas wohl enden wird: vergibt Sie Ihm nach über 15 Jahren seine Taten und lässt Ihn laufen, bleibt er eine Geisel oder muss er am Ende doch sterben? Mit geschickten Wendungen und kleinen Nebenschauplätzen tendiert man immer wieder zwischen den Optionen hin und her. So hält man das Publikum während der gesamten Laufzeit bei der Stange und lässt es mit den Figuren nicht nur mitfiebern sondern vorallem auch mitfühlen. 

 

Denn man kann von Anfang an verstehen und zunehmend auch nachvollziehen warum Maja Rache nehmen will und das Sie auch bereit ist Karl zu verletzen und im äußersten Fall auch zu töten, wobei dieser Schritt augenscheinlich zu viel Überwindung kosten würde. Schließlich liegt er sichtlich benommene Mann bereits hilflos in der Grube und wartet praktisch nur auf den Todesstoß. Während also Maja zu allem entschlossen ist, zeigt sich Ihr Mann Lewis (ein amerikanischer Arzt) deutlich skeptischer und ist anfangs sogar richtig schockiert und fassungslos. Liegt aber auch daran das er von Maja's Vorgeschichte anfangs nichts wusste (weil Sie es gekonnt verschwiegen hat) und somit keinen Bezugspunkt zu dem Leid aufbauen konnte. Nach und nach schwenkt er aber um und stellt sich trotz einiger Konflikte (diese gehen sogar soweit das er sie schlägt) mit Maja hinter seine Frau.

 

Seine nach außen gezeigte Unwissenheit kann Karl, der als Thomas mit einer Jüdin verheiratet ist und 2 Kinder hat, zwar lange aufrecht erhalten, jedoch gesteht er am Ende dann doch alles. Der Kniff mit der jüdischen Ehefrau ist ebenso einer der absoluten Pluspunkte, da man hier aufzeigen möchte, das Karl kein Antisemit ist und er im Krieg einer von so vielen jungen Männern war, die schreckliche Taten vollzogen haben ohne die Tragweite dieser zu erfassen. Er war ein Kind seiner Zeit und wurde während des Krieges zu einer anderen Persöhnlichkeit mit dunklen und bösen Seiten. Gerade solche Feinheiten machen aus einer guten eine herausragende Geschichte, die zudem sehr nah an der Realität liegt. Das er am Ende in einem Akt der Selbstjustiz getötet wird (mit mehreren Schüssen) gibt zwar zu Denken, da für die Strafverfolgung ja die Behörden zuständig sind aber zu jener Zeit wenig bis kein Interesse an der Aufklärung hatten, sorgt aber dennoch für ein gewisses Gerechtigkeitsgefühl. Ein kleiner Logikfehler hat sich dann doch eingeschlichen: Maja hätte ja nur den linken Oberarm von Karl anschauen müssen um festzustellen ob dieser wirklich ein SS-Mann war, schließlich wurde diesen ja die Blutgruppe dort eintätowiert. Selbst wenn er sich diese herausgeschnitten hätte wäre eine markante Narbe sichtbar gewesen.

An dieser Stelle muss man die drei Hauptdarsteller besonders lobend hervorheben, die allesamt eine grandiose Performence abliefern und in der brisanten 3er Konstellation perfekt miteinander harmonieren. Zudem verleihen Sie den Filmfiguren (die durchaus auch auf realen Personen basieren könnten) extrem viel Charakter, Tiefe und Glaubwürdigkeit.

