Filme aus dem Februar 2022

Uncharted (Abenteuer/Action)

Kurzkritik

 

Der Waisenjunge Nathan Drake (Tom Holland) hat sich schon seit frühester Kindheit für Schatzsuche begeistert. Als er als junger Erwachsener auf den erfahrenen Abenteurer Victor Sullivan (Mark Wahlberg) trifft, wird aus den einstigen Tagträumen Realität. Gemeinsam wollen die beiden den riesigen Goldschatz des berühmten Entdeckers Ferdinand Magellan bergen, der seit 500 Jahren irgendwo auf der Welt verborgen liegt. Dafür müssen sie jedoch mit der schlagfertigen und undurchsichtigen Chloe Frazer (Sophia Taylor Ali) zusammenarbeiten. Auch der skrupellose Moncada (Antonio Banderas), dessen Familie vor vielen Jahrhunderten im Besitz des Schatzes war, erhebt Anspruch auf die Beute. Um das Erbe Magellans in seinen Besitz zu bringen, ist ihm jedes Mittel recht. Es beginnt ein Wettlauf um das Gold: Nate und Sully müssen ihr Kombiniergeschick beweisen, um den Schatz vor dem Schurken zu erreichen.

 

2009 ging sein Stern mit "Zombieland" in Hollywood auf und findet mit "Uncharted" nun einen aktuellen Höhepunkt in der Karriere von Ruben Fleischer. Nach "Venom" ist die Videospielverfilmung (das mit einer Produktionszeit von etwa 14 Jahren fast eine Ewigkeit in der Pipeline verbracht hat) das zweite sehr teure Werk von Fleischer, das vorallem dank seines stark besetzten Casts am Ende etwas mehr als ein durchschnittliches Genrewerk darstellt.

An dieser Stelle möchte ich noch einwerfen die Spielvorlage nie gespielt zu haben und meine Kritik rein filmbezogen ausfallen wird. Welche Eastereggs, Anspielungen oder besondere Hinweise zum Videospiel eingebaut wurden entzieht sich dadurch meiner Kenntnis.

 

Zu Beginn nimmt sich Fleischer reichlich Zeit die beiden Protagonisten einzuführen, zusammenzubringen und charakterlich entsprechend offenkundig darzustellen bevor es auf die Schatzsuche um den halben Globus geht. Als Einleitung sieht man Nathan wie er aus einem Flugzeug stürzt bevor die Kamera einige Jahre in die Vergangenheit springt um dessen Kindheit als relevanten Baustein der Handlung zu etablieren. Gelungener Einstieg würde ich sagen zumal der Film eine alternative Kennenlerngeschichte erzählt.

Zugute kommt dem Ganzen die herausragende Harmonie von Wahlberg und Holland, die als ungleiches Schatzsucherduo nicht nur mit witzigen Sprüchen um sich werfen sondern von der gesamten Art toll zueinander passen. Jeder der Zweifel hatte das der "Spiderman"-Darsteller als Nathan die falsche Wahl war wird schnell eines Besseren belehrt.

 

Zusammen mit der selbstbewussten, ausdrucksstarken und präsenten Sophia Ali als Chloe ergibt sich eine Gruppe voller Individuen mit jeweils anderen Absichten und Hintergründen. Sicherlich fehlt es den Figuren allgemein etwas an Charaktertiefe und vielfach handelt es sich um sehr generische sowie oberflächige Protagonisten. Vieles kann der Cast wettmachen, wobei sowohl Wahlberg wie auch Banderas Ihren Stiefel runterspielen und zweiterer als Bösewicht merklich abfällt und kaum Möglichkeiten hat diese Rolle vollends authentisch darzustellen.

Da die Handlung mit zunehmender Dauer (besonders aber das letzte Drittel) inhaltlich und qualitativ abbaut fallen die Fehler im Drehbuch zusehens stärker auf.

 

Erwartungshaltungsmanagement lautet wie so oft das Zauberwort, weshalb jeder Spielefan oder Kinogänger vorab die eigenen Ansprüche nochmals prüfen muss. Logik, Realismus oder Bodenständigkeit sucht man ebenso vergebens wie das Einhalten der physikalischen Gesetzte sowie eine korrekte Darstellung der Historie. Das quasi sämtliche New York Szenen in Deutschland/Berlin gedreht wurden ist leider viel zu deutlich erkennbar und nimmt den Kullissen die Glaubwürdigkeit. Auch der gesamte Ablauf der Schnitzeljagd ist nicht sonderlich plausibel und wirkt zusehens generisch, vorhersehbar sowie dämlich. Schema 0815 ist an der Tagesordnung während ich mir schlichtweg etwas mehr Kreativität gewünscht habe. Vielleicht finden Kenner der Videospiele aber genau diese gezeigten Aspekte perfekt da sich die Macher ausschließlich an die Vorlage halten.

 

Immerhin kommt zu keinem Zeitpunkt Langeweile auf, da dass Tempo durchweg im oberen Drittel angesiedelt ist ohne den Zuschauer durch die Handlung zu hetzen. Somit kommen auch Nicht-Kenner der Spiele auf Ihre Kosten, sieht man wie bereits erwähnt vom Finale ab. Hier treffen Indiana Jones und Fluch der Karibik aufeinander. Bei den zahlreihen Action- bzw. Kampfszenen setzt Fleischer erstaunlich wenig auf rasante Schnitte sondern lässt das Ganze ziemlich laufen was dem Film insgesamt sehr gut tut. Auf der anderen Seite lässt die anfangs noch gute Qualität der Effekte zum Ende hin spürbar nach und es stellt sich die Frage ob etwa das Geld ausgegegange sei.

Hier mehr Liebe und Bodenständigkeit auf Seiten des Drehbuchs/Regie und "Uncharted" wäre wohl eine der besten Videospielverfilmungen ever

 

Fazit: Endlich ist sie da, die Videospielverfilmung von "Uncharted" mit der Ruben Fleischer seine zweite High-Budget-Produktion liefert. Nach gutem Start und Mittelffeld baut die Handlung zum Finale merklich ab während der tolle Cast um Tom Holland, Mark Wahlberg und Sophia Ali durchweg Spaß macht.

 

Bewertung:

Genre: 6.5 von 10 Punkten

Gesamt: 6 von 10 Punkten

 

Belfast (Drama)

 

Buddy (Jude Hill) wächst gemeinsam mit seinem älteren Bruder Will (Lewis McAskie) als Protestant im Belfast der späten 1960er-Jahre auf. Ihre Eltern, die im Film einfach nur Ma (Caitriona Balfe) und Pa (Jamie Dornan) genannt werden, sowie seine Großeltern, die ebenfalls mit den Bezeichnungen Granny (Judi Dench) und Pop (Ciarán Hinds) auskommen müssen, tun dabei alles, um die Jungen durch die bürgerkriegsähnlichen Auswüchse des Nordirlandkonflikts zu manövrieren. Kino und Theater werden zum Fluchtort in eine andere, friedlichere Welt, während die erste romantische Schwärmerei für eine Mitschülerin bei Buddy für ein noch größeres Durcheinander der Gefühle sorgt…

 

 

Nominiert für 7 Oscars ist der neue Film von Kenneth Branagh vorallem eines: Ein verdammt persönliches Werk über die Kindheit in einer Zeit als die nordirische Hauptstadt Belfast von gesellschaftspolitischen Unruhen heimgesucht worden ist. Was kaum einer weiß, "Belfast" ist nur deshalb entstanden weil Branagh aufgrund der Corona-Pandemie keine Rollenangebote hatte und in seiner freien Zeit offenbar viel nachdenken konnte über seine Vergangenheit bzw. Kindheit in Belfast. Daher darf man durchaus unterstellen dass das durchweg in satten schwarz-weiß Bildern gedrehte Werk autobiografische Züge aufweist und Buddy zum größten Teil eine Kopie des Regisseurs darstellt.

