Filme April bis Juli 2022

Der Beste Film Aller Zeiten (Komödie/Drama)

 

Der spanische Multi-Milliardär Humberto Suárez (José Luis Gómez) will sich zu seinem 80. Geburtstag selbst ein Geschenk machen, das seinen Status möglichst auch noch über seinen Tod hinaus zementieren soll. Also plant er, ein filmisches Meisterwerk zu produzieren – mit ihm selbst als Produzenten auf dem Plakat. Dazu sichert er sich zunächst die Rechte an einem mit dem Pulitzerpreis ausgezeichneten Roman – obwohl er den selbst nie gelesen hat. Außerdem heuert er die als ebenso genial wie eigenwillig geltende Lola Cuevas (Penélope Cruz) als Regisseurin für das Projekt an. Aber damit fehlen immer noch die beiden Hauptdarsteller – und da kommen für Humberto und Lola eigentlich nur zwei in Frage: Ivan (Oscar Martínez) ist einer der größten Theater-Titanen aller Zeiten – und Felix (Antonio Banderas) ein Leinwandstar von Weltrang, der rund um den Globus von seinen Fans bewundert wird. Aber schon bei den ersten Proben prallen die Egos der Schauspieler aufeinander: Während Ivan das Kino als banales Spektakel ablehnt, sind es schließlich genau solche Blockbuster, die Felix überhaupt erst zu seinem Weltruhm verholfen haben...

 

Ein gewaagter Filmtitel für einen Arthausfilm mit Starbesetzung, den der Streifen am Ende nicht ganz einhalten kann. Doch wie definiert man den "Besten Film aller Zeiten"? Darauf gibt Penelope Cruz alias Regisseurin Lola im Film eine recht interessante wie auch inhaltlich stimmige Antwort, als Sie sinngemäß zu Worte gibt das es die Aussagekraft des Werkes massiv einschränkt wenn man nach festgelegten Parametern Einteilungen vornimmt. Nicht nur damit beweist "Der Beste Film Aller Zeiten" das er es ernst meint mit seiner nachdenklich stimmenden Handlung, die z.b. deutliche Kritik am heutigen Bild der Schauspielerei übt. Deshalb verwundert es auch nicht wie die Rollen besetzt wurden und noch viel spannender was einem die Figuren durch Ihre Anlage sagen. Hier der Lebemanndarsteller dort der stille Genießer und bodenständige Künstler der alten Schule.

 

Es wird offensichtlich das hier zwei Welten aufeinander prallen, welche im realen Filmgeschäft ebenfalls um die Gunst der Zuschauer kämpfen. Besucherstärker sind zweifelsohne jene Filme die neben einer zumeist oberflächigen und auf Spektakel ausgelegten Handlung zumeist mit Darstellern besetzt werden deren Kunst darin besteht in der Öffentlichkeit stets präsent zu sein. Oder wie im Fall von "The Rock" einfach jedes mal den gleichen Stiefel runterspielen, egal wie der Film heißt. Der von Antonio Banderas überzeugend gespielte Felix ist ein Weltstar, mit unzähligen Preisen überhäuft, der Frauen wie seine Unterwäsche wechselt und das Ego ganz nach vorne stellt und damit ein Sinnbild für den Großteil jener Hollywood-Stars von denen viele mittlerweile ausschließlich mit Ihrem Namen Kohle machen.

 

Ivan (ruhig und mit Stil gespielt von Oscar Martinez) gibt hingegen nebenbei Unterricht an der Schausspielschule und ist ein berühmter Theaterschauspieler der alten Schule. Er stört sich massiv am heutigen Trend weg von der Kunst hin zum sinnbefreiten Spektakel und bleibt dabei lieber im Hintergrund. Weder Filmpreise noch große Feiern sind Ihm lieb und seit fast 30 Jahren ist er glücklich verheiratet.

Fehlt nur noch eine extrovertierte Figur, die wir in Form von der lesbischen Regisseurin Lola (Penelope Cruz sieht mit Ihren roten Locken richtig scharf und erstaunlich jung aus) bekommen. Neben auffallenden Klamotten und einer ultramodernen Wohnung/Haus stiehlt die Filmemacherin mit Ihrer außergewöhnlichen Art der Herangehensweise sowie dem allgemein dominanten Auftreten den anderen gerne die Show.

 

Dieses explosive Dreierpack aus so unterschiedlichen Figuren und Charakteren (jeder ist auf seine Art Egozentrisch und ein Alphatier) bringt extrem viel Feuer und Energie in eine an sich wenig berauschende Handlung, die von ihrem Aufbau her immerhin einen interessanten Einblick auf das Geschehen hinter der Kamera von Produktionen mit Starbesetzung gibt. Vieles könnte sich so oder so ähnlich auch im täglichen Filmbusiness abspielen. Passenderweise kommt die Herkunft und das damit verbundene Temperament der Darsteller als positive Eigenschaft hinzu, was "Der Beste Film Aller Zeiten" zusätzlich Energie verleiht.

 

Das Kammerspiel mit modernen aber schlichten Kulissen im Hintergrund und langen Passagen sowie einer strengen Farbgebung ist sowohl Komödie als auch Drama. Einige skurrile aber detailreiche und schier bis zum letzten Moment ausnutzende Szenen, wie etwa als Lola bei einer Probe Ihre beiden Hauptdarsteller die Tochter des Produzenten (die im Film eine durchaus wichtige Rolle spielen soll) küssen lässt um anhand der Geräusche festzustellen wie emotional das Ganze ist während Sie selbst danach Hand äh Mund anlegt um es fast zum Sex kommen lässt (nebenbei schwenkt die Kamera zu den verdutzt drein blickenden Männern, die eine gewisse Erregung verspühren während der Vater verstöhrt den Raum verlässt), verdeutlichen wie sehr die beiden Regisseure hier eine Absurdität als verdammt witziges Element nutzen.

 

Subtiler und bissiger Humor, scharfsinnige Dialoge und die perfekte Harmonie der drei Hauptdarsteller lassen die vorhanden Schwachpunkte etwas weniger ins Gewicht fallen. So besitzt der Film hier und da einige Längen und hat vor dem Schlussakt einen seltsamen Bruch in der ansonsten homogenen Handlung. Vielleicht steckt hinter dem tragischen Wendepunkt auch eine bestimmte Botschaft, welche ich bisher nicht erkennen konnte, oder es war angedacht das Publikum kurz vor dem Ende noch zu schocken. Natürlich könnte der Plan auch dieser sein, dass man die Komödie schlichtweg mehrfach schauen muss um die vielen Anspielungen/versteckten Aussagen alle entdecken zu können.

 

Fazit: Man nehme drei herausragende Darsteller, drei grundverschiedene Charaktere und die Idee eines Millionärs den Besten Film aller Zeiten zu finanzieren um ein unterhaltsames und bissiges Werk mit überraschend deutlicher Kritik am heutigen Filmbusiness zu bekommen.

 

 

Bewertung:

Genre: 7.5 von 10 Punkten

Gesamt: 7 von 10 Punkten

 

Liebesdings (Komödie)

 

Marvin Bosch (Elyas M’Barek) lebt das Leben, von dem viele nur träumen können: Deutschlands größter Filmstar sonnt sich im Scheinwerferlicht, ist auf allen wichtigen roten Teppichen anzutreffen, kreischende Fans reißen sich um ihn, Kamerateams warten auf Interviews und Fotografen jagen ihm nach. Auch heute steht wieder eine Filmpremiere an und die Leute erwarten sehnsüchtig Marvins Ankunft. Doch er kommt nicht. Grund dafür ist ein Interview mit der spitzzüngigen Boulevardjournalistin Bettina Bamberger (Alexandra Maria Lara), das Marvin in der Zwischenzeit hatte – und ordentlich aus dem Ruder gelaufen ist. Nun ist der Filmstar auf der Flucht vor den Medien und landet ausgerechnet im feministischen Off-Theater „3000“, unter der Leitung von Frieda (Lucie Heinze). Die ist allerdings gar nicht begeistert von seiner Ankunft, andererseits könnte Marvin ihr von Nutzen sein, schließlich steht sie mit ihrem Theater kurz vor dem Ruin. Marvin, Frieda und ihr Ensemble stehen nun vor der schwierigen Aufgabe, das Theater zu retten und Marvins Karriere wieder aufzupolieren und das vor den Augen der Öffentlichkeit....

 

So ein Dings wie mit der Liebe zwischen den beiden Hauptfiguren ist es auch mit der Tatsache was "Liebesdings" nun schlussendlich für ein Film ist. Für eine reine Komödie zu dramatisch und emotional deprimierend während es für ein waschechtes Drama zu heiter und witzig zugeht. Dazu gesellt sich noch der massiv aufdringliche Feminismus sowie ein nicht wirklich überzeugender Versuch das Thema "Diversität" authentisch rüber zu bringen. Bedeutend eleganter mit dieser aktuell im Filmgeschäft äußerst lautstark geforderten Thematik umzugehen hätte "Liebesdings" mindestens genauso gut gestanden wie M'Barek das Klitoriskostüm. Anika Decker hatte wohl den Plan eine Film zu machen der selbst die kleinste Randgruppe der Kinogänger erreichen soll, selbst die Genderfanatiker, was jedoch nicht gelingen kann. Den kleinsten gemeinsamen Nenner zu finden bedeutet immer Abstriche beim Inhalt und der Außendarstellung einzugehen, was zwangsläufig schwer umsetzbar ist.

 

 

Allgemein scheint das Drehbuch von Annika Decker nicht wirklich ausgewogen und inhaltlich unschlüssig. Viele Ideen mit jeweils halbherziger Umsetzung sind das Ergebnis welches sich in diesem Fall wohl überwiegend durch die Präsenz von Elyas M'Barek mehr schlecht als recht verbergen lässt. Ein Großteil des (wohl weiblichen) Publikums wird ohnehin wegen des Darstellers den Film sehen wollen wodurch ihnen das ganze Drumherum relativ egal sein wird. Immer wieder driftet die Autorin (und Regisseurin) in altbekannte sowie vielfach verhasste Stilmittel des deutschen Mainstreamfilms ab während es teils lange Phasen gähnender Langeweile zu bestaunen gibt. Sicherlich bleiben kurze Momente des Schmunzelns nicht aus, aber zusammengefasst bleibt "Liebesdings" viel zu vieles schuldig. Man darf einfach nicht mehr erwarten als der Trailer qualitativ andeutet bzw. preis gibt.

