Filme aus dem Januar 2022

Scream 5 (Horror)

 

Der Killer mit dem Ghostface kehrt zurück nach Woodsboro! Diesmal hat es der psychopathische Mörder auf eine Gruppe junger Menschen abgesehen, die in einer Verbindung zu den Opfern und Überlebenden der vorherigen Woodsboro-Attentate stehen. Ein Teenager nach dem anderen wird niedergemetzelt und die Geheimnisse der Kleinstadt rücken immer mehr ins Zentrum der Öffentlichkeit. Für die Überlebenden Sidney Prescott (Neve Campbell), Journalistin Gale Weathers (Courteney Cox) und Ex-Sheriff Dewey (David Arquette) ist die Rückkehr des Killers ein Auseinandersetzen mit der Vergangenheit. Ihnen bleibt keine andere Wahl, als wieder miteinander in Kontakt zu treten und weitere Morde zu verhindern. Ob die Regeln zum Überleben, die ihnen zuvor das Leben gerettet haben, noch weiterhin gültig sind, müssen Sidney und ihre Freunde bald am eigenen Leib erfahren.

 

2015 starb der von vielen als Horror-Papst verehrte Wes Craven wodurch bei Fans der "Scream"-Reihe sicherlich Angst aufkam das es womöglich keinen weiteren Teil mit Ghostface geben wird. Schießlich lag Teil 4 damals schon wieder vier Jahre zurück. Jetzt scheiben wir 2022 und Paramount Pictures ist es tatsächlich gelungen dem Slasher-Franchise neues Leben einzuhauchen. Wegen Corona musste der Start von "Scream 5" von 2021 auf dieses Jahr verschoben werden weshalb der angestrebte 10 Jahresssprung nicht ganz eingehalten werden kann. Im fertigen Film merkt man von der Pandemie natürlich nichts weshalb dort alles so läuft wie gewünscht.

Die beiden Regiesseure Matt Bettinelli-Olpin und Tyler Gillett liefern einen blutigen, unterhaltsamen und knallharten Horror-Slasher der zudem reichlich Fanservice bietet.

 

Im Requel verbinden die Filmemacher das Alte mit dem Neuen und kehren auch inhaltlich wieder zurück zum allerersten Teil der Reihe. Deshalb werden auch sämtliche relevanten Überlebenden quasi reaktiviert und glücklicherweise von Ihren Orginalschauspielern gespielt. Allein mit diesem Aspekt wird man viele Fans der ersten Stunde ins Kino locken, da ja jeder wissen will was aus Gale, Sidney oder Dewey geworden ist.

Das Wes Craven nicht auf dem Regiestuhl sitzt fällt nur ganz selten auf, da "Scream 5" zum allergrößten Teil auf das bekannte und erfolgreiche System mit vielen Kills und einer spannenden Schnitzeljagd nach dem Ghostface-Mörder setzt. Dennoch wollen die beiden Nachfolger nicht 1 zu 1 weitermachen sondern drehen einige Stellschrauben nach. 

 

So dient die übliche Einleitungssequenz nicht als netter, blutiger und für die Haupthandlung unrelevantes Gemetzel sondern als kompromissloser Start in die Handlung. Zwar sieht man ein junges, attraktives Mädchen allein at Home die das klassische Spielchen mit Ghostface spielt, aber anders als der Zuschauer denkt, sehen wir hier eine der Hauptfiguren.

Ansonsten verläuft der neue Scream in bekannten Bahnen und es wird reichlich Blut vergossen während niemand den Mörder aufhalten kann.

Dazu gesellen sich sämtliche Slasher-Regeln und alle üblichen Logikfehler des Genres. Warum gelingt es niemandem dem Angreifer die Maske herunter zu reißen? Wieso handeln die Figuren, obwohl Sie es ja eigentlich wissen, stets unrational und laden mit dämlichen Aktionen Ghostface geradezu ein Sie zu töten?