 

Dabei beginnt der Oscar-Kandidat mit heiterer Musik und einem Flug über das heutige Belfast (in Farbbildern) um an einer Mauer anzuhalten während das Geschehen  ins Jahr 1969 wechselt. Dort spielt der neunjährige Buddy in seiner Straße und alles sieht nach einer glücklichen Kindheit ohne Streit aus.

Recht schnell macht Branagh deutlich das diese von einer auf der anderen Sekunde zu Ende ist als ein wütender Mobb von Protestanten gewaltsam die Häuser von Katholiken zerstört während der Junge inmitten der Wirren nicht versteht was gerade passiert.

Was macht ein solcher Aufstand mit jungen Menschen die gerade beginnen die Welt um sich zu verstehen und vieles mit einer natürlichen Naivität sehen?

 

Gerade dieses Gemisch aus verschiedenen Eindrücken, jenen von der Straße gepaart mit dem was die Eltern sagen und Bruchstücken aus Nachrichtensendungen, bringt der Regisseur authentisch und für das Publikum verständlich auf die Kinoleinwand. Es fällt leicht sich in Buddy hinein zu versetzen, zumal neben den politischen Unruhen noch eine spezielle Eigendynamik innerhalb der Familie auf das Kind einprasseln. Der Vater arbeitet in England und kommt nur alle 14 Tage nach Hause, die Schulden türmen sich und es wird offen darüber diskutiert auszuwandern. Zu allen Überfluss hat Buddy Schmetterlinge im Bauch da er sich in eine Mitschülerin verliebt hat, die er offenkundig später mal heiraten möchte.

Somit haben gerade die persönlichen Dialoge mit dem geliebten Großvater stets einen humorvollen Unterton durch diesen das Publikum zum Lachen animiert wird.

 

Ohnehin ist "Belfast" ein Film der trotz seiner tragischen und leider auch blutigen Hintergründe eine über weite Strecken positive Stimmung verbreitet und mit seiner feinfühlig inszenierten Coming-of-Age-Story überzeugen kann. Die wenigen wirklich düsteren bzw. negativen Momente sind kurz aber prägnant in Szene gesetzt und bilden stets einen wichtigen Wendepunkt innerhalb der Handlung. Diese spielt sich fast ausschließlich im Viertel/der Straße von Buddy ab wodurch ein gewisser Kammerspielcharakter entsteht. Nach kurzer Zeit sind sämtliche Kulissen bestens bekannt und die Beschränkheit der Settings ist keineswegs ein Problem, da sämtliche kleineren und größeren Konflikte von Belfast abgebildet werden.

Eben kompensiert auf einen Straßenzug.

 

Nebenbei zeigt der Film auch den Irrsinn der Fanatiker das eine Konfession besser sein soll als die andere während Buddy's Vater ein sehr toleranter Mensch ist und seinem Sohn erklärt das der Glaube keine Rolle spielen darf wen man liebt. Aber auch seine Mutter versucht dem Jungen alle wichtigen Eigenschaften beizubringen. Als sich Buddy etwa zu einem Überfall auf den Supermarkt überreden lässt und stolz seine Beute (ein biologisches Waschmittel) präsentiert zehrt Sie Ihn und eine Freundin quasi an den Ohren zurück um das Diebesgut dort abzulegen. Die anfangs erfolgreichen Versuche das finanzielle Loch vor den Kindern geheim zu halten sind irgendwann zum Scheitern verurteilt und es wird offen darüber gesprochen. Somit ist "Belfast" auch eine herausragende Charakterstudie und geprägt von tiefgründigen Figuren mit hoher Ausstrahlung sowie Charisma.

 

Diesen Effekt verstärken der von Kenneth Branagh exzellent zusammengestellte und eingesetzte Cast, bei dem wirklich jeder Darsteller seine Rolle authentisch auf die Leinwand bringt und dabei mit voller Überzeugung glänzen kann. Trotz schwarz-weiß Optik kommen die Gefühle, Ausdrücke und die Körpersprache genau so rüber wie es sich der Regisseur vorgestellt hat. Den Darstellern gelingt es die Balance der verschiedenen Genres (Historienfilm, Drama, Familiengeschichte, Coming-of-Age) mit viel Feingefühl zu einem gesamtheitlich sowie visuell beeindruckenden Werk zusammen zu führen.

Daneben kann "Belfast" mit einem vielschichtigen, stetig wechselnden Soundtrack das Publikum begeistern.

 

Fazit: Kenneth Branagh sorgt mit seinem sehr persönlichen Drama über seine eigene Kindheit für einen berührenden und nahbaren Film in toller schwarz-weiß Optik.

 

Bewertung:

Genre: 8.5 von 10 Punkten

Gesamt: 8 von 10 Punkten

 

Kimi (Thriller/Krimi)

 

Kimi ist – ähnlich wie Alexa oder Siri – ein fiktiver sprachaktivierter Assistent, der alles aufzeichnet, was seine Benutzer von sich geben, ob sie wollen oder nicht. Im Hintergrund werden die gesammelten Daten von einem zwielichtigen Konzern verwertet, für den auch die unter Agoraphobie leidende Angela Childs (Zoë Kravitz) in Seattle als Voice-Stream-Interpretin arbeitet. Als sie bei einer der von ihr ausgewerteten Aufnahmen einen Mord belauscht, ist die junge Frau zutiefst erschüttert. Sie meldet den Vorfall ihren Vorgesetzten, doch diese versuchen das Ganze unter den Teppich zukehren, anstatt die Behörden einzuschalten. Angela muss auf eigene Faust ermitteln und sich damit ihrer größten Angst stellen, indem sie sich aus ihrer Wohnung auf die Straßen der Stadt wagt, die aufgrund der COVID-19-Pandemie voller Demonstranten sind...

 

Millionen Menschen weltweit haben und nutzen Sie täglich, Sprachassistenten wie Siri oder Alexa. Es ist schon praktisch wenn man einfach per Sprachbefehl das Licht ein-und ausschalten oder Musik abspielen kann. Doch was passiert mit der riesigen Menge an Daten und wie viel von unseren teils sehr privaten oder intimen Gespräche zeichnen diese kleinen Geräte auf? Leider stellen sich viele Nutzer diese Frage entweder gar nicht oder wollen sich nicht ernsthaft damit beschäftigen. Auf der anderen Seite kritisieren immer mehr Menschen den Weg zum gläsernen Bürger, mitunter sogar durch Proteste.

Was in diesem Zusammenhang oftmals komplett unter den Teppich fällt ist die Tatsache wie den die Firmen hinter Siri oder Alexa damit umgehen sollte eines der Geräte mal ein Verbrechen wie Mord aufzeichnen. Vorallem wie gehen die vielen Voice-Stream-Mitarbeiter damit um falls Sie so etwas  mitbekommen?

 

Genau damit beschäftigt sich der neue Thriller von Oscar-Preisträger Steven Soderbergh, der trotz seiner am Ende leider recht dünnen Story mit einem positiven Eindruck im Kopf hängen bleibt. Im Zentrum steht die junge unter Agoraphobie stehende Mitarbeiterin Angela, die aufgrund eines tätlichen Angriffs vor Jahren täglich mehrere Pillen schlucken muss und kaum einen Fuß vor Ihre Wohnungstür setzt. Selbst so simple Dinge wie ein Arztbesuch (im Film gehts um einen schmerzenden Zahn) oder der Gang ins Restaurant ist quasi unmöglich. Die Affäre mit Ihrem Nachbarn fußt auf skurrilen Vorstellungen. Nach dem Sex beginnt Angela sofort damit das Bett abzuziehen und nutzt allgemein reichlich Desinfektionsmittel. Hinzu kommt nun die Corona-Pandemie samt Lockdown wodurch erste Versuche wieder ein normales Leben zu leben im Keim erstickt werden.