 

Sicherlich hätte man die Vorgeschichten von Maja und Karl noch etwas ausführlicher ausleuchten können, schließlich gibt es hier noch Potential, aber das ist jammern auf sehr hohem Niveau. Obwohl es kaum Blut zu sehen gibt (im Vergleich zu manch anderer Produktion) kann man "The Secrets We Keep" definitiv als Thriller mit dramatischen Elementen betiteln. Nur in zwei Momenten wird es heftig, wobei die Kamera nicht volles Rohr auf die Szene draufhält. Insgesamt macht Kolja Brandt an der Kamera einen sehr guten Job. Neben zahlreichen Nahaufnahmen der Figuren und deren emotionalen Gesichtern gibt es immer wieder Momente in denen das Bild sich im Raum bewegt und den Zuschauer in eine fast aktive Rolle versetzt, da man bsp. das Gefühl hat auf die Pistole zuzugehen welche im Keller auf dem Tisch liegt. Optisch wirkt alles nicht auf Hochglanz poliert sondern eher rau und fast schon antik, was dem Ganzen aber eine sehr authentische Note verleiht. Man fühlt sich durch die gezeigten Bilder auf jeden Fall in das Jahrzehnt zurückversetzt, was auch an der sehr feinen Ausstattung liegt. Neben den zu sehenden Autos liegt dies auch an den Kostümen, dem Styling oder den Einrichtungen der Häuser (bestes Beispiel die uralten TV-Geräte). Den Großteil der 99 Minuten findet das Geschehen sowieso im Haus von Maja und Lewis, genauer gesagt im Keller, statt.

 

Sicherlich ist dieser sehr ernste Stoff nichts für jedermann, aber aufgrund seiner feinen und interessanten Details sowie seiner spannenden und packenden Inszenierung auf jeden Fall ein Film, den man auf jeden Fall gesehen haben sollte. Solche Produktionen sollte und muss es in Zukunft viel öfter auf der Leinwand geben, da es zahlreiche Minderheiten in Europa gab, die während der Nazi-Herrschaft verfolgt, diskriminiert, verschleppt und getötet worden sind. Auch wie die unzähligen jungen Männer, die ja nicht alle von tiefsten Herzen Nazis waren, mit Ihrer Schuld leben mussten bietet zahlreich Material zum verfilmen. 

 

Fazit: Ein spannender Thriller mit ernsten Thema, der fast auf ganzer Linie überzeugen kann. Neben grandiosen Hauptdarstellern sorgt auch eine glaubwürdige und mit feinen Details versehene Story für ein beeindruckendes Filmerlebnis

 

Bewertung:

Genre: 8 von 10 Punkten

Gesamt: 8.5 von 10 Punkten

 

Yes, God, Yes - Böse Mädchen beichten nicht (Komödie/Drama)

 

Nach "Brave Mädchen tun das nicht" der nächste charmante Film über ein junges Mädchen das seine Sexualität entdeckt.

 

Sex diene nur der Fortpflanzung, lernt die Teenagerin Alice (Natalia Dyer), die in einem streng katholischen Haushalt im ländlichen Teil der USA aufwächst und auf eine katholische Schule geht – in der sie außerdem lernt, dass sie in die Hölle kommt, wenn sie masturbiert. Sex vor der Ehe ist natürlich auch Tabu, so viel ist klar! Doch neuerdings begibt sie sich mit ihren Handlungen direkt auf den Weg in die Hölle. Nachdem sie von der Sexszene aus „Titanic“ nicht genug kriegen kann und sich beim Chatten zu unsittlichen Handlungen hinreißen lässt, kommt sie ins Grübeln und fragt sich, was mit ihr nicht stimmt? Ihr Verhalten bleibt nicht ohne Konsequenzen, weshalb sie zu einem viertägigen Kirchencamp geschickt wird. Neben Beichten, Bibelstunden und Gebeten sticht ihr vor allem der sexy Footballstar Chris (Wolfgang Novogratz) ins Auge. Wie soll Alice so auf den Weg der Tugend zurückfinden?