 

All das gehört einfach zu "Scream" und dem Slasher weshalb viele das Genre ja so feiern. Schnörkellos, blutig und ein hoher Verschleiß von (zumeist dämlichen) Figuren sind schließlich die Markenzeichen. Matt Bettinelli-Olpin und Tyler Gillett wären auch schlecht beraten sich vom Erfolgsrezept zu lösen, versuchen aber einigen Figuren erstaunlich viel Charaktertiefe zu geben um eine emotional Bindung zum Zuschauer herstellen zu können. Man soll sich auf die Seite von Terra und Sam schlagen während der Rest die bekannten Spähne sind, welche beim Hobeln anfallen.

Auch die vier "Alten" kommen viel Backround und Tiefe. Doch werden alle Sympathieträger auch überleben? Jeder der die bisherigen Teile kennt weiß wie es letztendlich kommt.

 

Man kann aber während des Films anhand des Ausschlussverfahrens den Kreis möglicher Täter eingrenzen, sofern die Aufmerksamkeit auf Details hoch ist. Sicherlich gelingen nicht alle Ideen des Drehbuchs und gelegentlich scheinen die offensichtlichen Logikfehler einfach zu prägnant, aber insgesamt fühlt sich "Scream 5" richtig gut an und besitzt ein hohes Unterhaltungslevel.

Woodsboro, eine amerikanische Kleinstadt,  ist erneut Schauplatz des Massakers und im Finale kommt es zum Wiedersehen mit einem bestimmten Haus.

Die genretypische Kameraarbeit liefert Bilder mit Jumpscare-Charakter im optisch wertigen Look und dem Jahr 2022 angepasst. Man kann auch davon sprechen dass das Franchise erwachsen geworden ist ohne dabei seine Wurzeln zu vergessen oder erfolgreiche Aspekte über Bord zu werfen.

 

Insgesamt gibt es auf der technischen Seite wenig besonderes zu berichten, da weder Experimente noch verrückte Stilmittel zum Einsatz kommen. Sämtliche Kills machen einen handgemachten und wertigen Eindruck, nutzen literweise Kunstblut und bieten eine wunderbare Härte, wodurch niemand zur Aussage kommen wird, man habe die Reihe verweichlicht.

Eine simple Bildsprache mit kräftigen Farben und soliden Schnitten lassen keinen Zweifel daran was Teil 5 vor hat.

Aufgrund der Fülle an Figuren ist es ein Unding jeden einzelnen Charakter bis ins kleinste Detail zu beleuchten.

Im Kern geht es um Sam (Melissa Barrera) und Ihre Schwester Tara (Jenna Ortega), die beide das Hauptziel von Ghostface sind. Die Schwestern haben sich jahrelang nicht gesehen und es gab keinen Kontakt. Der Hintergrund dieser Ist-Situation wird nach und nach aufgedeckt womit einige düstere Geheimnisse ans Licht kommen.

Vergangenheitsbewältigung ist das zentrale (Figuren)thema weshalb auch Gale (Courteney Cox) und Sidney (Neve Campbell) zurückkehren müssen obwohl beide ein neues Leben begonnen und mit Woodboro abgeschlossen haben.

 

Beim umfangreichen Cast gibt es keinen der einen großen Ausreißer, egal ob nach oben oder unten, liefert weshalb man die gezeigten Leistungen als grundsolide bezeichnen kann. Die vier Rückkehrer strahlen natürlich eine ganz andere Präsenz und Autorität aus als alle Neulinge. Dabei fehlt aber letztendlich der zentrale Held/die zentrale Heldin als großer Gegenspieler des Mörders. Das haben die bisherigen "Scream"-Filme deutlich besser gemacht und den Fokus hier anders gelegt. Dafür gibt es wieder viel Albernheit und die Regisseure scheinen sich über viele eigene inszenatorische Tricks bewusst lustig zu machen.

Wes Craven's Erben gelingt ein herausragender Slasher, der ein höheres Gewaltniveau aufweist und ein klein bisschen auf die Meta-Welt setzt.

 

 

Fazit: Nach dem Tod von Wes Craven ist es seinen Regiekollegen Matt Bettinelli-Olpin und Tyler Gillett eindrucksvoll gelungen das angestaubte "Scream"-Franchise und Ghostface mit neuem Leben zu erfüllen. Mit modernen Elementen aufgewertet funktioniert das altbekannte System hervorragend.