 

Dadurch scheint Ihr Job für die KIMI-Mutterfirma perfekt, da Angela alles von zuhause aus machen kann. Soweit zum Ist-Zustand von "Kimi", der nach etwa 20-25 Minuten Fahrt aufnimmt und dabei vergisst eine durchweg spannende Geschichte mit entscheidenden Twists zu erzählen. Was sich anfänglich wie ein mysteriöser Mord anhört entpuppt sich rasch als ein fast schon generisches Verbrechen, dass aufgrund der Zusammenhänge unter den Tisch gekehrt werden soll. Der Täter wird zügig klar benannt und aus dem Zwispalt in der sich der Techkonzern befindet macht Soderbergh erschreckend wenig. Fast schon zwangsläufig ergibt sich daraus eine vorhersehbare Handlung aus der man so viel mehr hätte herausholen können. Besonders den kritischen Umgang mit Sprachassistenten vermisst der Zuschauer schmerzlich, zumal alle Faktoren zusammenpassen würden.

 

Richtig spannend ist jedoch Angela's Charakter, deren Umgang mit der Situation sowie die rasante Jagd nach Ihr. Dank Zoe Kravitz bekommt die junge, und irgendwie auch bemitleidenswerte junge Frau, eine wahnsinnig authentische Aura und überwältigende Präsenz innerhalb des Geschehens. Hier spielt Soderbergh mit allerei kleineren und größeren visuellen Spielereien die besonderen Stärken von Kravitz' Leistung aus. Als Zuschauer kann man jede Situation der Figur nachvollziehen bzw. in diese hineinversetzen. Nebenbei sind es die vielen kleinen Anspielungen auf die Corona-Pandemie wie etwa das Maskentragen oder Proteste gegen den Lockdown, die "Kimi" eine tagesaktuelle Note verleihen.

Mittelpunkt der Handlung ist Seattle, was jedoch kaum Auswirkungen auf den weiteren Verlauf haben wird. Weder die Wohnung von Angela noch die vielen Straßenzüge oder sämtliche Gebäude haben langfristig bleibende Details in ihren Ausstattungen.

 

Nennenswert herausstellen möchte ich noch die teils klare Arbeit mit dem Ton. So wird es schlagartig leise sobald Angela Ihre Kopfhörer aufsetzt damit lediglich die Aufnahmen hörbar sind. Alle Hintergrund- bzw. Alltagsgeräusche werden ausgeblendet, der Fokus auf den Mitschnitt gelegt. Auch die finale Auflösung samt blutiger Wendung verdient es an dieser Stelle als Highlight aufgeführt zu werden. Niemals hätte man sich denken können zu was die junge Frau tatsächlich im Stande sein kann, sofern Sie aus sich heraus kommt. Hätte Soderbergh diese Kreativität nur auf seine Handlung übernommen, sein (Psycho)Thriller wäre ein wirklich prägendes Genrehighlight geworden.

 

Fazit: Der neue Thriller von Steven Soderbergh überzeugt mit vielerei visuellen Spielchen, seinen zahlreichen mehr oder weniger großen Corona-Anspielungen und mit seiner herausragenden Hauptdarstellerin Zoe Kravitz während das Skript äußerst dünn und generisch ausfällt.

 

Bewertung:

Genre: 6.5 von 10 Punkten

Gesamt: 6.5 von 10 Punkten

 

Moonfall (Sci-Fi/Action)

 

Eine mysteriöse Kraft reißt den Mond aus seiner Umlaufbahn und es bleibt nicht viel Zeit, um die Kollision von Erde und Mond zu verhindern. Während NASA-Offizierin Jo Fowler (Halle Berry) verzweifelt nach einem Ausweg sucht, hat ihr in Ungnade gefallener Ex-Kollege Brian Harper (Patrick Wilson) mit Familien-Problemen zu kämpfen. Als der Astro-Experte und Verschwörungstheoretiker K.C. Houseman (John Bradley) an Harper herantritt, wird dieser aber nicht nur auf die drohende Katastrophe aufmerksam, sondern sieht sich auch mit seiner Erfahrung aus einer früheren Weltraum-Mission bestätigt: Irgendwas stimmt ganz und gar nicht mit dem Mond – und das abgesehen davon, dass der Erdtrabant die Erde zu zerstören droht. Inzwischen regnet es auch schon riesige Mondbrocken auf die Erde und als Jo Fowler mit ihrem NASA-Team nicht mehr weiterkommt, holt sie kurzerhand Brian und K.C. ins Boot. Gemeinsam setzen sie die Puzzle-Stücke rund um das Mond-Mysterium zusammen und brechen zu einer waghalsigen Mission ins All auf, um den Untergang der Welt zu verhindern…

 

Nachdem sein letzter Film "Midway- Für die Freiheit" 2019 ein Ausflug in den zweiten Weltkrieg und eine der wohl bekanntesten Schlachten im Pazifik war, der weder beim Publikum noch an den Kinokassen besonders erfolgreich war, kehrt der deutsche Regisseur, Produzent und Drehbuchautor Roland Emmerich zu seinen Wurzeln zurück und liefert mit "Moonfall" wieder einen epochalen Katastrophen-Endzeit-Kracher ab. Dieser kommt qualitativ sowie inhaltlich zwar keineswegs an seine früheren Werke wie "2012" oder "The Day After Tomorrow" heran bietet dafür aber dennoch gewaltige Bilder die definitiv für die große Kinoleinwand gemacht sind. Stolze 150 Mio Dollar Budget  hat Emmerich zur Verfügung was in Corona-Zeiten zweifelsohne eine Riesensumme darstellt.

 

Wer seine bisherigen Werke kennt weiß natürlich das Zerstörung von Menschen, Gebäuden und Gegenständen in Verbindung mit gewaltigen Explosionen das Markenzeichen des "Master of Disaster" sind während es inhaltlich oftmals bedeutend weniger spektakulär zur Sache geht. Und genau das erwartet uns auch bei "Moonfall", dessen Handlung im Kern absolut generisch daher kommt und mit allzu bekannten Stilmitteln arbeitet. Wie so oft wollen/müssen die USA die Welt vor der Zerstörung retten; Wie eigentlich immer sieht das Militär nur einen Ausweg: Alles an Bomben abzufeuern was man hat; Un wie immer gibt es eine kleine Crew auf Selbstmordmission bei der sich einer heldenhaft und pathetisch opfert um die anderen Mitglieder sowie die Menschheit zu retten. Wer also seinen Fokus ausschließlich auf das von Emmerich so geliebte kaputtmachen von Allem legt fährt hier am Besten.

 

Sicherlich darf die Frage erlaubt sein warum es nicht möglich ist in diesem Genre auch mal mehr Wert auf den Inhalt zu legen, zumal die in "Moonfall" als Hauptcharaktere auserkorenen Figuren mit einer generischen Vorgeschichte behaftet sind. Einer gilt als Spinner, der andere wurde von der Nasa unschön abgesägt und die weibliche Figur ist alleinerziehend.

Immerhin kann man den Darstellern keinen großen Vorwurf machen sich hier nicht ins Zeug gelegt zu haben. Zwar liefern weder Halle Berry noch Patrick Wilson (einer von Emmerich's Lieblingsdarstellern) oscarreife Vorstellungen ab (was aufgrund der Vorlage aus dem Drehbuch ohnehin Lichtjahre entfernt wäre) aber dennoch sind beide bemüht das Beste herauszuholen.