 

So richtig lustig ist Ihr Liebesdings immer nur dann wenn im kleinen und abgefuckten Theater Stand-Up Comedy oder ein Gespräch der zugegeben absolut unsympathischen Talkshow Moderatorin Bettina Bamberger (Alexandra Maria Lara wird hier richtig verschenkt) mit Ihrem Mann im Restaurant auf dem Plan steht. Dazwischen hangelt sich die Komödie von einer überdramatisierten Situation zur nächsten während Decker zwanghaft versucht Ihrer Hauptfigur eine halbwegs plausible und tragische Hintergrundgeschichte aufzubürden. Lucie Heinze und Elyas M'Barek machen aus Ihren Rollen noch das Beste und verleihen den Charaktern Ecken sowie Kanten. Alles natürlich in einem äußerst überschaubaren Rahmen, zumal man das Gefühl nicht los wird hier Figuren zu erleben die es in ähnlicher Form bereits mehrfach auf den Leinwänden der Republik zu sehen gab.

 

Ziemlich deutlich erkennt das geschulte Auge dass wir mit Anika Decker eine Frau auf dem Regiestuhl haben, da viele Sichtweisen in Sachen Kamerawinkel und Farbgestaltung einen markanten weiblichen Touch haben, trotz einiger durchaus sexistischer Anspielungen. Optisch sehr wertige Bilder und ansprechende Kamerafahrten werden dank eines passenden sowie musikalisch abwechslungsreichen Soundtrack als noch stimmiger empfunden. Ansonsten erfindet Decker das Rad nicht neu und arbeitet mit vielen bekannten Stilmitteln, etwa schrillen Farben.

 

Fazit: Nach "JGA" und "Jagdsaison" endlich eine halbwegs ordentliche deutsche Mainstreamkomödie wobei das Niveau oder die Messlatte nicht sonderlich hoch liegen.

 

Bewertung:

Genre: 4 von 10 Punkten

Gesamt: 4 von 10 Punkten

 

Vier Wände für Zwei (Komödie/Drama)

 

Sara (Juana Acosta) ist eine erfolgreiche Frau, die seit vielen Jahren eine Ehe mit Daniel (Daniel Grao) führt. Nach acht Jahren als verheiratetes Paar glaubt sie nicht mehr daran, dass sie bis zum Ende ihres Lebens mit Daniel zusammen sein wird. Kurzerhand begibt sie sich auf die Suche nach einem neuen Zuhause - ihre eigenen vier Wände. Der Immobilienmakler Óscar (Carlos Areces) stellt ihr ein traumhaftes Haus vor, das fast zu schön ist, um wahr zu sein. Sara will es auf jeden Fall kaufen. Aber die Sache hat einen Haken: Sie kann erst einziehen, wenn die jetzige Besitzerin Lola (Kiti Mánver) verstorben ist. Die beiden Frauen treffen sich und zwischen der konservativen Karrierefrau und der freigeistigen älteren Dame entwickelt sich eine ungewöhnliche Freundschaft, die für beide Frauen ein absoluter Glücksfall ist...

 

Eine pragmatische Geschäftsfrau Ende 30 trifft auf eine resolute ältere Dame Mitte 70, mittendrin eine 100 qm große Wohnung mit Blumentapete und geheimen Schrank. Die spanische Tragikomödie "Vier Wände für Zwei" findet nicht nur die richtige Balance zwischen Humor, Drama und Emotionen sondern lebt vorallem vom herausragenden Zusammenspiel seiner beiden Hauptdarstellerinnen. Dazu kommt als eine Art Running Gag ein wiederkehrender, leicht verpeilter aber liebenswerter Mann der sowohl als Markler, Bestatter, Musiker oder Portier für beste Unterhaltung sorgt. Jedoch stiehlt Kiti Manver als kettenrauchende, trinkende und süßigkeitenliebende Lola allen die Show. Durchweg scharfsinniger Humor, lustige Wortspiele und Ihr sympathisches Auftreten lassen nicht nur jede Pointe (und davon gibt es viele) punktgenau gelingen sondern verleihen dem Film eine angenehme Leichtigkeit.

 

Nicht weniger stark spielt Juana Acosta Ihren Part als Versicherungskauffrau Sara, die aufgrund Eheproblemen Lola's Wohnung kauft und durch die ältere Dame beginnt Ihr Leben neu zu denken. Oft fragt man sich ja was Freundschaft auszeichnet oder wie genau sich solche Beziehungen fürs Leben entwickeln: Die Geschichte von Lola und Sara zeigt genau diesen Prozess und gibt letztendlich eine klare Antwort darauf. Natürlich funktioniert dies alles ausschließlich so gut weil schlichtweg die Harmonie zwischen Manver und Acosta stimmig ist. Daher wäre es an dieser auch ein Undinn jede noch so kleine Situation zu nennen, in der dies eindrucksvoll sichtbar ist. Es sind einfach die spitzfindigen sowie ins Schwarze treffenden Dialoge in Verbindung mit einer instinkiv unterhaltsamen Mimik und Gestik womit wir hier bestens unterhalten werden.

 

Trotz reichlich Schmunzelmomenten vergisst es die Komödie nicht Ihren Figuren Charaktertiefe sowie eine glaubwürdige Backroundgeschichte zu verpassen. Zumeist in der etwas kitschig eingerichteten Altbauwohnung spielend entwickelt "Vier Wände für Zwei" den Charakter eines Kammerspiels der von wenigen gut gemachten und inhaltlich wertvollen Außeneinsätzen unterbrochen wird. Hier ist vorallem die Autofahrt durchs Umland gemeint, bei der die Schönheit Spaniens kurz deutlich wird. Allgemein besitzt die Komödie ein zufriedenstellendes Grundtempo wobei eher unwichtige Passagen eher zügig abgehandelt werden während es in den entscheidenden Momenten zu keinerlei Hetzereien kommt.

 

 

Hier und da verspielt, dann wieder unterhaltsam oder emotional berührend: Der Sound passt sich stets dem aktuellen Stimmungsbarometer an und besticht mit einer ungemein simplen aber stilvollen Tonalität. Dazu passend gehalten überzeugt der arthausige aber farbenfrohe Look einer ruhigen Kamera die stets ihren Fokus auf den Figuren hat. Das "Vier Wände für Zwei" in Sevilla spielt fällt kaum auf (Kenner der Stadt werden es vielleicht anhand einer Balkonszene zu Beginn erkennen) was in der Hinsicht schade ist würde die spanische Stadt sicherlich wunderbare Kulissen bieten. Nicht unerwähnt sollen die durchweg auffallenden Kostüme von Lola und Sara bleiben, was die ältere Frau dazu veranlasst Ihre "Nachfolgerin" aufgrund deren knallroten Mantel als Rotkäppchen anzusprechen.

 

 

Fazit: Immobilienkauf mal etwas anders, dafür aber mega witzig und punktuell emotional berührend. Die spanische Produktion "Vier Wände für Zwei" glänzt vorallem mit seinen wunderbaren Hauptfiguren, deren Darstellerinnen sowie dem witzigen Humor.

 

Bewertung:

Genre: 8 vonn 10 Punkten

Gesamt: 8 von 10 Punkten

 

Monsieur Claude und sein Großes Fest (Komödie)

 

Claude (Christian Clavier) hat sich inzwischen mit seinen Schwiegersöhnen abgefunden. Doch müssen sie wirklich überall da sein, wo er auch ist? Die Nähe zu seiner angeheirateten Familie macht ihm zu schaffen. Doch anlässlich des 40. Ehejubiläums von Claude und seiner Frau Marie Verneuil (Chantal Lauby) planen die Töchter ein großes Fest. Es ist als Überraschung gedacht und soll im Haus von Claude und Marie in Chinon stattfinden. Natürlich dürfen die Schwiegereltern der vier Frauen nicht fehlen.  Chaos ist vorprogrammiert und es verspricht ein turbulentes Familientreffen zu werden, bei dem Welten aufeinanderprallen..

 

 

Was haben französische Komödien den Deutschen voraus? Neben einer ungemein intensiven Leichtigkeit vorallem ein wärmendes Feel-Good-Feeling. Kommen dann noch humorvolle Figuren und ein bestens harmonierender Cast sowie das geschickte Spiel mit Klischees und gesellschaftlichen Gepflogenheiten dazu hat das Publikum ein Erlebnis sondergleichen. Eine ebenso einfache wie geniale Formel die es trotz zahlreicher Beispiele noch immer nicht in die Drehbuchschmieden Deutschlands geschafft hat. In Frankreich konnten die beiden Vorgänger zusammen gute 19 Mio Kinozuschauer zählen (Deutschland 5.3 Mio Kinobesucher) womit sich Monsieur Claude zu einem wahren Hit entwickelt hat. Mehr Beweise dafür wie gute Unterhaltung funktioniert braucht es an dieser Stelle wohl nicht mehr, weshalb es sich zweifelsfrei lohnt die Trilogie für einen genussvollen Filmeabend vorzuschlagen.

 

Der bereits dritte Teil von "Monsieur Claude" ist nicht nur der angekündigt witzigste sondern schlichtweg auch der Beste Film über den sympathischen Franzosen mit seinen Töchtern. Eine humorvolle Szene jagt die nächste, das Chaos der vielen Figuren ist mega unterhaltsam und sämtliche Darsteller spielen Ihre Rollen auf den Punkt genau perfekt. Sei es etwa die vom französischem Wein und Käse angetane Mutter aus China oder der Rock'n'Roller mit seiner Band (Die wilden Hyänen), es macht ungemein Freude dem Treiben zuzusehen und darüber zu schmunzeln. Es wäre daher auch nicht sonderlich gerecht eine/n Darsteller/in besonders für schauspielerische Leistungen hervorzuheben. Klar, Christian Clavier als titelgebender Claude ist das Herzstück und Zentrum (und er spielt seinen Part verdammt sympathisch und überzeugend), aber man merkt jedem/jeder den Spaß am Set sowie den Rollen an.