 

Bewertung:

Genre: 8 von 10 Punkten

Gesamt: 8 von 10 Punkten

 

 

Spencer (Biografie/Drama)

 

Diana (Kristen Stewart), Prinzessin von Wales, ehemals Diana Spencer, ist Anfang der 1990er-Jahre nicht mehr glücklich – weder an der Seite von ihrem Gatten Prinz Charles (Jack Farthing), noch mit ihrer Berühmtheit und ihrer festgefahrenen Rolle im englischen Königshaus. Also fasst sie die Entscheidung, dass sie etwas unternehmen muss, um schnellstmöglich aus ihrem goldenen Käfig auszubrechen. Nur wenn sie die Ehe zu dem britischen Thronfolger beendet und den Mut fasst, einen eigenen Wegen zu gehen, hat sie die eine Chance, ihr Leben eigenmächtig zu verändern, anstatt fremdbestimmt einem durchstrukturierten Pfad zu folgen. Während der drei Weihnachtsfeiertage auf dem königlichen Sandringham-Anwesen in Norfolk ringt sich die junge Frau durch, ihr royales Dasein endgültig abzulegen, auch wenn das weitreichende Konsequenzen nach sich zieht..

 

 

Für viele Briten ist Lady Diana die Königin der Herzen und hat aufgrund Ihres tragischen Unfalltodes im August 1997 einen besonderen Status auf der Insel und weltweit. Der von Elton John extra für die Beerdigung umgeschriebene Song "Candle in the Wind" ist bis heute die meistverkaufteste Single weltweit. Dokus über das Leben der Princess of Wales gibt es mittlerweile wie Sand am Meer weshalb ein sehr persönliches Filmdrama lange überfällig war. Nach Ihrer ausgezeichneten Performence in "Seberg" schlüpft "Twilight"-Star Kristen Stewart in die Rolle von Lady Diana und liefert eine oscarreife Leistung ab.

Die Handlung von Pablo Larrain's Drama setzt am Heiligabend des Jahres 1991 ein und wird das Weihnachtsfest der Royals über 3 Tage auf dem Landsitz in Norfolk zeigen.

 

Dabei befindet sich die Ehe von Prinz Charles und Diana Spencer schon in einer tiefen Krise und die junge Mutter versucht vehement aus dem Korsett der königlichen Etikette auszubrechen. So ist eine der ersten Szenen die Autofahrt von Diana zum Anwesen, bei der Sie sich verfährt um in einem Schnellimbiss mit Ihrer schüchternen Art nach dem richtigen Weg zu fragen. Obwohl jeder Gast die Prinzessin erkennt verhält diese sich ruhig und die Aktion scheint sogar Peinlichkeiten zu erzeugen. Allein diese unscheinbar anmutende Szene zeigt bereits den wahren Charakter von Diana und Stewart spielt diesen Moment mit viel Feingefühl. Es wird recht schnell deutlich welch herzzerreissende Dramatik sich anbahnt und wie sehr die Prinzessin unter der erdrückenden Macht der Königsfamilie leidet.

 

Obwohl das königliche Sandringham-Anwesen hell erleuchtet sowie prunkvoll ausgestattet ist versprühen die alten Mauern eine emotionale Kälte und werden augenscheinlich bewusst kaum beheizt. Diana beschwert sich mehrmals über die vorherrschende Kühle und fragt zunehmend ironisch wieso man die Heizung nicht höher drehen kann. Wie so vieles handelt es sich hierbei um langjährige Traditionen, zu denen auch das Wiegen beim Eintreffen gehört (jedes Familienmitglied soll auf die drei Tage 3 Pfund zunehmen damit es schöne Weihnachten waren). Mit penetranter Genauigkeit sind sämtliche Abläufe durchgetaktet, die Kleider ausgewählt worden und die Dienerschaft meldet jeden noch so kleinen Verstoß oder falsches Wort nach oben weiter.