Der eigentliche Star ist jedoch John Bradley als verrückter D.C. Houseman, der von allen nur belächelt und nicht ernst genommen wird obwohl er ein helles Köpfchen ist. Seine frische, leicht chaotische und allzu menschliche Art machen Ihn zum absoluten Sympathieträger und Liebling des Publikums. Was Michael Pena in "Moonfall" zu suchen hatte wissen wohl nur Emmerich und er selbst, da seine Screentime extrem beschränkt ist und er bis auf einen Moment keinerlei Einfluss aufs Geschehen hat. Auch ist seine Figur eher als Randcharakter angesiedelt, auf die man ohnehin kaum achtet.

 

Kein Wunder also das jeder kleinere wie größere Gag stets mit Houseman in Verbindung steht, was "Moonfall" definitiv gut tut. Ein Feuerwerk an witzigen Momenten sollte jedoch keiner erwarten, da Emmerich sein Pulver anderweitig verschießen wird. Um den Sturz des Mondes auf die Erde halbwegs plausibel erklären zu können versetzt der Deutsche seine Handlung einfach mit einer zugegeben wilden Theorie, das der Erdtrabant innen hohl sei und das Werk einer außerirdischen Spezies ist. Und nun kommt etwas anderes nichtmenschliches aus den Tiefen des All's und sorgt dafür, das sich die Umlaufbahn drastisch ändert. Logik ist hier genauso überflüssig wie sämtliche wissenschaftliche Erkenntnisse der letzten Jahrzehnte und selbst vor physikalischen Gesetzen macht Emmerich keinen Halt. Klar, irgendwie muss er seine Idee mit Details umschreiben und man sollte bei Katastrophenfilmen keine Geschichte mit absolut korrekten Infos erwarten, aber etwas mehr Realismus hätte dem Action-Kracher sicher gut getan.

 

Auch der kurze, kritische Ansatz der zur Aufklärung der Umstände beiträgt erscheint mehr als nettes Alibi anstatt es tatsächlich ernst zu meinen. Dabei würde diese Thematik so viel hergeben und gerade in unserer heutigen Zeit mit dem technischen Fortschritt und unserem Weg in eine Zukunft voller Abhängigkeiten von KI's einen aus filmischer Sicht erhobenen Zeigefinger darstellen, was Emmerich leider nicht ausnutzen kann oder will.

Zudem hätte es diesen entscheidenden Twist etwas früher geben müssen um eben diesen Part besser auserzählen zu können.

So quält sich das Publikum durch zunehmend albern wirkende und sichtlich dümmere sowie inhaltslose Dialoge über den richtigen Weg zur Rettung der Erde und warum nur das US-Militär mit seinen Bomben die Helden sein können. Hier hätte der Mann im Schnittraum deutlich besser aussortieren müssen wodurch auch die Laufzeit kürzer ausgefallen wäre. Man kann schon sagen das das Spektakel einen Tick zu langatmig daher kommt und sich immer wieder durch die ausufernden Gespräche der Figuren in Belanglosigkeiten verirrt.

 

Immerhin muss diesmal nicht Bruce Willis die Erde vor der Zerstörung retten und die Crew erhält unerwartete Hilfe. Rein technisch gesehen sieht man "Moonfall" sein riesiges Budget in den allermeisten Szenen schon an, da sowohl die Explosionen wie auch sämtliche CGI-Effekte authenisch wirken. Hinzu kommen tolle Weltraumbilder sowie bombastische Aufnahmen des über die Erdkruste kratzenden Mondes, der einfach nicht zerbrechen will obwohl es laut physikalischen Berechnungen längst der Fall sein sollte. Etwas billig bzw. wenig überzeugend kommen die Szenen mit riesigen Wasserwellen, Überschwemmungen rüber, gepaart mit allen Nahaufnahmen des außerirdischen Schwarms der den Mond infiziert hat. War etwa das Geld schon verbraucht als man sich diesen Szenen gewidmet hat oder gab man sich einfach so mit der Arbeit der beteiligten Mitarbeiter zufrieden? Eigentlich sollten 150 Mio Dollar ohne Probleme reichen einen optisch durchweg wertigen Sci-Fi Actionfilm abzuliefern, zumal es zahlreiche Beispiele gibt wie Regisseure es mit deutlich weniger Geld hinbekommen haben.

 

Inwiefern Werke aus dem Bereich Katastrophenfilme heutzutage noch Zuschauer ins Kino locken lässt sich schwer abschätzen (hinzu kommt natürlich der gefühlte Weltuntergang durch Corona) weshalb es im Bereich des möglichen ist, dass "Moonfall" an den Kinokassen böse aufschlagen wird. Eines möchte ich aber klarstellen; der Film ist für die Kinoleinwand gemacht und wirkt dort mit Abstand am Besten. Wer also bewusst auf die Veröffentlichung fürs Heimkino wartet wird nicht nur das spezielle Feeling verpassen sondern sorgt auch dafür das es solche Werke zukünftig noch seltener oder gar nicht mehr geben wird. Natürlich gibt es wie bereits erwähnt Regisseure die mit einem Bruchteil von Emmerich's finanziellen Möglichkeiten mindestens gleichwertiges Material liefern, aber allein der Name Roland Emmerich steht eben für ein besonderes Kinoerlebnis mit reichlich Action, viel Krach und massig Explosionen mit stets passendem Sound der ordentlich Wumms erzeugt im Saal.

Zwar wirken seine Filme nicht mehr so unbekümmerlich wie früher und laufen nach dem bekannten Schema F Hollywood's ab, aber "Moonfall" ist ein typischer Emmerich-Streifen bei dem man sich einfach zurücklehnen und das Gehirn ausschalten kann.

 

Fazit: Nach seinem eher mauen Ausflug in den Pazifikkrieg kehrt Roland Emmerich zum reinen Katastrophenfilm zurück und lässt den Mond auf die Erde fallen. Das 150 Mio Dollar Budget sieht man zwar nicht immer, aber dennoch wirkt der Kracher auf der Kinoleinwand recht gut. Die generische Story ist dabei maximal zweitrangig.

 

Bewertung:

Genre: 5 von 10 Punkten

Gesamt: 6 von 10 Punkten

 

The Sadness (Horror)

 

In Taiwan breitet sich eine aggressive Mutation des neuartigen Alvin-Virus aus, doch das Land ist gespalten, wie es mit der Pandemie umgehen soll. Während die Regierung den Ernst der Lage herunterspielt, müssen die Menschen auf den Straßen um ihr Leben kämpfen. Die Straßen werden mehr und mehr bevölkert von sadistischen, sexuell enthemmten Monstern, die die Stadt in ein regelrechtes Blutbad verwandeln. Mord, Folter, Vergewaltigung und andere Gewaltexzesse nehmen eine verstörende Eigendynamik an. Inmitten des grausamen Gemetzels setzt der junge Junzhe (Tzu-Chiang Wang) alles daran, seine Freundin Kai Ting (Regina Lei) zu finden, die er am Morgen noch am anderen Ende Taipehs zu ihrer Arbeit gebracht hat. Auf der Suche nacheinander müssen sie bis zum Äußersten gehen, um eine Chance auf das Überleben zu haben.

 

Vielfach wird das Langfilmdebüt von Robert Jabbaz als der "wohl brutalste Zombiefilm aller Zeiten" betitelt und tatsächlich wurde der Splatter aus Taiwan auf dem Fantasy Filmfest 2021 auch vom Publikum gefeiert. Im Kino läuft nun die ultrabrutale Uncut-Version während der Verleiher Capelight Pictures diese bei der FSK für die anstehende Veröffentlichung auf Bluray/DVD nicht durchbringen konnte. Stand heute hat "The Sadness" die Überprüfung für eine Freigabe ab 18 dreimal nicht bestanden. Wer dennoch in den vollen Genuss von Gemetzel, Gedärmen und heftiger Sexualgewalt kommen will muss sich den Zombiefilm im Kino seines Vertrauens ansehen.