 

Sicherlich keine besonders tiefsinnige Filmreihe, aber durch die seichte Inszenierung Sommerkino für die gesamte Familie. Nicht nur das der Sommer im Film für ein tolles Ambiente sorgt, nein das Gesamtwerk ist stimmig und lässt einen freudestrahlend den Kinosaal verlassen. Ich kann mir auch sehr gut vorstellen das diese Sommer-Komödie perfekt in einem Open-Air-Kino funktioniert, am Besten mit einem Glas Rotwein sowie einer Wurstplatte am Platz. Wenn überhaupt kann man die Tatsache kritisieren das es zum Finale hin etwas konfus wird und die Lacher mal länger Sendepause haben.

 

Deutsche Filmemacher können hier verdammt viel lernen, vorallem aber das dieses dämliche Überdrama in einer Komödie mit einer gewissen Note Leichtigkeit einen um Längen besseren Film ergeben. Abseits der erneut wunderschönen Kulissen und dem etwas verrückten Setting mit sehr blutigen Bildern in der Galerie ist "Monsieur Claude und sein Großes Fest" technisch gesehen absolut gelungenes Genrekino. Neben der ruhigen aber stets fokussierten Kamera (die jeden Gesichtszug und das Chaos einfängt) sind die kräftigen Farben der Bilder erwähnenswerte Pluspunkte. Größtenteils weiche Übergänge werden hier und da von etwas krasseren Schnitten unterbrochen bei denen das Szenenbild überraschend wechselt.

 

Fazit: Wie das bekanntliche Sprichwort besagt werden viele Dinge mit dem Alter immer besser. So auch Monsieur Claude, der in seinem dritten "Abenteuer" mit reichlich Chaos und Humor allerbestes Sommerkino liefert.

 

 

Bewertung:

Genre: 7.5 von 10 Punkten

Gesamt: 9 von 10 Punkten

 

Rabiye Kurnaz gegen George W. Bush (Drama)

 

Die Türkin Rabiye Kurnaz (Meltem Kaptan) führt in ihrem Bremer Reihenhaus das einfache Leben einer bescheidenen Hausfrau. Ihr Leben ändert sich jedoch schlagartig, als ihr Sohn Murat kurz nach den Anschlägen vom 11. September 2001 des Terrorismus bezichtigt und ins Gefangenenlager Guantanamo verfrachtet wird. Für die Deutsch-Türkin gibt es nur einen Weg: Sie muss bis ins Herz der Weltpolitik vordringen und findet sich schon bald in Washington vor dem Supreme Court wieder. An ihrer Seite steht der Menschenrechtsanwalt Bernhard Docke (Alexander Scheer), mit dem sich die Frau ganz wunderbar in die Haare bekommen kann. Mit der Zeit wächst das ungleiche Duo aber immer weiter zusammen und es entsteht eine außergewöhnliche Freundschaft....

 

Nachdem vor nicht allzu langer Zeit mit "Der Mauretanier" ein Drama über einen jungen Mann der unschuldig in Guantanamo inhaftiert war im Kino lief bekommen wir nun die deutsche Variante zu sehen. Ebenfalls auf einem wahren Fall basierend erzählt der Film auf eine Art Tagebucheintrag die Geschichte vom Kampf einer Mutter gegen die Behörden von Deutschland und vorallem der USA. Wie sagt es Anwalt Docke so schön "Wir erkämpfen uns die demokratische Gerechtigkeit zentimeterweise" was das Publikum eindrucksvoll miterleben darf.

 

Natürlich steht die Frage inwiefern die Welt gerecht ist ganz weit oben auf der Agenda während mit zunehmender Laufzeit die Erkenntnis eintritt, dass vieles davon oft nur auf dem Papier steht. Beispielsweise gibt es einen Moment als im Hintergrund die Vereidigung von Angela Merkel als Bundeskanzlerin zu sehen ist die während der Zeremonie einiges schwört, was jedoch vielfach Lippenbekenntnisse sind.

 

Die Jahre ziehen ins Land und nichts geht voran, wodurch das Drama auch eine Anklage gegen unser nicht immer funktionierendes System darstellt. Eindringlich, berührend und punktuell auch mal mit Witz inszeniert bekommt man einen kleinen aber aussagekräftigen Eindruck davon was Rabiye durchmachen musste. Gerade dieses Wellenbad der Gefühle stellt Regisseur Andreas Dresen in seinem Drama besonders hervor, womit man sich hier deutlich von "Der Mauretanier" abhebt. Zwar sind die Ausgangsszenarien nicht zu 100% identisch, aber dennoch handelt es sich um zwei ähnliche und dennoch unterschiedliche Filme, jeweils sehr sehenswert.

 

Wie bereits der Titel verrät steht Rabiye im Fokus und ist die erwartet präsente und durchweg sympathische Hauptfigur, welche von Meltem Kaptan außerordentlich authentisch gepielt wird.

Dabei macht die liebevolle und fürsorgliche Mutter eine starke Charakterwandlung mit. Lange Zeit ziemlich naiv, euphorisch und überforsch agierend holt die niederschmetternde Realität Sie immer wieder ein und lässt Rabiye verzweifeln. Daneben geht Alexander Scheer als ruhiger aber energischer Anwalt etwas unter und wird von Kaptan's massiver Ausstrahlung erdrückt.

 

Insgesamt ein sehr stark gespieltes Drama mit toller Kameraarbeit, detailgetreuer Ausstattung und äußerst passendem Soundtrack. Zum ganz großen Wurf fehlt aber ein noch klarer Fingerzeig besonders in Richtung der deutschen Politik, die bewusst in das Verfahren eingegriffen und eine vorzeitige Entlassung von Murat verhindert hat. Dieser Aspekt wird lediglich in wenigen Nebensätzen sowie im Abspann aufgegriffen. Ebenso zu kurz kommt das Leiden des Häftlings und ein genauerer Blick auf die Vorgänge wie es zur Inhaftierung bzw. Entlassung kam.

 

Fazit: Andreas Dresen sorgt mit seiner wahren Geschichte über einen deutsch-türkischen Häftling in Guantanamo für ein eindringliches sowie berührendes Filmerlebnis

 

Bewertung:

Genre: 7.5 von 10 Punkten

Gesamt: 7 von 10 Punkten

 

Risiken und Nebenwirkungen (Drama/Komödie)

 

Bei der Pilateslehrerin Kathrin (Inka Friedrich) wird nach einer Vorsorgeuntersuchung ein Nierenleiden festgestellt. Nun braucht sie dringend eine neue Niere. Also könnte ihr Mann Arnold (Samuel Finzi) eine seiner Nieren für seine Frau abtreten. Doch ganz so einfach ist es für ihn nicht. Der vielbeschäftigte Architekt hat Bedenken, steckt mitten in einem Großprojekt und erwägt sogar, sich zu weigern und damit seine Ehe aufs Spiel zu setzen. Wie gut, dass es ihren gemeinsamen besten Freund Götz (Thomas Mraz) gibt, der sofort seine Niere für Kathrin hergeben würde. Doch er hat nicht mit seiner Frau Diana (Pia Hierzegger) gerechnet, die alles andere als einverstanden damit ist. Nun also stehen die Freunde vor zwei potenziellen Spendernieren, die zwei Ehen vor eine Zerreißprobe stellen...

 

Das Thema "Organspende" ist heikel diskutiert und zumeist mit einer tragischen Note versehen. Vorallem wenn es darum geht einem nahestehenden Menschen zu helfen bekommt die Thematik eine völlig andere Dynamik. Basierend auf dem Stück "Die Niere" von Stefan Vögel hat Drehbuchautor und Regisseur Michael Kreihsl nun eine Kombi aus Drama und Komödie abgedreht, die in unterhaltsamer Kammerspieloptik einen etwas anderen Blick auf Organspenden legt. Denn dadurch das sich Kathrin's Mann nicht so recht entscheiden kann (bzw. eine ablehnende Haltung einnimmt) und der gemeinsame Freund Götz sofort bereit zur Spende ist kommen zahlreiche schmutzige sowie intime Geheimnisse ans Tageslicht. Speziell diese Eigendynamik von "Risiken und Nebenwirkungen" lassen die Komödie zu einem vielschichtigen sowie facettenreichen Werk mit einer tieferen Bedeutung werden.

 

Gewissermaßen hält uns Kreihsl einen Spiegel vor, der die wahre Natur des Menschen zeigt. Vollgepackt mit Wendungen (welche genau zum richtigen Zeitpunkt kommen) ist das eigentlich erschreckend brutale und tragische Geschehen verdammt witzig, amüsant und durchzogen mit schwarzem Humor und Dialogen denen eine gewisse Ironie zu Grunde liegt. Dies spiegelt sich vorallem bei den vielen Gesprächen wieder, wie etwa eine gemeinsame Radtour der beiden Männer, bei der es um die scheinbar augenscheinliche ungesunde Lebensweise von Götz (dieser ist Übergewichtig) geht. Arnold googelt danach sogar den  Begriff "Fettniere" um seinem Freund die Spende auszureden was dieser fortan dazu nutzt, um bei jeder Gelegenheit mit sarkastischem Unterton explizit auf seine nun gesunde Lebensweise zu verweisen.

 

Ebenso unterhaltend ist das zögern von Arnold, der sich regelmäßig auf sämtliche Worst-Case Szenarien einer Transplantation beruft um davon abzulenken, diese ernsthaft in Erwägung zu ziehen bzw. sich intensiv damit zu beschäftigen. Viel wichtiger ist dem Architekten ja ohnehin sein Hochhaus, welches von vielen als eine Art Riesenpenis gesehen wird, wodurch man sich herrlich darüber lustig machen kann. Es sind die vielen kleineren Dinge, die oftmals für ein Schmuzeln sorgen dank derer dieser Film so besonders gut geworden ist. Mit seinen ernsten Hintergründen und der Offenbarung des Menschen ans sich (was viele vielleicht in dieser Form nicht erkennen oder als störend empfinden werden) hat Michael Kreishl einen Spielfilm gemacht, der zweifelsohne sehenswert ist, obwohl dieser am Ende etwas daran scheitert sich lange Zeit nicht sonderlich ernst genommen zu haben um zum finalen Akt einen ernsten Ton anzuschlagen.