 

Neben der leblosen Kullisse ist es die verdammt brutal zur Schau gestellte Abneigung der Queen gebenüber Diana mit der das Drama das Publikum schockiert. Das britische Königshaus sorgt immer wieder für Skandale und ungeliebte Mitglieder werden auch heute noch gnadenlos an den Pranger gestellt und öffentlich niedergemacht. Das Charles seine Frau gar nicht liebt hat sein berühmter Satz nach der Hochzeit ("Whatever in Love means") schon deutlich gemacht, da sein Herz Camilla gehört, der er den gleichen Schmuck wie Diana schenkt. Auch darauf geht das Drama immer wieder ein und während die Prinzessin Ihren Mann zur Rede stellen will meint dieser sinngemäß nur "Sie müsse endlich lernen das jeder Mensch 2x existiert: 1x in der Öffentlichkeit und 1x privat"

Fassaden aufbauen und nach außen hin eine heile Welt vorspielen scheint das Mittel der Wahl zu sein, weshalb "Spencer" einer der wenigen Filme ist, der ein authentisches Bild auf Diana und die Royals wirft.

 

Kristen Stewart sieht man die allermeiste Zeit allein durch die Gänge schlendern, stets mit einer erschreckenden Leere in den Augen und richtig frei und glücklich kann Sie nur in Gegenwart von Harry und William oder der Lieblingszoffe Maggie sein. Das sind auch die einzigen Momente wo Diana Lachen kann, während Sie sich ansonsten immer weiter in eine Fantasiewelt flüchtet um dort die Anne Boleyn zu treffen (über die Sie gerade ein Buch liest). Kein Wunder also das im Schloss spekuliert wird, die Princess of Wales werde langsam verrückt.

Man nimmt Ihr Maggie weg, lässt die Vorhänge zunähen und nicht mal der Besuch des Ortes wo Sie aufgewachsen ist wird Diana gewährt.

Essen kann Diana nur allein, da jeder Löffel Suppe in Gegenwart der Familie danach konsequent herausgewürgt wird.

 

Mit ruhiger Kamera gefilmt begleitet der Zuschauer die Prinzessin auf Schritt und Tritt, ist dabei quasi ein stiller Begleiter und erlebt das Leiden hautnah. Viele kleine Momente, die aus Spoilergründen nicht erwähnt werden, verdeutlichen dies mit Ausdruck und zeigen dabei wie stark Stewart hier wirklich spielt. Die schier übergrößen Fussstapfen der Rolle bzw. der Person hätte wohl keine andere Darstellerin so überzeugend ausfüllen können, zumal allein schon die optische Ähnlichkeit erstaunlich scheint. Man muss kein Kenner der Royals sein um hier mitfühlen zu können und man muss auch nicht jede Doku über Diana gesehen haben um festzustellen wie realitätsnah Stewart die Prinzessin verkörpert.

Untermauert werden die durchweg traurigen und bewegenden Momente mit einem pianolastigen Soundtrack, der ebenso gefühlvoll wie emotional komponiert wurde.

 

 

Fazit: Pablo Larrain gelingt ein berührendes, emotionales und authentisches Drama über Lady Diana und deren unglückliches Leben innerhalb der königlichen Familie. Kristen Stewart kann sich im Vergleich zu "Seberg" nochmals deutlich steigern und liefert die wohl beste Leistung Ihrer Karriere ab.

 

Bewertung:

Genre: 9 von 10 Punkten

Gesamt: 9 von 10 Punkten

 

Licorice Pizza (Romanze/Drama)

 

Wir schreiben das Jahr 1973: Als der 15-jährige Gary Valentine (Cooper Hoffman) die Foto-Assistentin Alana Kane (Alana Haim) erblickt, ist es um ihn geschehen. Obwohl sie zehn Jahre älter ist, überredet der selbstbewusste Teenager sie zum Abendessen in seinem Stammrestaurant. Bezahlen ist für ihn kein Problem, denn Gary ist sowohl Kinderdarsteller als auch angehender Entrepreneur, der bereits seine eigene PR-Firma gegründet hat. Alana und Gary freunden sich daraufhin immer enger miteinander an, gründen ein gemeinsames Wasserbett-Geschäft und können fortan nicht mehr ohneeinander. Doch das aufregende Leben im San Fernado Valley folgt eigenen Gesetzen...