 

Im September lief mit "Brave Mädchen tun das nicht" (mit einer überragenden Lucy Hale) ein Film in den Kinos an, bei dem eine verklemmte junge Frau Ihre Sexualität neu entdecken muss und dabei über Ihren Schatten springt um für Sie einst undenkbare Sachen auszuprobieren (Meine Kritik zu diesem Film findet Ihr im September-Archiv). Nun schickt das deutsche Indiependentlabel Capelight Pictures ab dem 05.11.2020 mit "Yes, God, Yes" eine ähnlich gelagerte  Produktion ins Rennen. Auch hier bekommt es eine junge Frau mit dem großen Thema "Sexualität" zu tun. Anders als Lucy in "Brave Mädchen" lebt die Protagonistin Alice in einer strenggläubigen Gemeinde, besucht eine katholische Schule, in der Sie lernt das Sex nur der Fortpflanzung dient und Selbstbefriedigung automatisch die Tür zur Hölle öffnet, und liebt heimlich die Sexszene aus dem Filmklassiker "Titanic". Es treffen also 2 extrem gegensätzliche Lager aufeinander und mittendrin eine junge Frau die sich fragt ob nicht beides miteinander vereinbar ist.

 

Was erwartet den Zuschauer nun in den wirklich kurzen 77 Minuten (die auch recht zügig durchlaufen) auf der Leinwand? Eine durchaus charmante, witzige und orginelle Coming-of-Age Story mit einer beeindruckenden Natalia Dyer in der Hauptrolle als verklemmte Jugendliche Alice, die durch einen versauten Chat erst so richtig auf das Thema "Selbstbefriedigung" gebracht wird. In der Highschool wird den Schülern die (veraltete) Lehre der Kirche gelehrt, die von einem Mann, einer Frau und einer Ehe handelt in der Sex niemals aus Lust geschehen soll und Selbstbefriedigung ein absolutes Tabu ist. Kritische Nachfragen werden genauso abgetan und verurteilt wie die in den Augen der Aufseherin zu kurzen Röcke. Doch ist das alles wirklich so streng oder am Ende doch nur Fassade? Genau diesen Punkt ergründet Alice während der Handlung und stellt erstaunt fest, dass selbst Pfarrer Ihren Lüsten nachgeben und sich die Schüler untereinander nicht immer an sexuelle Abstinenz halten.

Aber alles in einem heiteren und charmanten Rahmen mit vielen Momenten des Schmunzelns aber auch ein klein wenig Kritik an der Institution Kirche und deren Ansichten nach außen, die aber interen sicherlich nicht ganz so streng gesehen werden.

 

Obwohl Alice ja nicht bewusst in Ihrem Chat nach sexuellen Ideen sucht und der anzügliche Gesprächsverlauf mit dem Unbekannten anfangs unangenehm ist, findet Sie schnell Gefallen daran und lässt sich auch nicht von ersten Versuchen der Selbstbefriedigung abbringen als man Sie in ein viertägiges Kirchencamp steckt. Bezeichnend für die dort herrschenden Unterdrückungsmaßnahmen sollen alle Teilnehmer Ihre Handys abgeben, was Alice nicht tut. Und so ist es das Mobiltelefon das die junge Frau als Vibratorersatz verwendet und einen ersten kleinen Höhepunkt erlebt. Nebenbei verguckt Sie sich noch in den attraktiven Footballspieler Chris, der als eine Art Mentor im Camp agiert. Mit geschickt inszenierten Aktionen versucht Alice im näher zu kommen, um Ihn voller Begierde zu küssen. Absolutes Highlight ist jene Szene bei der sich Alice an einem Besenstiel reibt während Sie zusieht wie eine Teilnehmerin einem anderen oral befriedigt. Im Zusammenhang mit der Hintergrundmusik eine extrem witzige Szene, die trotzdem keinesfalls unter der Gürtellinie kommt. Diesen Aspekt muss man "Yes, God, Yes" sowieso hoch anrechnen, während einige Gags dann doch recht billig (Bsp. die deutlich erkennbare Erektion von Chris nachdem Alice den Intimbereich von Ihm berührt inkl. seiner recht doofen Begründung für diesen Zustand) und wirken dadurch auch plump und irgendwie auch dämmlich. Hier driftet der Film von seiner ansonsten erstaunlich ernsten Art ins lächerliche ab, was überhaupt nicht nötig gewesen wäre.