 

Aber obacht! Ganz wichtig dabei ist das persönliche Erwartungshaltungsmanagement mit dem man den Kinosaal betritt. Wer bei "The Sadness" einen tiefsinnigen, handlungstechnisch ausgereiften und mit charakterlich umfassend auserzählten Film hofft wird definitiv maßlos enttäuscht die nächsten 110 Minuten verbringen. Denn eine wirklich umfangreiche Rahmenhandlung hat und will der Zombieschocker auch gar nicht erzählen. Wenn es mal kein Gemetzel gibt kommen regelmäßige Bruchstücke einer wenig aussagekräftigen Story zum Vorschein, die letztendlich nur die wenigsten interessieren dürften. Dafür fehlt es dem Ganzen an Bindungsperson und deren Charisma wodurch das Publikum mitfiebern kann. Exemplarischer Fixpunkt ist jedoch das junge Pärchen Junzhe und Kai Ting, um zuminderst wiederkehrende Elemente zu besitzen.

 

Jabbaz hätte auch zwei beliebig andere Personen auswählen können, da es quasi egal ist wer in "The Sadness" als Fokusfigur agieren soll. Es soll schließlich um eine ultrabrutale Gewaltorgie nach der anderen gehen, welche zudem handwerklich sehr stark umgesetzt werden und mit reichlich Kunstblut zu einem rotem Rausch führen. Wahrscheinlich hat das Team hierzu hektoliterweise von der blutfarbenen Flüssigkeit verwendet da einfach alles irgendwann nur noch rot erscheint. Ob es nun der brutalste Zombiefilm ever ist muss jeder für sich selbst beurteilen, da eine Vielzahl von heftigen Kills nur angedeutet werden und in der Fantasie des Publikums ablaufen sollen. Kopfkino der ekligen Art wenn man so will. Irgendwo ist das auch verständlich, ganz besonders bei sämtlichen Vergewaltigungsszenen, mit denen "The Sadness" nicht sparsam umgeht.

 

Will Robert Jabbaz hier einfach nur provozieren oder hat der Drehbuchautor/Regisseur sämtliche moralischen Bürden über Bord geworfen? Am Ende ist es wohl eine Mischung aus Beidem und allein mit dem Hintergrund eines mutierten Tollwutvirus wird deutlich dass es sich hierbei um einen Film handelt bei dem sich jemand einfach nur krass-absurde Gedanken gemacht hat wie eine solche Variante und deren Auswirkungen auf das limbische System des Menschen aussehen kann. Einige Momente sind aber dennoch hart an der Grenze zum Geschmacklosen und dürfen zartbeseiteten Zuschauern übel aufstoßen. Aber wird es solche Zuschauer überhaupt geben? Wohl kaum, da allein das hevorragend gestaltete und dennoch simple Filmplakat schon eindeutig die Richtung vorgibt was uns bei "The Sadness" erwarten wird.

 

Jabbaz hält sich auch nicht lange mit belanglosen Storytelling auf und lässt recht zügig die überraschend menschlichen Zombies los, die anders als genreüblich keine hirnlosen Menschenfresser sind sondern wirklich eine übersteigerte Form von Tollwut an den Tag legen. Eine solche Pandemie möchte wohl keiner erleben, zumal die Reizüberflutung mit ultrabrutaler Gewalt gerade in den ersten 2/3 des Films exorbitant hoch ist. Zum Ende hin scheint es dem ohnehin dünnen Drehbuch was kreative Handlung betrifft noch die Puste auszugehen, da nervige sowie dumme und unnötig langgezogene Dialoge zunehmen während die blutigen Kills massiv abbauen. Besonders ab dem Zeitpunkt auf der Geburtenstation verliert "The Sadness" gewaltig an Fahrt und Unterhaltungswert.

 

Ja, das Hauptzeil von Robert Jabbaz ist es sein Publikum zu unterhalten, wenngleich auf perfide-skurrile Weise mit einem Übermaß an eigentlich nicht zeigbarer Gewalt.

Aber wie gesagt, das wichtigste ist hierbei die eigene Erwartungshaltung an den Film und nicht immer das was man gerne sehen möchte.

Da weder die Rahmenhandlung noch sämtliche Figuren besonders spannend sind stellt sich nun die Frage nach den Darstellern. Diese müssen platt gesagt durchweg kein außergewöhnlich hohes Niveau an den Tag legen um den oberflächigen Charakteren Profil zu verleihen. Im Grunde bekommt man nur 2-3 Gesichtsausdrücke zu sehen, vielfach reicht es lautstark zu schreien oder ein fieses Lächeln auf den Lippen zu haben.

 

Was sich nun so negativ und erschreckend einfach anhört ist dabei nicht mal böse gemeint oder als gesonderte Kritik an den Schauspielfähigkeiten der Darsteller zu sehen, es ist im Anbetracht der Umstände einfach nicht mehr notwendig um bei "The Sadness" einen guten Job zu machen. Viele Verhaltensszenen ergeben sich ohnehin durch das Drehbuch, welches sich eigentlich immer den Großteil an genretypische Abläufe hält.

Für einen recht kleinen und unter normalen Umständen wenig bedeutsamen Film hat das Werk eine tolle Kamerarbeit mit handgemachten Goreeffekten zu bieten, während sich die Handlung vor typisch asiatischen Kullissen abspielt. Die Farben sind kräftig, sämtliche Bilder scharf und auch die Schnitte durchweg ordentlich gesetzt.

Musikalisch gesehen ist "The Sadness" der klassische Splatter mit zumeist auch härterem Sound aus dem Metalbereich. An 1-2 Stellen nutzt Jabbaz aber Melodien mit denen er für ein paar Sekunden eine besondere Wucht erzeugt die man so nicht erwarten konnte.

 

Fazit: Mit seinem Langfilmdebüt gelingt Robert Jabbaz zweifelsohne ein ultra-brutaler, blutiger und grausamer Zombiefilm, dessen Rahmenhandlung extrem dünn ausfällt. Handwerklich toll gemacht, mit Goreeffekten (handgemacht) und Hektoliterweise Kunstblut lautet das Zauberwort Erwartungshaltungsmanagement damit man "The Sadness" richtig einordnen und letztendlich genießen kann. Als Debüt zweifelsohne ein gelungener Start für Jabbaz

 

Bewertung:

Genre: .7.5 von 10 Punkten

Gesamt: 7 von 10 Punkten

 

Der Wolf - Theater des Todes (Slasher/Horror)

Ab 25.02.2022 auf Bluray, DVD und als Stream

 

Seit dem Unfalltod ihres Vaters leidet Schauspielstudentin Emma (Kiana Klysch) an einer buchstäblichen Bühnenangst. Am Vorabend zu Halloween tritt sie ihre letzte Schicht als Servicekraft im Theater an, nicht ahnend, dass ein irrer Mörder es auf sie und ihre Freunde abgesehen hat. In der Gestalt des Wolfs aus Grimms düsteren Märchen beginnt er ein tödliches Katz-und-Maus-Spiel mit Emma und ihren Freunden. Eingeschlossen und ohne Aussicht auf Hilfe kämpfen die sieben Angestellten verzweifelt darum, nicht so zu enden wie die sieben Geißlein.