 

Wer denkt das der neue Film von Paul Thomas Anderson, der auf den etwas skurrilen Namen "Licorice Pizza" (auf deutsch etwa Lakritz Pizza) hört, etwas mit dem bekannten italienischen Gericht zu tun hat wird schnell feststellen das der Titel nicht wörtlich genommen werden sollte.

Denn die beliebte Teigscheibe mit Tomatenmark und Käse kommt kein einziges mal in den 134 Minuten vor oder findet eine Erwähnung.

Vielmehr soll der Filmtitel eine Anspielung auf das verrückte bzw. aufregende Leben in LA der 70er Jahre sein, zumal wohl auch niemand so abgedreht ist und eine Pizza mit Lakritz belegen würde. Also den Titel einfach ignorieren und Anderson's grandioses Werk als solches genießen.

 

Dieses entpuppt sich als herausragend inszeniertes, gefilmtes und vorallem gespieltes Coming-of-Age Liebesdrama mit reichlich schrägem Humor und punktgenau zündender Situationskomik. Bereits mit der ersten Sekunde wird das Publikum zurück in die wilden 70er Jahre katapulltiert und spürt die besondere Atmosphäre mitsamt dem dazugehörigen Lebensgefühl. Zwar mag einem das Handlungstempo anfangs recht wirr und unstimmig vorkommen, aber genau dieser Stil macht den Reiz von "Licorice Pizza" am Ende aus. Obwohl die Handlung mit ihren vielen Neuerungen gewissermaßen rasend vorüber läuft gelingt es Anderson mit seinen besonderen Bildern eine entschleunigte Wirkung auszulösen. Ähnlich hat dies Tarantino bereits bei seinem letzten Film "Once Upon A Time in Hollywood" gemacht, der von vielen Fans und Kritikern gefeiert worden ist.

 

Wer also den Tarantino-Film mochte wird auf jeden Fall mit dem Anderson-Werk verdammt glücklich sein. Neben dem einprägsamen Feeling gelingt es dem Regisseur/Drehbuchautor noch das ein oder andere gesellschaftliche Thema einzubauen. Neben der Öl-Krise, dem Vietnamkrieg ist die offen kommunizierte Sexualität der Gesellschaft, die gerade was bekannte Persönlichkeiten betrifft, kaum Tabuthemen kennt. Der von Bradley Cooper gespielte Jon Peters ist stets auf neue Frauen aus und auch Gary genießt es von zahlreichen Damen umworben zu werden. Einzig die nichtöffentliche Homosexualität des Stadtrats gilt als gesellschaftlich verpönnt, was Anderson aber sehr authentisch und mit Feingefühl inszeniert. Dazu gehören auch "Spione" der politischen Konkurrenz bzw. Reporter, welche unbedingt die privaten Geheimnisse bekannter Politiker ans Tageslicht zu bringen.

 

Im Mittelpunkt steht jedoch die spezielle Beziehung von Gary und Alana, wobei aus einer anfänglichen Bekanntschaft über die Zeit deutlich mehr wird. Es gibt zahlreiche Momente wo man den beiden Hauptfiguren einfach nur zurufen möchte "jetzt küsst euch doch endlich" während die Situationen jedes mal aufs neue verstreichen. Dass sich beide lieben merkt der Zuschauer immer dann, wenn der jeweils andere mit neuem Partner/neuer Partnerin im gleichen Raum bzw. Restaurant zugegen ist. Diese eindeutig eifersüchtigen Momente versprühen jedoch keinen dramatischen sondern vielmehr einen urkomischen Eindruck, was auch an den herausragenden Schauspielern liegt.