 

Kann Dyer in Ihrer Rolle richtig glänzen und mit facettenreichen Gesichtsausdrücken den Zuschauer damit bestens unterhalten, trifft dies auf den restlichen Cast leider eher weniger zu. Dies liegt zum größten Teil an den oberflächlichen und klischeehaften Figurenzeichnungen der Nebencharaktere, wodurch auch die Darsteller nicht besonders viel anzufangen wissen. Wie im Genre üblich verspricht die Handlung jetzt keine Spannungshöhepunkte oder unerwartete Twists (was man bei "Brave Mädchen tun das nicht" ja auch nicht hatte), kann dies aber mit zahlreich orginellen Momenten wettmachen. Die Kombi aus Glauben und Lust gelingt zumeist recht gut ohne dabei den Werdegang von Alice aus dem Blick zu verlieren. Deren Veränderung in Wahrnehmung und Ausleben der neuen Erkenntnisse sollen für den Zuschauer das zentrale Thema sein.

Die Bilder von Todd Antonio Somodevilla erscheinen qualitativ im selben Look wie "Brave Mädchen" und zeigen zumeist Alice (auch in Nahaufnahmen) in der Highschool oder im Kirchencamp. Alles spielt sich zeitlich Mitte/Ende der 1990er Jahre bzw. Anfang der 2000er Jahre in einem ländlichen Teil der USA ab, was sich an den technischen Geräten (PCs und Handys) erkennen kann.

 

Großartige oder besonders auffällige Punkte bezüglich der Kameraarbeit oder den Schnitt gibt es nicht und auch die Filmmusik fällt nicht besonders extrem aus (weder in positiver noch in negativer Form). Neben einigen religiös angehauchten Stücken bekommt man viele emotionale und heitere Melodien zu hören, welche insgesamt aber ganz angenehm und unterstützend für die Handlung in jene eingebracht sind. Vieles ist eben genretypisch gehalten und lässt den Zuschauer mit einer glücklichen Miene das Kino verlassen.

 

Fazit: Glaube trifft auf Lust und das auf charmante und witzige Weise; "Yes God Yes" hat viele Schmunzelmomente aber auch eine ernste Botschaft und traut sich sogar Kritik an der christlichen Kirche zu äußern. Ein kurzweiliger Film, der aber nicht an "Brave Mädchen tun das nicht" heranreichen kann.

 

Bewertung:

Genre: 6.5 von 10 Punkten

Gesamt: 7 von 10 Punkten

 

Malasana 32: Haus des Bösen (Horror)

 

Kleine spanische Horrorproduktion die auf wahren Begebenheiten basiert und in Zeiten fehlender A-Ware auf jeden Fall eine Chance verdient hat.

 

Der Madrider Stadtteil Malasaña im Jahr 1976: Wie so viele andere Spanier auch zieht Manolo Olmedo (Iván Marcos) zusammen mit seiner Frau Candela (Bea Segura) und den Kindern Pepe (Sergio Castellanos), Ampara (Begoña Vargas) und Rafi (Iván Renedo) vom Land in die große Stadt, wo sie sich ein besseres Leben unter der Franco-Diktatur erhofft. Die Familie bezieht ein traumhaftes, großzügiges Apartment und hofft auf berufliches wie privates Glück. Aber es dauert nicht lange, da stellt die sechsköpfige Familie fest, dass ihr beim Kauf wesentliche Informationen vorenthalten wurde. Die Familie ist in der Wohnung nicht alleine, in der Merkwürdiges passiert. Es sieht danach aus, als ob das pure Böse nach den neuen Bewohnern greift ...