 

Während viele Hollywood-Studios aufgrund von Corona Ihre Starts oft monatelang verschieben zieht das kleine deutsche Independent-Studio Ghost Pictures sein Programm recht konsequent durch. 2020 kam mit "Rapunzels Fluch" bereits ein von Märchen beeinflusster Mystery-Horrorfilm ins Heimkino und knapp 2 Jahre später legt Regisseur David Brückner sein nächstes Werk nach. Erneut spielt eine wichtige Figur aus den Grimm-Märchen die Titelrolle und auch dieses mal passieren schlimme Dinge in der heutigen Zeit. Ob es sich dabei um einen Dämon oder mysteriöses Wesen handelt lasse ich aus Spoilergründen mal offen da ich euch die Vorfreude auf diesen Independentfilm nicht nehmen will.

 

Sicherlich sollte niemand hier einen opulenten und mit Effekten zugepflasterten Film erwarten, was auch aufgrund des Budgets nicht machbar gewesen wäre. Dennoch überzeugen die handgemachten Kills, von denen es gleich zu Beginn 2 gibt, mit reichlich rumspritzenden Blut und authentisch aussehenden Verletzungen. Manche kostspieligere Streifen bekommen dies oftmals deutlich schlechter hin, weshalb es sich immer wieder zeigt dass Regisseure nicht immer mehrere Millionen Euro benötigen um ein optisch ansprechendes Ergebnis auf die Leinwand bzw. den Bildschirm zu bringen.

Auch beim Thema Storytelling setzt Brückner auf simple Abläufe und eine geradlinige Inszenierung ohne viel Schnick-Schnack.

 

Innerhalb der ersten 20-25 Minuten werden alle relevanten Figuren in die Handlung eingeführt und deren Aufgaben im Theater erläutert. Private Zusammenhänge bzw. Dinge aus der Vergangenheit finden ebenso Ihren Weg in "Der Wolf" wie die durchweg erklingende Filmmusik, die mir an 1-2 Stellen etwas zu dominant und generisch negativ aufgefallen ist. Ansonsten sorgen die typischen Horrorklänge für eine angespannte Atmosphäre und etwas Kribbeln beim schauen. Während die allermeisten Dialoge (oder Monologe) soweit dem Genre und den Hintergründen entsprechen gibt es hier und da mal Momente in denen die Figur(en) besser nichts oder weniger gesagt hätten, da es einfach des Guten zu viel ist.

 

Als es schon fast in Richtung Langeweile geht bekommt "Der Wolf" rechtzeitig die Kurve und legt mit ansprechenden Slasher- bzw. Horrormomenten erst so richtig los und lässt das Raubtier endlich ungehemmt auf die hilflosen Akteure los. Eingesperrt im örtlichen Theater, einen Tag vor Halloween und der Ankunft zahlreicher Pressevertreter sowie Influencern beginnt das reige Abschlachten der Figuren, dass augenscheinlich einer Logik oder eines Plans folgt. Passend zur spukhaften Deko (geschnitzte Kürbisse und Geisteraufkleber) scheint der Wolf diese Nacht extrem zu genießen. Übrigens erinnern die scharfen und tödlichen Krallen des Fabelwesens an jene Hand von Freddy Krueger aus der "Nightmare"-Reihe. Vielleicht hat der Kultkiller hier ja einen kleinen Sponsorenvertrag unterzeichnet damit sich das Publikum mal wieder an Ihn erinnert.

Blickt man allgemein auf den Wolf fällt sein schlichtes Outfit ins Auge, was aber zum Gesamtbild des Films hervorragend passt.

 

Wie bereits erwähnt liegt die große Filmkunst oft in der Einfachheit der Inszenierung, die hier geprägt ist durch eine sehr ruhige Kamera, hohem Bildschärfegrad, kräftigen Farben, sanften Übergängen und toller Ausleuchtung der Kullissen. Der Tatort "Theater" ist von seiner Ausstattung, Optik und Lage sicherlich das klassische Beispiel für eine Spielstätte dieser Art. Mit einem kurzen Auftritt zu Beginn und ganz am Ende darf der Regisseur selbst Teil seiner Handlung sein und baut mal mehr, mal weniger offensichtlich kleine Eastereggs ein, bei denen auf frühere Werke wie eben "Rapunzels Fluch" verwiesen wird (bzw. werden diese namentlich genannt).

Sind dann fast alle Figuren vom Wolf gerissen worden kann sich der aufmerksame Zuschauer mithilfe des Ausschlussverfahrens langsam die wahren Hintergründe zusammenreimen. Für mich persönlich kam die finale Auflösung mit angehängtem Twist einen Tick zu früh weshalb die Spannungskurve natürlich in den Keller rauscht.

 

Immerhin scheint es so als wollten die Drehbuchautoren am Ende noch eine Note Gesellschaftskritik einbauen und auf manch kranke Ideen und Auswüchse der Menschheit hinweisen. Dadurch wirkt "Der Wolf" erstaunlich gut in die heutige Zeit integriert und besitzt intelligente Ansätze.

Zum Abschluss beschwert Brückner seinem Publikum ein Feuerwerk an Slasherszenen und beim Abspann sollte man nicht auf die "Schließen"-Taste drücken, da der Horrorfilm mit Post-Credit-Szenen ein wunderbares Ende findet. Zwar wird hier kein weiterer Teil eines Franchises angekündigt, aber irgendwie fühlt sich das Publikum hierbei ein klein wenig wie in einem MCU-Blockbuster, bei denen man ja auch sitzen bleiben soll.

 

Neben den nicht immer sinnvollen Dialogen bleiben noch die etwas zu oberflächig geschriebenen Figuren auf der Seite der Kritikpunkte stehen. Zudem bedient sich das Drehbuch leider eine Spur zu sehr an Klischees wenn es um die Charakterisierung sämtlicher Figuren geht. Josie ist zickig, arrogant, hochnäsig und hatte mal was mit Schichtleiter Maik, während Dex und Jonas gerne Kiffen und auch so recht planlos rüber kommen. Auf der anderen Seite ist Emma eine zu zurückhaltende Schaupielstudentin mit Bühnenangst und zu Nina bekommt man als Info nur das Ihr Vater einst Schauspieler an diesem Theater war und nun mit dem Direktor im Streit liegt (und das obwohl man Haus an Haus wohnt). Die Aushilfe will etwas Geld verdienen und eine lesbische Lebensweise wird lediglich kurz angeteasert. Hierzu hätte ich mir mehr Tiefe gewünscht und eine bessere Ausarbeitung dieses Aspekts.

 

Recht witzig wirkt Nina's Annahme sie wäre mit einem Cuttermesser bestens bewaffnet um dem Wolf entgegen zu treten.

Schauspielerisch zeigt der Cast reichlich Herzblut, Hingabe und positive Ausstrahlung. Man spürt die eingebrachte Energie und den Spaß am Set und der Rolle. Hier wurde richtig gut gecastet und alle Figuren machen bis auf die genannten Mängel einen recht authentischen Gesamteindruck.

Kostüme und Make-up sind schlicht sowie unauffällig gehalten wodurch niemand besonders aus der Reihe tanzt oder in Schminke getaucht aussieht.

 

 

Fazit: Mit dem Nachfolger von "Rapunzels Fluch" bleibt Regisseur David Brückner in der Welt der Grimm-Märchen und lässt diesmal den bösen Wolf los. Sein Horror-Slasher ist blutig, besitzt eine angenehme Härte und eine lange Zeit knisternde Spannung.