 

Zusammen mit einer authentischen österreichischen Menthalität samt Dialekt ist "Risiken und Nebenwirkungen" ein durchweg unterhaltsamer Film mit jeweils wunderbar gespielten Figuren. Als etwas überforderter aber unsicherer Architekt mit Geheimnissen macht Samuel Finzi einen hervorragenden Job, verleiht seiner Rolle die nötige Ausstrahlung und gilt somit als Sinnbild für den Typus eines Mannes, der seine Prioritäten nicht richtig setzen kann oder will. Ihm zur Seite steht Inka Friedrich als starke Frau, der die niederschmetternde Diagnose äußerlich nichts auszumachen scheint. Während viele andere in Depressionen und Selbstmitleid verfallen nimmt Kathrin die Situation locker, verliert Ihr Lachen nicht und will Arnold zu nichts drängen. Erst später macht die Mutter eine Charakterwandlung durch, als Sie merkt dass sich beim Ehemann innerlich nichts bewegt und die Ehe auseinander driftet.

 

Zusammen mit Thomas Mraz und Pia Hierzegger als befreundetes Ehepaar Götz/Pia (deren Ehe im Verlauf ebenfalls riesige Risse bekommt) ergibt sich ein fast schon toxisches Quartett aus zwei Paaren, die sich ab einem gewissen Zeitpunkt gegenseitig ohne Rücksicht zerfleischen und jeweils intime Geheimnisse der anderen ausplaudern. Diese durchweg interessante Konstellation mitsamt der vielen Wendungen und den vielsagenden Charakteren wird zwar unter dem Deckmantel einer Komödie versteckt, ist aber das große Plus von "Risiken und Nebenwirkungen". Mit einer deutlich tragischeren bzw. dramatischeren Stimmung wäre der Film bedeutend schwerer ausgefallen. Die Leichtigkeit wie diese vielen Details hier zur Sprache kommen machen den positiven Gesamteindruck aus.

 

Etwas stöhrend ist der viel zu verspielte Soundtrack mit sich wiederholenden Melodien, die einfach des Guten zu Viel sind. So dick und fast schon überheblich in puncto Stimmung hätte die Musik nicht sein

müssen, zumal allein wegen der durchweg witzigen Dialoge schon genug Verspieltheit vorhanden ist. Eine für Kammerspiele typische Kameraarbeit (erinnerte mich stark an "Das perfekte Geheimnis) zeigt das der Film aus einem Theaterstück entstanden ist, zumal die Kulissen nicht sonderlich umfangreich in Erscheinung treten. Dennoch sieht man den Drehorten eine liebevolle Gestaltung an, da besonders der Wohnort von Arnold und Kathrin ein sehr modernes Haus inkl. Ausstattung darstellt. Insgesamt gibt es optisch wenig bis nichts auszusetzen und die reine Bildqualität ist der eines Kinofilms absolut würdig.

 

Fazit: Unterhaltsam, amüsant aber dennoch bitter-böse; Das Kammerspiel um eine Nierenspende ist vielschichtiger als gedacht und voller Twists.

 

Bewertung:

Genre: 7.5 von 10 Punkten

Gesamt: 7.5 von 10 Punkten

 

X (Horror/Thriller)

 

1979 im Süden der USA: Ein Filmteam erreicht ein abgelegenes Bauernhaus im tiefsten Texas, um einen Porno zu drehen. Davon haben Regisseur R.J. (Owen Campbell), seine für den Sound zuständige Freundin Lorraine (Jenna Ortega) sowie Schauspieler Jackson Hole (Scott Mescudi) und die Stripperinnen Maxine (Mia Goth) und Bobby-Lynne (Brittany Snow) ihren Gastgebern (Stephen Ure und erneut Mia Goth) jedoch nichts erzählt. Dabei handelt es sich um ein isoliertes, älteres Ehepaar, das besonders großen Wert darauf legt, dass es ihren Gästen gut geht. Als jedoch die Nacht hereinbricht, wird das schon leicht aufdringliche Verhalten des Paares plötzlich zusehends gewalttätig...

 

 

 

Was passiert wenn aus einem abenteuerlichen Pornodreh ein blutiges Massaker wird und das mitten im ländlichen Texas? Allein diese kurze Plotaussage gibt schon Anlass dazu einen amerikanischen Slasher zu erwarten, der sich in die Riege oftmals belangloser Werke einzureihen scheint. Doch mitnichten: "X" von Ti West ist eben viel mehr als ein oberflächiges motorsägenfreies Texas Chainsaw Massacre der Neuzeit sondern zweifelsohne ein Horror-Thriller mit geradliniger Inszenierung, konsequenten sowie megablutigen Kills und eine Homage an das Genrekino der 70er Jahre.

 

Nicht umsonst spielt das Geschehen Ende 1979 und wirkt optisch wie ein Film aus jener Zeit (der Retrolook ist einfach der Hammer) womit West einen Slasher geschaffen hat, der zwar nicht völlig losgelöst von modernen Stilmitteln auskommt aber enorm frischen Wind bringt. Es ist beachtlich und entzückend in einem mit welch liebevoller Hingabe der Versuch gelingt uns Zuschauer ab der ersten Minute bis zum Ende (samt satirischer Feststellung) back to the 70's zu katapulltieren. Gestochen scharfe Bilder sind dabei ebenso wenig zu erkennen wie moderne Kostüme oder gar aktuelle Frisuren. Selbst bei den Details wie etwa der Unterhose setzt Ti West auf eine penible Art alles authentisch zu halten.

 

Tabulos, bitterböse (der Tanz der alten Frau nach Ihrem ersten Mord ist hier das beste Beispiel und erinnert an jenen des Jokers von 2019), abgedreht, verrückt, sexy (selten in einem Horrorstreifen so viel nackte Haut gesehen), durchgeknallt, spannend und dabei noch unterhaltsam sind nur einige Schlagwörter des atmosphärisch extrem dicht inszenierten Films. Dazu gesellt sich der ewige Kampf von Konservativen (inkl. religiöser Fanatiker) mit Liberalen (Stadt-Land-Gefälle) und ein herausragender Soundtrack mit vielen Songs der 70er Jahre. Kein Wunder das im Hintergrund durchweg der immer gleiche TV-Prediger seine Jünger mit Fanatismus um den Finger wickelt (ganz am Ende kommt es noch zu einem völlig unerwarteten aber genialen Twist) und gegen alle hetzt, die eine moderne Lebensweise führen.

 

So viel Tiefsinnigkeit innerhalb der Handlung, zu der auch die besondere Beziehung der beiden älteren Figuren gehört, bzw. bei den auf verschiedenen Ebenen irgendwie sympathischen Charakteren hätte man einem Slasher mit "Texas Chainsaw Massacre" Feeling nun wirklich nicht zugetraut, trotz der bewusst und offen zur Schau gestellten Hommage an Filme wie eben der Letherface-Familie. Die Diversität mit der Liebe, Zuneigung und purer Hass sowie kaltblütiges Morden (mit Hang zum Overkill) beieinander liegen ist bei Ti Wests "X" absolut einzigartig und in dieser Form bisher neu im Genre. Genau damit gelingt dem Regisseur und Drehbuchautor aber ein kreativer Kunstgriff mit dem sein Werk aus der breiten Masse herausstechen wird.

 

An dieser Stelle nicht zu vergessen ist der clever zusammengestellte Cast um Mia Goth, die hier eine Doppelrolle spielt (unfassbar wie geil die Maske das hinbekommen hat) und damit das zentrale Glied darstellt. Mit Ihrer eigenen, besonderen Art zu schauspielern, was mich bereits in "A Cure for Wellness" begeistert hat, verkörpert Goth Ihre Figuren sicher, glaubwürdig und mit äußester Präsenz. Da direkt nach "X" ein Prequel abgedreht wurde und das Finale durchaus Interpretationsspielraum lässt darf man absolut gespannt sein was West genau vor hat. Alle weiteren Darsteller machen Ihre Sache ebenfalls stark wenngleich sich niemand besonders herauskristalisiert, was jedoch zum Großteil an den gespielten Figuren liegt bzw. deren Rolle im Drehbuch.

 

Zu erkennen sind aber durchaus vielschichtige Menschen, deren optisches Aussehen sowie das Verhalten nur einen Teil des Charakters abbilden während einige spannende Eigenschaften innerhalb des Erzählstrangs offenbart werden. Sicherlich lässt sich "X" vielleicht einen Tick zu lange Zeit mit den durchweg unterhaltsamen, blutigen und offensichtlich bitterbösen Kills, sodass es eine klare Teilung des Inhalts gibt. Beginnend mit dem ausführlichen Pornodrehteil (nochmals, so viel nackte Haut außerhalb eines Pornos und das mit FSK 16) schwenkt "X" radikal zum blutigen Gemetzel samt toller Krokodilszene um, quasi mit einem Fingerschnippen. Gerne hätte ich gesehen das es hier und da noch mehr zelebriert wird, da mancher Kill zu schnell "abgehandelt" wird.

 

Fazit: Mit seiner Hommage an Werke wie "Texas Chainsaw Massacre" gelingt Ti West der große Wurf wodurch "X" zu einem besonderen Horrorfilm aufsteigt der Genrefans verzücken wird

 

Bewertung:

Genre: 8.5 von 10 Punkten

Gesamt: 8 von 10 Punkten

 

 

Der schlimmste Mensch der Welt (Drama/Komödie)

 

Die Buchhändlerin und Autorin Julie (Renate Reinsve) ist zwar ganz bestimmt nicht die schlimmste Person der Welt, aber sie ist launisch und sprunghaft – womit sie ihr Umfeld merklich beeinflusst. Julie ist in einer Beziehung mit dem älteren, 44-jährigen Comic-Zeichner Aksel (Anders Danielsen Lie). Er möchte gerne eine Familie mit ihr gründen, für Julie kommt das hingegen nicht in Frage. Auf einer Party lernt sie Eivind (Herbert Nordrum) kennen, der jung ist und voller Energie. So wie Julie möchte er keine Kinder haben. Das ist der Beginn einer Romanze, die ganz anders verläuft, als sich die beiden das am Anfang vorgestellt haben...