 

Sowohl Alana Haim wie auch Cooper Hoffman interpretieren Ihre Rollen mit voller Leidenschaft, Hingabe und Überzeugung wodurch diese die bereits durchs Drehbuch herausragend gezeichneten Figuren noch eine Stufe mehr Charisma erhalten. So richtig charakteresieren kann man Alana und Gary nicht, da beide Figuren sehr vielschichtige Eigenschaften besitzen und nie wirklich eindeutig erkennbar ist was eher Fassade und was Realität ist. Gary ist dabei zweifelsohne als maximal selbstbewusster (manchmal auch zu selbstbewusst) Teenager mit ausgeprägtem Geschäftssinn dargestellt, der hier und da mit zu viel Testosteron ausgestattet ist. Mit seiner Art sowie dem Umgang mit teils jüngeren Kindern eckt er regelmäßig bei der 10 Jahre älteren Alana an, die nicht so recht mit dem Tatendrang Ihres "Freundes" klarzukommen scheint. Zudem ist die junge Frau auf der Suche nach einem Sinn im Leben, weshalb Sie sich immer wieder von Gary abkapselt um Ihr eigenes Ding zu machen.

 

Das diese auf den ersten Blick sonderbare Beziehung einerseits toxisch aber auch verdammt herzlich und emotional sein kann muss man Anderson und seiner Detailverliebtheit anrechnen, dank dieser der Unterhaltungswert stets hoch ist. Dazu trägt ebenfalls Kameramann Sherman Kunkel bei, der sein Arbeitsgerät nicht nur aus verschiedenen Blickwinkeln das Geschehen filmen lässt, sondern teilweise auch mit tollen Bewegungen versieht. Beispielsweise schwenkt das Bild bei einer Diskussion der beiden Hauptfiguren regelmäßig auf die aktuell sprechende Person. Wäre man real dabei gewesen, man hätte mit seinem Kopf die gleiche Bewegung gemacht.

 

Sicherlich muss man als Zuschauer mit dieser nicht alltäglichen Art einer Inszenierung klarkommen, da es einem sonst langweilig oder öde erscheint. Doch da Anderson's schräger Humor mit teils verdammt zweideutigen Dialogen immer punktgenau funktioniert darf man zweifelsohne von einem Filmhighlight 2022 sprechen, das auf jeden Fall eine Chance bei den Oscars haben wird. Außerdem gibt es mit Alana Haim die Schauspielentdeckung des bisher kurzen Jahres und der von Jonny Greenwood komponierte Soundtrack ist neben der Filmmusik von "Sing 2" das bisher Beste was 2022 in diesem Bereich zu bieten hat.

 

Fazit: Paul Thomas Anderson zeigt wie großes und zugleich leichtes Kino geht; Seine Coming-of-Age-Liebesgeschichte ist frisch, frei und verdammt gut gespielt sowie inszeniert. Wirklich jede Situationskomik funktioniert punktgenau während sich der schräge Humor wie ein roter Faden durch "Licorice Pizza" zieht.

 

Bewertung:

Genre: 9 von 10 Punkten

Gesamt: 9 von 10 Punkten

 

In Liebe lassen (Drama)

 

Benjamin (Benoit Magimel) ist erst 39 Jahre alt und schwer an Krebs erkannt. Nach den Aussagen der Mediziner*innen, die ihn behandeln, bleibt ihm noch ein gutes Jahr, bevor er sterben wird. Seine Mutter Crystal (Catherine Deneuve) leidet schwer unter dem bevorstehenden Tod ihres Sohnes. Dr. Eddé (Gabriel Sara) und die Krankenschwester Eugénie (Cécile de France) begleiten Mutter und Kind voller Hingabe auf ihrem Weg, das Unausweichliche zu akzeptieren. Dabei stehen Benjamin und Crystal zwar eine schwere Zeit bevor, allerdings erinnern sie sich auch gegenseitig daran, wie schön die gemeinsam Zeit war, die sie zusammen verbringen konnten.

 

Viele dramatisch angehauchte Dramen mit Krankeiten im Zentrum (zumeist) Krebs neigen dazu mit allzu klischeehaften Momenten das Sterben in einem wenig realistischen Rahmen darzustellen. In der Regel schreitet die totbringende Erkrankung rasch voran und das eigentlich schlimme daran wird entweder ganz außen vor gelassen oder nur ganz kurz angedeutet. Es macht sich natürlich ganz gut auf der Leinwand wenn die sterbende Person einen letzten Wunsch äußert oder eine vielsagende Aussage trifft um danach unmittelbar ins Jenseits zu wandern.