 

Ein weiterer Film der jetzt im November in die Kinos hätte kommen sollen ist der spanische Horrorfilm "Malasana 32" von Albert Pinto, der in einigen Kinos als Halloween-Event zu sehen war. Dem Trailer nach zu beurteilen erwartet den Zuschauer ein Haus des Grauens und mittendrin eine unschuldige Familie. Ja, das hört sich alles ziemlich bekannt und war schon oft die Grundlage eines Horrorfilms. Und genau so ist es im Grunde auch: Die Grundidee ist eine altbewährte Ausgangslage die aber immerhin zum Finale hin ein paar kreative Ansatzpunkte einbaut und damit dem anfangs vorhergesagten Verlauf ein wenig anders auf die Leinwand bringt.

Trotzdem ist der Spannungsbogen jetzt nicht besonders hoch, was sich auch daran zeigt das Pinto das Horrormainstreampublikum ansprechen will und somit zahlreiche Jumpscares einbaut. Diese sind aber zumeist recht vorhersehbar bzw. werden dem Zuschauer auf dem Silbertablett präsentiert und zeichnen sich (leider) nicht durch eine besonders kreative Inszenierung aus.

 

Eingeschleichte Horrorfans werden das also eher mau findet, sofern man sich für diesen Film entscheidet. Aber warum sollte man so einer Produktion von vorneherein keine Chance geben? Schließlich hat das spanische Horrorkino durchaus einiges zu bieten und sind in Zeiten von fehlenden Hollywoodproduktionen auf jedenfall annehmbare Alternativen.

So wird es dann auch nicht verwundern das Pinto seiner Haupthandlung zwei Nebenstränge gönnt, die im Finale mit dem eigentlichen Geschehen nahtlos vereint werden. Und die letzten Minuten sind definitiv auch der stärkste und beste Part. Doch genau auf dem Weg dorthin, also im Mittelteil, verliert sich das Ganze etwas zu sehr im Nichts und man fragt sich dann schon, was das alles nun genau zu bedeuten hat.

Während jene Nebenhandlung (die im Rollstuhl sitzenden junge Frau, die als Medium für böse Geister gilt) in meinen Augen eine ziemlich spannende Sache ist, von der ich gerne mehr gesehen hätte, kann man die zweite Nebenhandlung (die Hintergründe der vorherrigen Bewohnerin) als recht oberflächlich ansehen, wobei man dem Drehbuch zugute halten muss, dass man sich zuminderst Gedanken gemacht hat etwas außergewöhnliches zu schaffen. Nochmal zurück zum Teil mit dem Medium: da die Tochter mit Ihrer Mutter solche dämonischen Begegnungen schon häufiger gemacht hat, fällt einem sofort ein Vergleich zu den Warren's aus den Conjuring-Filmen ein, die ja sowas ähnliches auch machen und Lorraine ebenfalls besondere Fähigkeiten besitzt. Außerdem spielen deren Fälle größtenteils ebenfalls in den 70er Jahren

 

Das die bekannten Dämonenjäger noch auftauchen wäre die absolute Krönung gewesen und irgendwie wünscht man sich das vor dem inneren Auge auch. Als Teil des Conjuring-Universums hätte "Malasana 32" sicherlich gepasst.

Noch ein Wort zum Handlungstempo: dieses ist sehr angenehm und lässt den Zuschauer keine Details übersehen wodurch man auch nicht überfordert wird.

Dennoch muss man am Ende konsternieren, dass man handlungstechnisch nichts neues zu sehen bekommt und diese auch woanders als in Madrid hätte spielen können.

Bis auf ganz wenige Augenblicke ist nämlich nicht viel von der spanischen Hauptstadt zu sehen, wodurch auch das dort vorherrschende mediterrane Gefühl nicht aufkommen will.