 

Bewertung:

Genre: 7 von 10 Punkten

Gesamt: 7 von 10 Punkten

 

SAF (Drama)

 

Kamil (Erol Afsin) und Remziye (Saadet Aksoy) sind ein Ehepaar, das in einem Slum im Istanbuler Bezirk Fikirtepe lebt. Kamil, ein naiver Mann, beginnt auf der Baustelle des urbanen Transformationsprojekts im nächsten Viertel zu arbeiten. Die Anwohner der Nachbarschaft reagieren sehr reaktiv auf das Stadttransformationsprojekt. Die Reaktionen, die er in seiner Nachbarschaft sieht, und der zunehmende Druck bei der Arbeit machen Kamil zu einem anderen Mann. Kamils Erfahrungen treffen seine Frau Remziye am meisten. Wird es zu einem gutem Ende kommen oder fordern die Umstände letztendlich ihren Preis?

 

 

Man stelle sich mal vor das innerhalb kürzester Zeit ganze Straßenzüge quasi zwangsumgesiedelt werden um aus vielen kleinen Einfamilienhäusern riesige Wohnkomplexe zu bauen. Was in Deutschland so faktisch unmöglich ist passiert aktuell in zahlreichen Ländern weltweit, darunter auch in der Türkei. In einem Istanbuler Vorort soll der Schritt in die Moderne angegangen werden und einige wenige Bauherren wittern das große Geld und kaufen den Einwohnern reihenweise die Häuser ab, teils mit märchenhaften Versprechungen die sich vielfach als Betrug herausstellen. Hinzu kommt ein latenter und weitverbreiteter Rassismus gegenüber Ausländern, vorallem Menschen aus dem benachbarten Syrien, sowie der tägliche Kampf ums Überleben und ein verzweifelter Fight um Arbeitsplätze.

 

Genau in diesem Umfeld ist das Familiendrama "SAF" vom türkischen Regisseur Ali Vatansever angesiedelt, welches letztendlich verdammt traurig, tragisch und bitter inszeniert wird. Hinzu kommen zahlreiche sozial- sowie gesellschaftskritische Töne weshalb der Filmemacher der Umstrukturierung der Gesellschaft am Bosporus mit einem außerordentlich authentischen Bild Gehör verleiht. Viele in der Regel nicht erwähnte Schicksale bündeln sich in den beiden Hauptfiguren Kamil und Remziye, ein Ehepaar am unteren Ende der Sozialschichten. Während Sie als Reinigungskraft bei einer wohlhabenden Frau arbeitet (diese kann sich sogar ein Kindermädchen für das 6 Monate alte Baby leisten) muss Kamil ständig einen neuen Job finden, da in seiner Branche (dem Baugewerbe) viele Stellen mit illegalen Syrern besetzt sind, welche zudem deutlich weniger Lohn fordern als türkische Arbeiter.

 

Dieser toxische Mix aus Verzweiflung, Angst, Armut und Rassismus sorgt regelmäßig für heftige Konflikte, worauf Vatansever immer wieder eingeht. Aus Wortgefechten können schnell Handgreiflichkeiten werden, zumal jeder sich hierbei selbst der Nächste ist. Somit blüht die Schwarzarbeit und wichtige Fortbildungen (Kamil will den Baggerschein machen) müssen von den Arbeitern selbst bezahlt werden. Mit schonungsloser Ehrlichkeit zeigt "SAF" in ruhigen Bildfolgen welch tragische Verläufe die Angst um den Verlust der Arbeit annehmen kann. So sieht der junge Mann Kamil bsp. keinen Ausweg mehr und versucht das in seinen Augen wertvolle Tafelsilber zu verkaufen um den Kurs bezahlen zu können. Doch die äußeren Umstände werden Ihn noch viel weiter in die Verzweiflung treiben, mit tragischem Ende. Nebenbei beleuchtet das Drehbuch auch immer wieder den Zusammenschluss der verbliebenen Anwohner um eine gemeinsame Strategie zu finden wie man der Transformation Ihres Viertels entgegen treten kann.

 

Schließlich profitieren hiervon nur eine handvoll Menschen während alle anderen teilweise 40 km entfernt einen neuen Wohnsitz finden werden. Sind es in der Türkei in der Regel skrupellose Bauherren werden bsp. in China die Menschen oftmals auf Anordnung des Staats zwangsvertrieben bzw. umgesiedelt (wie beim Dreischluchtendamm).

Anders als in Deutschland hat die Türkei kein so umfangreiches Sozialsystem mit zahlreichen staatlichen Hilfen weshalb Vatansever's Drama praktisch nur Verlierer hervorbringt.

Die Menschen verlieren Ihre Heimat, Kamil's Vorgänger im Bagger landet im Knast, das bulgarische Kindermädchen muss täglich Angst haben abgeschoben zu werden und Remziye verliert gar Ihre Familie.

 

Optisch spiegeln sich diese vielen Aspekte vorallem in der sehr dezenten und eher kalten und leblosen Farbpalette der Bilder wieder, welche ähnlich der vorherrschenden traurigen Atmosphäre keinerlei positive Akzente setzen können/sollen/wollen. Dank langer Takes und daher wenigen Schnitten entwickelt der Zuschauer recht zügig ein Gefühl für die Handlung und Ideen des Regisseurs. Dabei sehr unterstützend wirkt der konsequent durchgezogene Verzicht von Filmmusik. Es bleibt somit nichts anderes übrig als sich kompromisslos auf das Geschehen zu konzentrieren. Sämtliche Geräusche stammen entweder von den Kullissen, Straßen, Dialogen oder technischen Geräten, was mittlerweile leider ein seltenes Gut im Filmgeschäft geworden ist. So gern ich Filmmusik auch schätze, aber es gibt in jedem Film mindestens 5 Momente wo mir absolute Stille einfach lieber ist.

 

Musik kann einerseits die Wirkung der Bilder positiv beeinflussen (gerade in emotionalen Szenen), aber auch knallhart ins Gegenteil umschwenken.

Schauspielerisch konnten mich die beiden Hauptdarsteller durchaus überzeugen, da es Ihnen durchweg gelingt die vom Drehbuch vorgegebenen Charakterzüge der Figuren auf die Leinwand zu bringen. Gerade solch simpel klingende Anweisungen wie etwa "immer traurig schauen, kein Lächeln auf den Lippen, die Leere und Verzweiflung im Blick muss da sein" sollte jeder für sich privat mal über 100 Minuten ausprobieren, vorallem auf Kommando. Die schreckliche Gesamtsituation mit all ihren Auswüchsen nimmt man Erol Afsin und Saadet Aksoy in jedem Moment ab, beide spielen sehr feinfühlig und authentisch.

 

Dennoch gibt es an "SAF" auch den ein oder anderen kritischen Punkt anzumerken mit denen einige Zuschauer so Ihre Probleme haben könnten. In meinen Augen sind dies vorallem zwei Aspekte die mir negativ ins Auge gefallen sind. Zum einen kann die an sich gute Inszenierung mit ihren leisen Tönen mit der Zeit ermüdend wirken und durch kein einzig erheiterndes Detail stimmungstechnisch stark aufs Gemüt drücken. Selbst wenn die Umstände nichts Gutes hervorbringen, sollte ein Film an ein, zwei Stellen positive Signale setzen um dem Zuschauer aus der Tristeste zu holen.

Zweiter Schwachpunkt ist die unzuzeichende Ausarbeitung einiger Nebencharaktere und deren persönlichen Umstände. Gerne hätte ich zum Syrer (Ammar) mehr erfahren, Fatih's genaue Rolle zu den beiden Hauptfiguren und die Gründe warum er sein Haus verkauft hat, oder auch was Riza für ein Mensch ist. Diese Antworten bleibt das Drama leider schuldig.

 

Gesehen habe ich den Film in OV mit deutschen Untertiteln im Rahmen eines Sichtungslinks weshalb ich zu einer möglichen Synchro keine Angaben machen kann.

Ab dem 24.02.2022 in den deutschen Kinos

 

Fazit: Ali Vatansever's sozial- und gesellschaftskritischer Blick auf eine Türkei im Wandel entpuppt sich als tragisches und trauriges Familiendrama, dass an ein paar Stellen durchaus konsequenter hätte sein dürfen.