 

Viele von uns, genauer gesagt der jüngeren Generation, haben das Gefühl das wir in einer Welt leben in der alle Möglichkeiten offen stehen zu scheinen. Und dennoch wirkt ein Großteil unzufrieden und kann im Bezug auf Beziehungen irgendwie auf keinen grünen Nenner kommen. Haben wir im wohlstandsgewohnten Europa etwa zu viele Optionen? Dieser Frage geht Joachim Trier in seinem teils durchaus philosophischen Werk über eine junge Frau nach, welches man als tragische Liebes- und Lebensgeschichte betiteln kann. Schon während des Abspanns wird sich jeder Zuschauer fragen ob Trier's Filmtitel als Floskel gedacht war oder ob sich jeder die Frage stellen soll ob er der schlimmste Mensch der Welt ist. Ich finde es ungemein spannend wie man nun diese prägnante sowie gewaltige Aussage definieren soll: Gilt jemand als genau schlimm wenn er etwa 20 Menschen tötet als ein anderer der vielleicht 5 anderen das Herz bricht?

 

12 Kapitel sowie Prolog und Epilog auf gute 120 Minuten erzählt wirkt "Der schlimmste Mensch der Welt" manchmal etwas chaotisch, unsortiert und unsauber in seinen Übergängen was letztendlich die einzig nenneswerte Schwäche darstellt. Renate Reinsve als Julie kommt einer absoluten Idealbesetzung gleich und verleiht Ihrem Charakter genau die richtige Aura samt dem passendem Charisma. Als Spiegelbild einer Generation der unbegrenzten Möglichkeiten hält das Glück nie so richtig lange an und man lässt vieles unvollendet.So verwundert es auch nicht wie "Der schlimmste Mensch der Welt" im Epilog endet, als Julie einsam in Ihrer Wohnung sitzt während Eivind mit seiner neuen Partnerin ein Kind hat.

 

Neben Reinsve können auch die beiden Hauptdarsteller mit authentischem Schauspiel überzeugen, zumal jeder für sich einen Typus Mann darstellt wie es ihn heutzutage vielfach gibt. Als gesellschaftliches Abbild einer Generation in Zeiten von absoluter Korrektheit und dem Drang alles in kurzer Zeit unterzukriegen wird Trier's tragische Liebeskomödie ihren Platz im Filmjahr 2022 finden.

Gefilmt mit feinfühligen Bildern welche von einem eingängigen Score begleitet werden ist Trier's Film ein sehenswertes Beispiel skandinavischer Filmkunst.

 

Fazit: Joachim Trier beweist mit "Der schlimmste Mensch der Welt" welch herausragende Filme aus Skandinavien kommen können, zumal wenn es sich um ein aktuelles gesellschaftliches Thema handelt.

 

Genre: 8 von 10 Punkten

Gesamt: 8 von 10 Punkten

 

Jurassic World 3: Ein neues Zeitalter (Abenteuer/Action)

 

Mit dem Untergang der Isla Nubar haben sich die Dinos rund um den Erdball verteilt und leben seitdem mit den Menschen in einer – mehr oder weniger – friedlichen Koexistenz. Der Raptoren-Bändiger Owen Grady (Chris Pratt) und die Dino-Aktivistin Claire Dearing (Bryce Dallas Howard) kümmern sich versteckt in einer Waldhütte um die Teenagerin Maisie Lockwood (Isabella Sermon). Maisie ist keine normale Teenagerin, sondern ein genetisches Abbild ihrer verstorbenen Mutter und wurde mithilfe eines Verfahrens geklont, das die Gentechnik revolutionieren könnte. Dementsprechend wundert es nicht, dass einige zwielichtige Gestalten dem Mädchen und ihrem Geheimnis auf der Spur sind. Nach einer unbedachten Aktion wird Maisel von einer Gruppe Auftragsgangster entführt, die das Mädchen in ein Flugzeug verfrachten und nach Malta transportieren. Währenddessen versucht die Biologin Ellie Sattler (Laura Dern) herauszufinden, wieso gigantische, genetisch modifizierte Heuschrecken über die USA hereinbrechen und die gesamte Ernte des Landes zu vernichten drohen. Gemeinsam mit dem Paläontologen Alan Grant (Sam Neill) und dem und dem Chaostheoretiker Ian Malcolm (Jeff Goldblum) sucht die Biologin nach Antworten...

 

Es scheint aktuell besonders groß in Mode zu sein das Hollywood für seine Filmreihen die alten Stars von früher herausholt. Letztes Jahr u.a. beim neuen Ghostbusters, demnächst startet Nicolas Cage sein Comeback (was ich ihm aber absolut von Herzen gönne) und aktuell kehren Laura Dern, Sam Neill und Jeff Goldblum (die drei besitzen noch immer das gewisse Etwas und harmonieren wie damals perfekt) für "Jurassic World 3" zurück. Es scheint so als würden die Macher alles versuchen um den Abschluss der neuen Trilogie zum Erfolg zu hiefen. Ob die Kassen so klingeln wie gewünscht werden die nächsten Wochen zeigen, vorallem erst recht wenn der erste Schwung an Kinogängern durch ist. Was positive Mundpropaganda bewirkt sieht man aktuell sehr deutlich an "Top Gun: Maverick", der weltweit extrem gute Zahlen schreibt.

 

 

Auch optisch werden nochmals alle Register gezogen (die Dinos sehen einfach nur phänomenal aus) um dem Jurassic-Franchise ein (vorläufig) würdiges Finale zu kreeieren. Doch was bringen diese Aspekte wenn es an der Storyline hackt? Leider ist "JW 3" inhaltlich kaum der Rede wert, daran ändern auch einige Anspielungen am den ersten "Jurassic Park" (etwa welche Dinoart den Bösewicht in die Enge treibt und tötet), womit sich der Kinobesuch wohl ausschließlich für den Auftritt der alten Garde lohnen kann. Man verpasst es der neuen Reihe einen handlungstechnisch würdigen Abschluss (mit Spannung, bedrohlichen Dinoszenen, etc) zu verpassen obwohl es doch gar nicht so fern wäre nachdem Teil 2 schon inhaltlich schwach war.

 

Was 1993 mit dem seinerzeit fast schon revolutionären "Jurassic Park" von Steven Spielberg begann endet 2022 in einem etwas überladenen Dino-Abenteuer, dass zuminderst versucht die Urzeitriesen stets im Fokus zu halten. Von den damals spannungsgeladenen sowie schier unfassbar packenden Überlebenskämpfen der Figuren mit den Dinos ist kaum etwas geblieben und wird heute relativ unspektakulär sowie hektisch durchgepeitscht. Gerade Fans der ersten Stunde werden sich daran stören während die aktuelle Generation quasi nichts anderes mehr kennt. Das Blockbusterkino ist derat glattgebügelt und auf den wirklich niedrigsten gemeinsamen Nenner zusammengestutzt worden damit ja jeder Gefallen finden kann.

 

So wundert es auch nicht das es die Altstars Dern, Neill und Goldblum sind, welche das Geschehen letztendlich vor einer erneut generischen Abfolge einer wenig kreativen Story retten müssen. Anfangs noch 2 parallel verlaufende Handlungsstränge nähern sich die beiden Geschichten langsam aneinander an um etwa zur Filmmitte endlich aufeinander zu treffen. Auf dem Weg darin springt das Geschehen oft wild hin und her wodurch sich sämtliche Charaktere kaum oder gar nicht in Szene setzen können. Schlussendlich bleiben leere Hüllen mit wenig Charisma übrig, während besonders Goldblum ungemein stilsicher brilliert. Als hätten Sie 30 Jahre nichts anderes gemacht ziehen Sattler, Grant und Malcolm alle Blicke auf sich und sind klar die Figuren dank derer man noch Interesse am Geschehen hat.

 

Soundtechnisch rummpelt es ganz ordentlich womit erzählerische Fehler (sowie teils unlogische und charakterschwache Figuren) etwas ausgeglichen werden können. Immer dann wenn einer der Riesenraptoren brüllt vibrieren die Sitze und sorgen damit für ein am ganzen Körper spürbares Erlebnis.

Ansonsten klingt immer wieder mal die bekannte "Jurassic Park" Melodie von John Williams an, wenngleich nur dezent und stets dann wenn jemand der alten Garde zu sehen ist.

 

Fazit: Am Ende sind es die Altstars und der T-Rex dank derer "Jurassic World 3" schlussendlich ein solides Blockbusterkino darstellt.

 

Bewertung:

Genre: 6 von 10 Punkten

Gesamt: 6 von 10 Punkten

 

 

Dark Glasses (Horror/Thriller)

 

In Rom hat ein Serienmörder drei Prostituierte mit einem Cello-Seil erwürgt. Das letzte Seil des Cellisten ist für Diana (Ilenia Pastorelli) bestimmt, einem Luxus-Escort, das in den Hotels der Via Veneto verkehrt. Eines Nachts verfolgt der Wahnsinnige sie mit einem Lieferwagen und rammt sie, so dass sie in ein anderes Auto kracht. Als sie im Krankenhaus erwacht, ist sie in Dunkelheit gehüllt. Die Diagnose ist eindeutig: Sie hat bei dem Unfall ihr Augenlicht verloren. Rita (Asia Argento), eine junge Frau aus dem Blindenverein, hilft Diana bei den ersten Schritten in der Dunkelheit und in ihrem neuen Leben; in der Zwischenzeit ermittelt die Polizei - ohne Erfolg. Doch damit ist es nicht getan. Der Cellist muss sein Werk vollenden. Diana, die von dem chinesischen Waisenkind Chin (Andrea Zhang) unterstützt wird, kann nur versuchen zu entkommen. Das Katz- und Mausspiel hat gerade erst begonnen ...