Einen völlig anderen, aber durchweg konsequenten Weg geht Emmanuelle Bercot in Ihrem neuen Werk "In Liebe lassen" wobei Sie den Weg in den Tod nicht nur in Kapiteln (nach den Jahreszeiten benannt) sondern als eine Art Chronik inszeniert.

 

Dabei wird der Zuschauer vollumfänglich über jede kleinste Veränderung des Gesundheitszustandes von Benjamin aufmerksam gemacht, während seine Mutter der Wahrheit lange Zeit nicht ins Auge blicken will und es Ihr ein Dorn im Auge ist zuzusehen wie der geliebte Sohn für immer Abschied nimmt.

Bercot reißt Ihr Publikum aus der bekannten (und vielfach bequemen) Komfortzone und lässt den Tod damit fast schon zu perfekt aussehen, ohne dabei aber den Zenit zu überschreiten.

Für jemanden wie mich der eine ähnliche Situation am eigenen Leibe schon durchmachen musste fühlt sich das Drama wie ein Flashback an und bereits verdrängte Erinnerungen kommen wieder hoch.

 

Daher stellt "In Liebe lassen" für praktisch jeden mit eigenen Krebserfahrungen einen Stich ins Herz dar und ist dabei dennoch ein Werk das Hoffnung machen kann.

Schließlich bekommt man neben reichlich und erdrückendem Herzschmerz noch eine völlig andere Seite der Medallie zu sehen: Menschlichkeit

Gerade die von Dr. Edde und seinem Team gezeigte Hingabe und Liebe den Patienten gegenüber ist einfach nur rührend. Sicherlich lässt sich hierrüber streiten ob dies flächendeckend genauso der Fall ist, aber sieht man mal von der Machbarkeitsstudio ab, so stellt sich hier der Idealfall dar. Genau so müssen Krebspatienten in Ihren letzten Wochen, Tagen und Stunden umsorgt werden damit der Abschied würdevoll und friedlich vonstatten gehen kann.

 

Somit zeigen die herausragenden Bilder u.a. regelmäßige Tanzeinlagen, Musiker in den Zimmern und ein stets freundliches sowie hilfsbereites Personal, dass augenscheinlich angewiesen ist jedem Sterbenskranken so viel Zeit wie nötig zu geben um etwa über Ängste oder Nöte zu sprechen. Daneben hält Edde wöchentliche Meetings ab in denen die Pfleger von Ihren Erfahrungen der letzten Tage berichten um darüber zu reden. Mit solch kleinen und wiederkehrenden Details sorgt die französische Regisseurin für eindringliche und teilweise heitere Momente in einer sonst tragisch-traurigen Handlung bei der in meinem Fall der gesamte Kinosaal (auch alle Männer) Tränen in den Augen hatten und seelisch einfach nur durch waren.

Die ruhige und stets respektvolle Kamera ist durchweg ganz nah an Benjamin und allen anderen Figuren. Unzählige Male laufen sehr lange Takes über die Leinwand in denen man ausschließlich einzelne Gesichter sieht.

 

Reichlich Feingefühl bei der Inszenierung ist neben der klischeefreien Story die größte Stärke von "In Liebe lassen" womit ich nach Sichtung des Trailers nicht gerechnet habe. Es zeigt sich immer wieder wie authentisch ein so heikles und ungern angesprochenes Thema wie "Krebs" auf der Kinoleinwand funktionieren kann, wenn alles stimmt und der/die Filmemacher(in) mutig genug ist auch mal schonungslose Bilder zu zeigen, von denen Bercot's Drama einige im Köcher hat.

Neben der fortschreitenden Krankheit mit keinerlei Heilungsoptionen sind es die perfekt eingegliederten Nebenstränge weshalb man diesen Film unter der Rubrik "Meisterwerk" einordnen kann.