 

Bewertung:

Genre: 6.5 von 10 Punkten

Gesamt: 6 von 10 Punkten

End of Season (Drama)

 

Eine kleine Familie in Aserbaidschan: Mutter Fidan (Zulfiyye Gurbanova) möchte ihr eigenes Leben zurückhaben, nachdem sie jahrelang nur für ihre Familie da war, Vater Samir (Rasim Jafarov) möchte einfach nur in Ruhe gelassen werden und Sohn Mahmoud (Mir-Mövsüm Mirzazade) sucht fieberhaft nach einer eigenen Wohnung. Die drei Freigeister umkreisen einander und ignorieren allen Ärger so gut es geht. Ein Ausflug an den Strand soll bald aber alles verändern…

 

 

 

 

Wie weit kann Routine in einer Familie gehen? Und was passiert wenn jedes Mitglied einfach jedem Streit konsequent aus dem Weg geht um sich den eigenen Zielen zu widmen? Es gibt wohl nichts schlimmeres als die festgefahrene Abläufe durch die man eine Wohlfühlzone um sich aufbaut und Lethargie zum Alltag wird. Diesen Fragen und Anregungen geht der Kölner Regisseur und Drehbuchautor Elmar Imanov in seinem deutsch-aserbaidschanischen Co-Produktion "End of Season" nach während er dabei das Bild einer drei-köpfigen Familie zeichnet, die alles andere als eine geschlossene Einheit sind.

Die Mutter will wieder Ihr aktives Leben zurück, dem Vater ist alles egal und der Sohnemann will unter allen Umständen eine eigene Wohnung beziehen und hat immer wieder Streit mit seiner Freundin, da diese nicht verstehen will das ein Mann auch mal fremdgehen muss um seine Bedürfnisse zu befriedigen.

 

Das Ausgangsszenario ist also eine festgefahrene Situation aus der es nur einen Ausweg zu geben scheint: ein gemeinsamer Ausflug zum Strand, wie man es früher regelmäßig gemacht hat.

Es ist menschlich in solchen Situationen stets den augenscheinlich einfachsten Weg zu wählen, doch ist dieser nicht immer zielführend wie das Filmdrama beweist.

Den besser wird das Verhältnis nicht, Streit liegt in der Luft (weil Mutter Fidan die Parkgebür bezahlt hat) und plötzlich ist Fidan verschwunden.

Anstatt in Verzweiflung, Angst und Wut auszubrechen geht die Lethargie nahtlos weiter und als Zuschauer fragt man sich verduzt "Was ist hier los?".

 

Konsequent setzt Imanov auf seine absolut ruhige und maximal entschleunigte Inszenierung, ist dabei mit der Kamera stets ganz nah an seinen Figuren dran und lässt der psychologischen Wirkung dieser Szenen freien Lauf. Diese Art des Filmemachens wird sicher vielen Zuschauern gar nicht bis wenig zusagen und einige zu der Aussage "Man ist der Film langweilig" verleiten da die Kunst bei "End of Season" (übrigens ein sehr intelligenter Titel) das Aufsaugen des sich nicht einstellenden Tempos besteht.

Während die Handlung also vor sich hinplätschert merkt der aufmerksame und interessierte Zuschauer wie nah am Leben das gezeigte Szenario doch liegt, wenn man das Leben mal ehrlich reflektiert.

 

Vor der typischen Kullisse einer Kleinstadt in Aserbaidschan spielend, fallen die größtenteils schlichten Häuser (mitsamt der oft spärlichen Einrichtung und fehlender Hightech-Geräte) auf, wodurch Imanov's Film einen optisch überzeugenden sowie authentischen Eindruck hinterlässt. Allgemein gefällt der wunderbare Arthaus-Look des Dramas, dessen durchweg wackelfreie Bilder farblich eher kühl, leblos und emotional bedrückt rüberkommen, teilweise gar einen traurigen Eindruck erzeugen. Hier steckt viel Feingefühl drinnen, was sich auch an der dezenten Beleuchtung ablesen lässt.

Was gerade in der OV-Version deutlich auffällt ist die Tatsache, das "End of Season" ein erstaunlich leiser Film ist, in dem nur in einer einzigen Szene die Stimme des Vaters spürbar lauter klingt. Wie dies in der deutschen Fassung sein wird muss der Kinobesucher dann selbst herausfinden.

 

Wie sehr es den Familienmitgliedern an Energie, Feuer und auch Selbstvertrauen fehlt merkt man spätestens als Fidan Ihr Geheimnis (dies hat es wirklich in sich und bietet massiv Sprengstoff um die Situation zu sprengen) verrät und Mahmoud nur Lachen kann während seinem Vater keinerlei Regungen zu entlocken sind. Hier und da offenbart Samir sein Misstrauen, was aber auch eher alibimäßig zum Ausdruck kommt. Eine seltsame Dynamik entwickelt sich, die eine Mischung aus Hilfeschrei und Hilflosigkeit darstellt und trotz der weiterhin lethargischen Figuren ungemein spannend bleibt. Man wartet quasi nur darauf das einer aus seinem Schneckenhaus kriecht und das untypische Verhaltensmuster ablegt.

 

Sicherlich nicht falsch wäre der Ausdruck "Chronologie einer gescheiterten Familie" zumal es am Strand einen Moment gibt wo die Kamera kurz zu einem Pärchen schwenkt welches total verliebt und sich mit Leidenschaft in den Augen mehrmals küsst. Mehr Zärtlichkeit wird der Zuschauer innerhalb der gut 90-minütigen Laufzeit nicht erleben, wodurch "End of Season" zweifelsohne als trauriger Film im Gedächtnis bleiben wird. Eine solch emotionale Distanz trotz physischer Nähe ist mehr als bedenklich und regt definitiv zum nachdenken an.

Wie kann man nur gefühlsarm und zur emotional leeren menschlichen Hülle werden? Ich weiß es nicht

 

Dem hierzulande unbekannten Cast darf man problemlos ein tolles und authentisches Schauspiel attestieren, da es schon einer gewissen Kunst bedarf die vorgegebenen Rollen derat mit Leben zu erfüllen wie in diesem Drama. Zwar kommen einige Nebenfiguren (wie etwa die Freundin von Mahmoud) zum Einsatz, wobei dieser aber in der Regel nicht über den Status eines Statisten hinausragen. So bleiben am Ende drei Hauptfiguren, an denen man praktisch wie eine Klette klebt um diese auf Schritt und Tritt begleitet während man deren nicht vorhandene Emotionen teils minutenlang bestaunen darf.

Musikalisch hält sich "End of Season" sehr zurück, hat aber ein besonderes Highlight zu bieten: Die von Kaleida eingesungene Version von Nena's Hit "99 Luftballons", welche es gleich zu Beginn und ganz am Ende zu hören gibt. Filmkenner werden sich erinnern, den Track gabs bereits in "Atomic Blonde" auf die Ohren.

 

Kinostart von "End of Season" ist am 17.02.2022

Gesehen habe ich den Film als OV mit deutschen Untertiteln im Rahmen eines Sichtungslinks

 

Fazit: Der Kölner Regisseur Elmar Imanov liefert mit "End of Season" ein verdammt ruhiges Familien-Drama mit drei Mitgliedern, die als Individuen agieren anstatt als Gemeinschaft aufzutreten. Obwohl die Handlung zumeist vor sich hin plätschert entwickelt sich zusehens eine seltsame Dynamik, die ungemein interessante Züge annimmt.

 

Bewertung:

Genre: 7 von 10 Punkten

Gesamt: 7 von 10 Punkten