 

Alles beginnt mit einer totalen Sonnenfinsternis in Rom. Einem überraschen tristen und grauen Rom durch das Diana fährt während quasi alle in den Himmel starren. Ein durchaus skurriler aber aufgrund des Filmtitel doch extrem passender Start des neuen Werks von Dario Agento, dass sich nun aufmacht die deutschen Leinwände unsicher zu machen.

Das Giallo-Kino der 70er und 80er Jahre kehrt endlich wieder auf die Kinoleinwand zurück. Der italienische Thriller "Dark Glasses" ist durchweg eine Homage an dieses besondere Subgenre und sorgt mit seiner geradlinigen, konsequenten und schnörkellosen Inszenierung für ein aufreibendes, spannungsgeladenes sowie intensives Kinoerlebnis.

 

Die spezielle Art des Giallo-Films mit einem Psychopathen als hemmungslosen Mörder der es in diesem Fall auf Prostituierte abgesehen hat (und auch keine Scheu hat andere Beteiligte gnadenlos zu töten) in die heutige Zeit mit all den modernen Dingen wie Handys zu übertragen ist zweifelsfrei ein Kunststück. Neben dem sehr präsenten und sich wiederholenden atmosphärischen Score (der verdammt viel Stimmung macht) ist es vorallem Hauptdarstellerin Ilenia Pastorelli als blinde Sexarbeiterin auf der Flucht dank derer der Thriller so ungemein fesselnd ist. Ohne große Erklärungen ergibt sich auch das Motiv des Mörders, der ohne das große Geheimnis offen gezeigt wird und mit fokussierten aber bösen Blick agiert. Viele Nahaufnahmen von Dianas angstverzehrtem Gesicht sind ebenso stark inszeniert wie teils wackelige Aufnahmen bei den Mordszenen.

 

Vieles spielt sich im Dunklen ab, Lichtquellen sind rar und das Unwohlsein der Nacht dient als perfekter Begleiter für den als Hündezüchter arbeitenden Matteo auf seiner Mördertour. Das es im absolut packenden Finale ausgerechnet ein Hund ist der den Täter zur Strecke bringt ist einerseits logisch aber auch ein Ausdruck der konsequenten Inszenierung. Mit einer ordentlichen Menge Kunstblut (hätte gerne auch mehr sein dürfen) werden die Morde authentisch dargestellt und entwickeln durchaus eine ekelige Note. Das Essen von Snacks oder Popcorn kann für den ein oder anderen Kinobesucher hier besonders unangenehm werden.

 

Es empfiehlt sich jedoch "Dark Glasses" in seiner Orginalfassung mit deutschen Untertiteln zu sehen (ähnlich wie seinerzeit "Midsommar) da gerade so alle Emotionen und Diana's Angst bestmöglich zur Geltung kommen. Nebenbei kommt dadurch auch das zweifelsohne deutlich erwünschte italienische Temperament des Casts ungefiltert beim Zuschauer an, was definitiv durch die deutsche Synchro verloren gegangen wäre.

 

Gesehen habe ich den Thriller in der Orginalfassung mit deutschen Untertiteln

 

 

Fazit: Am Ende vielleicht einen Tick zu unblutig ist "Dark Glasses" dennoch ein wunderbares Beispiel wie intensiv italienischer Giallo-Thriller im modernen Gewand funktioniert.

 

Bewertung:

Genre: 8 von 10 Punkten

Gesamt: 8 von 10 Punkten

 

 

Die Geschichte der Menschheit - leicht gekürzt (Komödie)

 

Am 20. August 1977 schickt die NASA die Raumsonde Voyager ins All. Mit an Bord: die sogennante Golden Record, ein Datenträger, auf dem das Team um Forscher Dr. Gerhard Friedle (Christoph Maria Herbst) das gesammelte Wissen der Menschheit gespeichert hat. Und tatsächlich wird die Raumsonde von einem Alien-Raumschiff gefunden. Die Tentakel-Wesen staunen nicht schlecht, als sie auf der Golden Record der NASA einen Film finden, der die Geschichte der Menschheit nacherzählt. So kommt heraus, dass selbst in der Steinzeit Fake News schon gang und gäbe waren, die griechischen Philisophen rund um Platon und Heraklit verehrt wurden wie Rockstars und die Titanic nicht wegen eines Eisbergs sank. Die Aliens sind erstaunt von der offensichtlich idiotischen Verhaltensweise der menschlichen Rasse und beschließen, dass sie verhindern müssen, dass die Menschen ihren Heimatplaneten je verlassen, um dem Rest des Universums das Chaos und Leid zu ersparen...

 

Nach der bereits sehr unterhaltsamen TV-Serie "Sketch History" gibt es nun einen Kinofilm mit gleichem Ansatz, erzählt in einzelnen Episoden. Jedoch ist anders als bei der Serie das ZDF nicht mit an Bord weshalb der Streifen von Erik Haffner nicht 1 zu 1 als Adaption für die Leinwand zu sehen sein sollte. Angefangen bei feiernden Einzellern bis hin zu einer Weihnachtsfeier der NASA bietet die deutsche Komödie eine verrückte und geschichtlich natürlich nicht korrekte Zeitreise durch die Geschichte der Menschheit, welche ja voller historisch wichtiger Abschnitte ist. Das hierbei nicht alle Epochen oder Berühmtheiten Einzug halten ist dabei ebenso deutlich wie eine nicht zu übersehende deutsche Brille mit der die Macher agieren. Schließlich ist etwa ein Störtebecker in der weltlichen Geschichtsschreibung unbedeutender als seine Piratenkollegen Blackbeard oder Francis Drak. 

 

Immer wieder mit Anspielungen an die Moderne versehen (etwa das die Architekten der chinesischen Mauer aus Berlin sind und sich nur dort eine Mauer vorstellen können) sowie mit kurzen gesellschaftlichen, sozialkritischen und aktuellen Problemen geschmückt führt uns Christoph Maria Herbst als wortgewandter Professor durch die einzelnen Episoden in denen eine riesige Ansammlung deutscher Stars mehr oder weniger umfangreiche Rollen bekleidet. Besonders amüsant geht der Film auf die Entstehung bzw. die historische Macht von Religion ein, was als absolut witziger Werbetrailer samt einer abgewandelten "Zu Risiken und Nebenwirkung" Info gezeigt wird.

 

Wer hier Tiefe oder gar political Correctness sucht sollte diesen charmanten Film von vornherein meiden. Und ganz ehrlich: es darf auch mal etwas lockerer, ungezwungener und inhaltlich freier sein, besonders in Zeiten wie diesen. Geschichtlich Interessierte werden ohnehin auf Dokus ausweichen während "Die Geschichte der Menschheit - leicht gekürzt" als vorrangiger Unterhaltungsfilm groß und klein begeistern kann. Zudem vermeidet Erik Haffner es das ansonsten im deutschen Mainstream übliche Überdrama aufzugreifen und stellt lieber seine Gags in den Vordergrund. Diese sind zwar meistens nicht besonders intellektuell oder zeichnen sich durch besondere Kreativität aus, aber das Ergebnis stimmt und der Kinosaal kann schmunzeln oder laut lachen. 

 

Detailreiche, umfangreiche und durchweg schön gestalltete Kulissen, authentische Kostüme und ein paar witzige Gesangseinlagen der Darsteller sowie die tolle Kameraarbeiten beweisen wie angenehm humorvoll deutscher Film sein kann. Gerade die Songs stehen für eine augenzwinkernde Sichtweise auf die Geschichte von uns Menschen, die dank einer geilen Schlussszene mit der erwachsenen Greta perfekt endet. Ob uns irgendwann mal ein solches Schicksal (Finalszenen) ereilt (und wir wie im Film was den Klimawandel betrifft die Kurve kriegen) steht ebenso in den Sternen wie auch die Möglichkeit das die goldene Platte von Voyager eines Tages von Außerirdischen gefunden sowie gelesen wird.

 

Fazit: Wer schon mit "Sketch History" seine helle Freude hatte wird auch beim Film von Erik Haffner Spaß haben, wobei dieser durchaus noch bissiger in seinen Gags hätte sein dürfen.

 

Bewertung:

Genre: 7 von 10 Punkten

Gesamt: 7 von 10 Punkten

 

 

 

Massive Talent (Action/Komödie)

 

Einst war Nicolas Cage (gespielt von Nicolas Cage) ein Superstar. Doch damit ist es schon lange vorbei, wie sein jüngeres Ich aus den 90ern ihn in Zwiegesprächen immer wieder erinnert. Denn er hat einfach zu viele Scheißfilme gedreht. Eine Rolle im neuen Projekt eines jungen Ausnahmeregisseurs (David Gordon Green) könnte die tote Karriere wiederbeleben, doch Cage drücken zwei andere Probleme noch mehr: Er hat Schulden und seine Tochter will nichts mehr von ihm wissen. Da macht ihm der Milliardär Javier Gutierrez (Pedro Pascal) ein verlockendes Angebot: Cage soll für eine großzügige Bezahlung als Star bei seiner Geburtstagsparty auftreten. Doch kurz darauf steht die CIA bei dem Schauspieler auf der Matte: Der Milliardär ist ein gefürchteter Waffenhändler und Cage soll undercover für die CIA Informationen bei der Party beschaffen. Zu der lädt Cage-Superfan Javier dann plötzlich auch noch Ex-Frau Olivia (Sharon Horgan) und die Tochter des Stars ein, um dem bei der Versöhnung zu helfen. Und so muss Cage die Rolle seines Lebens spielen, denn wenn er auffliegt, ist nicht nur er in Gefahr…

 

Für die jüngere Generation ist er, falls man Ihn kennt, ein Relikt aus den 90er Jahren und aufgrund seiner in den letzten Jahren häufigen S....filmen vielfach eine Lachnummer. Doch nun ist einer der sympathischten und verrücktesten Darsteller wieder zurück auf der großen Kinoleinwand: Nicolas Cage

Wohl kaum ein Schauspieler hat so eine bewegte und facettenreiche Karriere wie eben jener Nicolas Cage. Vom gefeierten Oscar-Preisträger (für seine herausragende Performence in "Leaving Las Vegas") zum rühmlichen Star der B-Movie Trashszene der quasi nur durch sein Overacting auffällt. Während wohl viele Darsteller aus diesem Loch bzw. dieser Schublade nicht mehr heraus kommen oder aufgeben hat sich Cage (auch durch Steuerschulden getrieben) seinem Schicksal nicht ergeben sondern konsequent Filme gedreht was mit "Massive Talent" im großen Comeback mündet.