Da wäre zum einen die besondere Mutter-Sohn-Beziehung mit einer langen Phase der Wandlung oder auch die in der zweiten Filmhälfte eingebaute Sache mit Benjamin's Sohn aus einer früheren Beziehung, der in Australien lebt und seinen Vater nicht kennt.

 

Gerade dieser Part und wie der Junge mit sich zu kämpfen hat gelingt der Regisseurin besonders überzeugend sowie ausdrucksstark. Den inneren Konflikt von Leandre nimmt man Ihm in jeder Zehntelsekunde voll ab.

Darüber hinaus zeichnet Bercot auch eine absolut innige und fast freundschaftliche Arzt-Patient-Beziehung wodurch Dr. Edde eine absolut sympathische sowie empathische Figur ist. Solch einen ehrlichen und hingebungsvollen Doktor wünscht sich wohl jeder, egal wie groß die Verletzung/Krankheit ist.

Schauspielerisch liefern alle Akteure bishin zur kleinen Nebenrolle perfekte Arbeit ab. Nicht nur das sämtliche Charaktere exzellent besetzt wurden überzeugt sondern auch wie die Figuren an sich gezeichnet und angelegt sind.

Selbst die vielen Schauspielschüler, die von Benjamin unterrichtet werden, sind nicht nur notwendiges Beiwerk sondern bestens ins Geschehen eingebunden.

 

Ob Zufall oder nicht müssen die jungen Menschen bei jeder Probe eine andere Abschiedsszene üben und dabei aus sich heraus kommen damit die eigentlich gespielten Gefühle sich nicht nur beim Publikum sondern auch den Darstellern echt anfühlen. Möchte sich Benjamin hier Inspirationen für seinen eigenen Abschied aus diesem Leben holen? So genau beantwortet der Film diese Frage nicht. Neben Gabriel Sara (Dr. Edde) ist es allen voran Benoit Magimel der "In Liebe lassen" seinen Stempel aufdrückt. Allein wie er den körperlichen und seelischen Verfall seiner Figur auf die Leinwand bringt ist zweifelsohne herausragend und in meinen Augen die bisher beste Performence in einen Drama über Krebs. Der einst einsame und verbitterte Schauspiellehrer entdeckt in seinen letzten Tagen das sein Leben nicht so sinnlos war wie er einst meinte.

Hinzu gesellt sich noch eine absolut tragische Liebe und sein wohl größter Akt in Sachen Fehler eingestehen: Die Anerkennung seines Sohnes und dessen Stellung in seinem Testament.

 

Gerade weil Bercot's Film so ruhig und tempoarm agiert können die Schauspieler bzw. Figuren Ihre vollen Züge ausspielen, auch deshalb weil als Hauptkullisse das modern eingerichtete Krankenhaus dient. Gelegentlich wechselt die Handlung in die Schauspielschule wobei hier stets der selbe Raum zu sehen ist. Diese Schlichtheit lenkt die Aufmerksamkeit vollends auf die emotional-berührende Handlung und lässt keine Ausreden zu, man würde in irgendeiner Form von etwas abgelenkt.

Hinzu gesellt sich ein leiser und für die Atmosphäre bestens geeigneter Soundtrack mit viel Piano oder Violine als Hauptinstrument. Da viele Momente jedoch nicht durch den unnötigen Einsatz von Musik zerstört werden ist die hier gewählte Dosis optimal. Mein persönliches Highlight war die im Abspann zu hörende Version "Voyage Voyage" von Soap&Skin.

 

 

Fazit: Dieser verdammte Krebs und seine Unheilbarkeit; Emmanuelle Bercot's Drama ist ein mitreißend emotionaler, tieftrauriger und an die Nieren gehender Film über einen jungen Mann auf seinen letzten Metern und die damit verbundenen Leiden und Erinnerungen. Trotzdem ist "In Liebe lassen" aber auch ein Werk voller Menschlichkeit, Zuneigung und der Gewissheit das jedes Leben etwas Besonderes ist.

 

Bewertung:

Genre: 9 von 10 Punkten

Gesamt: 10 von 10 Punkten