Das macht die Gruselbude dann deutlich besser. Schon mit dem Einspieler sorgt sie für ein unbehagliches, ängstliches Feeling, stets in düstere und leblose Farben getaucht und mit zahlreichen dunklen Ecken versehen. Hier zeigt das Ausstattungsteam einen richtig guten Job und sorgt für ordentliche Gruselmomente.

 

Daneben überzegen die fast schon antiken Einrichtungsgegenstände wie etwa das Telefon mit Wählscheibe, der Röhrenfernseher oder der Plattenspieler. Insgesamt ist das Setting ein absolutes Filmhighlight und zeugt von viel Kreativität sowie Ideenreichtum. Lichttechnisch arbeitet man mit tollen Licht-Schattenszenen und lässt das Grauen immer wieder aus der Dunkelheit hevortreten. Die Kameraarbeit ist solide, ruhig, fokussiert und kann mit einigen schönen Blickwinkeln und besonderen Einstellungen punkten, wodurch das bereits vorherrschende düstere Gefühl nochmal verstärkt wird. Immer wieder fährt die Kamera durch die Wohnung und bleibt bei einem Bild an der Wand stehen, welches eine junge Frau zu zeigen scheint. Bei den wenigen Effekten kann man angesichts der eher unbekannten Produktionsfirmen nicht viel aussetzen, da man hier wirklich solide Arbeit abliefert. Gelegenheitsbesucher von Horrorfilmen werden sich hier definitv unbehaglich und ängstlich fühlen. Dazu wird auch der sehr dominante und mysteriös-böse klingende Soundtrack beitragen, dem gerade in den bildtechnisch ruhigen Momenten jedliche Stille fehlt. Besonders in diesen Szenen wäre es wichtig gewesen rein die Bilder wirken zu lassen. Dauerbeschallung, selbst wenn die Musik leise ist, ist auf die gesamte Laufzeit einfach nicht zielführend und nimmt dem Gruselfaktor viel von seiner Intensität. Immerhin kann das Sounddesign positiv überraschen.

 

Noch ein paar Worte zu den Filmfiguren und zum Cast. Erwartungsgemäß bekommen die Familienmitglieder nur die nötigsten Charakterbeschreibungen, wodurch sich die Handlung glücklicherweise recht zügig auf die Gruselmomente stürzen kann. Oft haben Horrorfilme einfach das Problem sich zu lange am Figurenschreiben aufzuhalten und dadurch viel Laufzeit zu verschwenden (In der Regel gehen Horrorstreifen nur um die 90 Minuten und wenn man davon schon ein Drittel verschenkt bleibt nicht mehr viel für die eigentliche Handlung übrig). Wie so oft will man wegen wirtschaftlicher Gründe die geliebte Heimat verlassen und lässt diese dann auch hinter sich. Neben Geldproblemen spielt immer wieder das aufkommende Heimweh eine Rolle und diverse unschöne Ereignisse aus der Vergangenheit kommen zur Sprache. All das wird aber immer nur kurz angeteasert um den Figuren einen Grund für das aktuelle Verhalten an die Hand zu geben und schlussendlich auch jedem etwas Charaktertiefe zu verleihen. Mir persönlich haben die Infos gereicht um mir ein Bild machen  und jeden auch einordnen zu können. Der ausschließlich mit spanischen Darstellern besetzte Cast macht seine Arbeit im Großen und Ganzen ganz gut und kann die Figuren plausibel und authentisch verkörpern.

 

Fazit: Obwohl man vieles was in "Malasana 32" zu sehen ist bereits aus zahlreichen anderen Gruselfilmen kennt schafft es die spanische Produktion dem Zuschauer mit einer düsteren Atmosphäre und einigen kreativen Momenten immer wieder zu packen. Genrekenner werden aber eher von der allzu offensichtlichen Inszenierung enttäuscht sein.

 

Bewertung:

Genre: 6.5 von 10 Punkten

Gesamt: 6.5 von 10 Punkten