 

Und wie kehrt man als verrückter Darsteller zurück? Genau, in dem man sich selbst spielt. Dies bekommen wir in der massiv unterhaltsamen Action-Komödie auch zu spühren: Nicolas Cage in Höchstform bzw. als das was er am Besten kann. Neben unzähligen Anspielungen auf seine Klassiker (etwa die Szene aus "Con Air" als er den Kuschelhasen an seine Filmtochter zurück gibt) oder interessanten Filmrequisiten (bsp. die Motorsäge aus "Mandy") darf Cage sein gesammtes Können mitsamt aller bekannten Facetten abrufen und ist zweifelsohne der Mittelpunkt des Films. Die eigentliche Rahmenhandlung ist dabei relativ egal, zumal Nicolas Cage jede Szene mit seinem erneut grandiosen Overacting (was er jedoch angenehm dosiert) dominiert.

 

Und sind wir mal ehrlich: niemand wirkt so cool auf LSD wie Cage und wir wussten schon immer um sein schamanisches Schauspieltalent. Als Co-Star und größter Fan agiert Pedro Pascal mit phasenweise ähnlich verrückten Overacting während etwa ein Neil Patrick Harris wie auch Tiffany Haddish (auch wegen kleiner Rollen) kaum in Erscheinung treten. Einerseits natürlich schade, aber andererseits bleibt somit mehr Screentime für den eigentlichen Star von "Massive Talent". Neben unzähligen verdammt witzigen sowie charmant-unterhaltsamen Momenten gibt es aber auch den emotionalen Cage zu sehen. Erst weint er zu "Paddington 2" um im durchaus grandiosen Finale voller Rührung im Kinosaal zu sitzen während das Publikum applaudiert. Dies ist übrigens sogar eine meiner absoluten Lieblingsszenen des Films.

 

Rein technisch gesehen ist die Action-Komödie von Tom Gormican ein durchweg solide inszenierter Genremovie, der jedoch im positiven Sinne auch unter die Rubrik Edel-Trash fallen kann. Neben angenehm kräftigen Farben, sonnigen spanischen Kulissen (Achtung es besteht die Gefahr Urlaubsfeeling zu bekommen) und der teils hektischen Kameraarbeit, die trotz zahlreicher Verfolgungsjagdszenen stets nah am Geschehen bleibt, wird das Genre nicht neu erfunden, was aber kaum die Absicht der Macher gewesen sein wird. Das im Vergleich zu seinen letzten Auftritten gigantisch hohe Budget sieht man "Massive Talent" in jeder Sekunde an, egal ob man gerade in der Villa am Pool sitzt oder SUV's in die Luft fliegen.

 

Blickt man mal nicht durch die rosarote Cage-Brille dürften Fans von Action-Komödien hier Ihren Spaß haben, wenngleich natürlich der Plot bzw. die Handlung inhaltliche Schwächen aufweisen und sich ziemlich weit von der Realität bewegen. Anfangs eine durchaus trashige Komödie mit flotten Sprüchen und einem betrunkenen Cage am Piano kommt zum finalen Drittel ein Genrewechsel hin zu einer Actionstory mit Thrillerelementen. Hier wird "Massive Talent" auch "härter" in seiner Gangart inkl. einiger Toter sowie crashender Autos und Schießereien.

 

Fazit: Nicolas Cage spielt Nicolas Cage beim großen Kino-Comeback des Oscar-Gewinners. "Massive Talent" ist für Cage-Fans ein Muss, zumal dieser hier einfach das machen darf was er am besten kann

 

 

Bewertung:

Genre: 8 von 10 Punkten

Gesamt: 9 von 10 Punkten

 

 

The Lost City (Action/Komödie/Abenteuer/Romanze)

 

Loretta Sage (Sandra Bullock) ist eine brillante Autorin, die zurückgezogen lebt und sich Liebes- und Abenteuerromane über exotische Orte ausdenkt. In den Geschichten geht es um den gutaussehenden Dash, der stets auf den Romancovern abgedruckt ist und vom selbstverliebten Modell Alan (Channing Tatum) verkörpert wird. Auf einer Buch-Tournee mit Alan wird Loretta entführt: Der exzentrische Milliardär Fairfax (Daniel Radcliffe) steckt dahinter und verlangt von der Autorin, ihn zum Schatz der antiken verlorenen Stadt aus einem ihrer Romane zu führen. Alan reist zur Rettung von Loretta in den Dschungel, wo er beweisen will, dass er ein echter Held ist und mehr auf dem Kasten hat als nur zu posen. Ein tropisches Abenteuer nimmt seinen Lauf. Alan und Loretta müssen ein Team werden, um die Gefahren des Urwalds zu überleben und den Schatz zu finden. Doch es würde enorm helfen, wenn Alan dabei nicht dermaßen unbeholfen wäre...

 

Das großes Starkino auch noch 2022 funktioniert beweist doe durchaus unterhaltsame Action-Abenteuer-Komödie "The Lost City" welche gleich 4 namhafte Darsteller unter einem Dach vereint. In Ihrem wohl letzten Film beweist Sandra Bullock noch einmal Humor und darf durchaus als der prägnante Glanzpunkt bezeichnet werden. Und das nicht nur wegen des lilanen Glitzeranzugs mit tiefem Auschnitt sondern vorallem aufgrund der sehr amüsanten Beziehung zu Ihrem Filmpartner Channing Tatum weshalb "The Lost City" weniger ein Abenteuer im Indiana Jones Stil ist als eine witzige Lovestory. Deutet der Trailer noch eine deutlich abenteuerlastigere Handlung an entpuppt sich das Werk der Nee-Brüder letztendlich als eine dieser Liebesgeschichten wie man sie augenscheinlich schon tausendfach gesehen hat. Und ja, recht viel Neues bietet "The Lost City" auch nicht und nutzt lediglich das ungewohnte Setting mit Dschungelbildern im Überfluss als sein Herausstellungsmerkmal.

 

Die Suche nach dem Schatz auf der tropischen Insel ist absolute 08/15 Ware wodurch natürlich sämtliche Nebenfiguren kaum der Rede Wert sind. Ein Daniel Radcliffe als etwas kindisch-bockischer Bösewicht ist dabei genauso eine Randnotiz wie der eigentliche Reichtum des vor jahrhunderten verstorbenen Inselkönigs. Man kann durchaus sagen das die Rahmenhandlung unter Palmen an jene aus "Indiana Jones und das Reich des Kristallschädels" angelehnt ist ohne inhaltlich mit dieser auch nur ansatzweise mithalten zu können. Etwas albern wirken zudem alle Versuche des Drehbuchs den Figuren tiefgängige Charakterzüge oder gar eine authentische Wandlung aufzuerlegen.

 

Schließlich sind die Rollen von Anfang an klar verteilt und quasi in Beton gegossen wozu auch die Besetzung mit Bullock und Tatum einen wesentlichen Beitrag leisten. Während der 41-jährige Darsteller bisher überwiegend mit sehr klar definitierten Rollen in Komödien einfach das Image als nicht wirklich ernst zunehmender Charakter perfekt ausfüllt wird die 57 Jahre alte Sandra Bullock den Stiefel als leicht chaotische Romcom-Darstellerin vollends gerecht. Dies ist aber in "The Lost City" überhaupt kein Problem da die Chemie der beiden perfekt stimmt und sie als ungleiches Filmpärchen mit offensichtlichen Klischees ein mega sympathisches sowie unterhaltsames Abenteuer mit Happy End erleben. So ziemlich jeder als humorvoll gedachter Moment sitzt und bringt das Publikum zum Lachen.

 

Im Fokus stehen unterhaltsame, leicht romantische aber stets urkomische Dialoge denen eine gewisse Zweideutigkeit nicht abzusprechen ist. Auch hier sollte niemand besonders viel Tiefsinnigkeit erwarten, während es ebenfalls die wenigen Szenen mit dem Versuch eines etwas ernsteren Tones sind die schlichtweg einen Tick lächerlich und unpassend rüber kommen. Lasst das einfach weg und beschränkt euch auf das was hier besonders gut funktioniert will man den Regisseuren zurufen, zuminderst ging es mir so. Ansonsten ist "The Lost City" genau das was man erwarten kann: ein seichter sowie kurzweiliger Liebes-Abenteuerfilm mit gleich 4 Stars unter einem Hut.

 

Während Daniel Radcliffe wohl immer noch nicht so ganz von seiner Rolle als "Harry Potter" loszukommen scheint, obwohl er sich ja immer wieder Rollen sucht die in eine komplett andere Kerbe schlagen, wirkt der Darsteller hier leider extrem austauschbar und es gelingt Ihm nur sehr begrenzt seinem Charakter einen gewissen Stempel aufzudrücken. Eigentlich absolut schade, mag ich Radcliffe doch sehr und seine Darbietungen etwa in "Guns Akimbo" oder "Flucht aus Pretoria" beweisen sein Talent sowie Charisma deutlich. Etwas mehr aus dem Schatten seiner kleinen Nebenrolle kann Brad Pitt schlüpfen, der in den wenigen Minuten seiner Screentime reichlich Actionszenen samt körperlicher Fitness zeigen und zudem ein paar freche Sprüche in Richtung Alan raushauen darf. Hierzu nutzt  Pitt einfach seine Erfahrung sowie seine unfassbar immense Ausstrahlung um nach dem Film im Gedächtnis des Publikums zu bleiben.

 

 

Optisch absolut in Ordnung mit reichlich Dschungel ist der Film vielleicht nen Tick zu sehr auf Hochglanz poliert während der tolle Soundtrack (vorallem der Track "The Final Countdown") begeistern kann. Neben einigen tollen Drohnenaufnahmen bei denen die Kamera über den Figuren ihre Kreise zieht um die Insel als ein relativ weitläufiges Island zu zeigen sind es die durchweg sehr genretypischen Aufnahmen der Handlung welche sofort auffallen. Jedoch scheint es hier und da einen Denkfehler in der finalen Geografie der Insel zu geben, da die vielen "Berge" bei allen Bildern vom Meer aus deutlich kleiner ausfallen oder gar nicht als solche erkennbar sind. Auch fragt man sich gerade zum Ende hin wo genau der Vulkan nun steht und ob es sich nicht doch um eine Inselgruppe handelt, da einige Szenen hierzu ziemlich undeutlich ausfallen.

 

 

 

Fazit: In Ihrem wohl letzten Film ist Sandra Bullock nochmals der große Star und darf in einer abenteuerlichen, witzigen sowie unterhaltsamen Liebesgeschichte den Dschungel unsicher machen.

 

Bewertung:

Genre: 7 von 10 Punkten

Gesamt: 7 von 10 Punkten

 

The Innocents (Horror/Drama)

 

Die Geschwister Ida (Rakel Lenora Fløttum) und Anna (Alva Brynsmo Ramstad) ziehen mit ihren Eltern in eine Hochhaussiedlung. Ida kann der neuen Umgebung wenig abgewinnen, ihr Ärger entlädt sich dabei auch an ihrer älteren Schwester, die an einer Form von Autismus leidet und darum nicht spricht. Auf dem Spielplatz der Siedlung findet Ida neue Freunde, Aisha (Mina Yasmin Bremseth Asheim) und Ben (Sam Ashraf). Das Mädchen hat telepathische, der Junge hat telekinesische Kräfte. Ihr Einsatz erfolgt zu mitunter grausamen Zwecken. Unschuldig ist hier schon bald niemand mehr...

 

 

 

 

Das Kinder grausam sein können bzw. auch sind ist bekannt und gehört wohl zur menschlichen Evolution. Der norwegische Drehbuchautor und Regisseur Eskil Vogt nimmt sich dieses Phänomens an, würzt die Thematik mit einer Riesenportion Mystery und lässt mit "The Innocents" ein Meisterwerk des mordernen Horrors auf sein Publikum los. Zwar besitzt der knapp 2 Stunden lange Film auch Elemente des Dramas sowie eines Thrillers aber ähnlich wie "Midsommar" ordne ich das Werk dem Horror zu. Gnadenlos intensiv, schockierend, brutal und ein verdammter Schlag in die Magengrube sind nur einige Schlagwörter mit denen man die teils heftigen Szenen beschreiben kann während die mysteriösen Kräfte der Kinder deutlich an "X-Men" erinnern und auch nur von diesen wahrgenommen werden können.

 

Dabei setzt der Norweger auf eine ruhige und aus Kinderaugen erzählte Inszenierung wodurch sich das Publikum ungemein schnell und schnörkellos in die Lage der Protagonisten hineinversetzten kann. Ähnlich wie Ari Aster's Meisterwerk über das schwedische Midsommar-Fest gelingt es Vogt mit "The Innocents" selbst Horrorfans noch zu schocken und in seinen Bann zu ziehen wodurch man am Ende einfach nur froh ist wenn das Grauen mit der Betätigung der Saalbeleuchtung erlischt. Schon relativ zeitnah gibt Vogt den Takt seiner Inszenierung vor, als wir etwa sehen wie Ida Ihre Schwester im Auto bewusst zwickt oder dieser kurze Zeit später Glassplitter in die Schuhe legt.

 

Der Zuschauer soll das junge Mädchen als das Böse wahrnehmen und keinerlei Sympathien aufbauen. Doch wie so oft kommt es dann doch anders und Ida durchlebt eine Charakterwandlung womit das wahre Böse in Form von Ben zum Vorschein kommt. Dabei soll jedoch keinesfalls die kindliche Unschuld verloren gehen wie "The Innocents" immer wieder eindrucksvoll zu betonen weiß. Verkürzt gesagt sind die Kinder aufgrund Ihres Alters einfach weder Gut noch Böse sondern einfach nur Kinder. Gerade diese Ambivalenz zwischen Grausamkeiten/Kälte und Naivität/Unschuld kann Vogt besonders ausdrucksstark hervorheben und als zentrales Element seiner Geschichte präsentieren. Einerseits das spielerische Ferienleben, andererseits die unheimlichen Kräfte, mit denen schreckliche Dinge vollzogen werden.

 

Gerade Momente wie etwa das Hinunterwerfen einer Katze (mit anschließender Tötung) oder der offene Bruch am Bein sind nichts für schwache Gemüter zumal Vogt noch auf eine extrem drückende sowie düstere Atmosphäre setzt welche dank des sehr präsenten Soundtracks (oftmals ein Klingeln/Läuten) nochmals besonders hervorgehoben wird. Immer wieder stockt einem der Atem wenn die wenigen dafür aber umso effektiveren Horrorszenen aufflimmern und für einen kurzen Moment eine kaum zu übertreffende Grausamkeit an den Tag legen. Ein ähnliches Rezept hatte seinerzeit ja auch "Midsommar", der im Vergleich zu "The Innocents" gleichwertig erscheint. Solche Filme haben ihr spezielles Publikum und werden daher nur in Genrekreisen gefeiert.

 

Bewusst als radikales Horror-Werk inszeniert hat "The Innocents" auch einige unfassbar zärtliche Momente zu bieten, wie etwa die Sandkastenspielchen von Anna und Aisha welche eine besonders innige Verbindung zu besitzen scheinen. Was jedoch alle Figuren bzw Kinder gemeinsam haben: In Ihren Familien liegt etwas im Argen. Ben ist es leid ständig umzuzuziehen, Aisha's Eltern sind getrennt und Anna hat diese schreckliche Krankheit, wobei sich zusehens herausstellt, dass die scheinbar schwächste Figur die stärksten Kräfte besitzt. Obwohl es zum finalen Showdown kommt scheint dieser letzte Kampf am Ende dann doch eher ein kleines Duell zu sein, welches ausschließlich von den umherspielenden Kindern wahrgenommen wird.

 

Zuletzt überzeugt der perfekt zusammengestellte Cast mit authentischen Darbietungen, zu denen auch eine gewisse Kälte und Gewissenlosigkeit zählt. Jedes kleine Rädchen greift nahtlos ins andere über, die Harmonie untereinander stimmt und sämtliche Talente kommen perfekt zur Geltung. Das Vogt den Ursprung der Kräfte quasi nicht thematisiert lässt das Publikum mit einem mulmigen Gefühl den Kinosaal verlassen.

 

Fazit: Mit seinem erschreckend intensiven, verstörenden und verdammt stark gespielten Horror-Drama im düsteren X-Men Stil gelingt Eskil Vogt ein Werk welches zu den besten Genrevertretern der letzten 15 Jahre zählt.

 

Bewertung:

Genre: 10 von 10 Punkten

Gesamt: 10 von 10 Punkten

 

Die Odyssee (Animation/Drama)

 

Irgendwo in Europa. Eine neue Macht tritt hervor, deren rechter Arm „La fraternité Renaissance“ alles tötet und zerstört was ihnen im Weg ist. Aufgrund von Armut, Krieg und Fanatismus müssen viele Leute aus ihrer Heimat fliehen. Kyona (Stimme im Original: Emilie Lan Dürr / deutsche Stimme: Derya Flechtner) und Adriel (Maxime Gemin / Max Asmus) versuchen ihren Verfolgern zu entkommen und in ein Land zu fliehen, das einladender ist...

 

 

 

 

 

 

 

Komplett in der Öl auf Glas Technik gedreht und aktueller den je. Das wunderschön animierte Drama von Florence Miailhe handelt von Flucht, Verlust, Kinderhandel und der beständigen Suche zweier Geschwister nach einem neuem Zuhause. Dabei erscheint die fiktive Story, welche angelehnt ist an die Flucht der eigenen Großmutter 1920 aus Odessa, besonders in Zeiten wie diesen mit Krieg in der Ukraine, Syrien oder so vielen Teilen der Welt schmerzlich aktuell. Berührend, nahbar, emotional und für alle Altersgruppen gerecht aufgearbeitet fühlen sich die knapp 84 Minuten phasenweise extrem schmerzvoll an.

 

Besonders hervorzuheben ist der außergewöhnliche ästhetische Stil mit der Öl auf Glas Technik dank derer die Brutalität zwar nur angedeutet aber visuell erstaunlich präsentiert wird. Sicherlich dürfte die spezielle Optik in Zeiten von Ultra-HD Bildern gewöhnungsbedürftig sein, werden aber jeden begeistern der bereit sich darauf vollends einzulassen. Das Spiel mit den Farben verdeutlicht diesen Aspekt nochmals mehr als deutlich, da hier das Böse mit entsprechender Colorierung (rot, schwarz, grau) stilisiert über die Leinwand flimmert. Sind alle Orte des Leidens bzw. der Odyssee entsprechend leblos, trist und traurig gehalten, erzeugen die Zufluchtsorte mit ihren bunten und warmen sowie kräftigen Farben ein Gefühl der Hoffnung während sie Zuversicht ausstrahlen. Ebenfalls erwähnswert ist das durchweg angewandte Spiel mit Schatten und verblasenden Figuren/Gegenständen.

 

Sei es der verschneite Wald, der bunte Zirkus oder das am Ende endlich erreichte Land; hier wechselt die Stimmung ins Positive und gibt den beiden Geschwistern einen Moment das Gefühl von Sicherheit. Allgemein lässt sich sagen das "Die Odyssee" der perfekte Film ist Kindern die durchaus schwierige Thematik von "Flucht" eindringlich und visuell verständlich erklärbar zu machen. Daher würde ich dieses animierte Drama auch als pädagogisch wertvoll erachten und für den Einsatz im Schulunterricht zwingend empfehlen. Dazu trägt auch die angenehm kurze Laufzeit bei, wobei es gerne noch etwas mehr sein hätte können. So bleibt das Schicksal der vielen Nebenfiguren bis zum Ende unklar womit natürlich Fragen aufkommen werden beim jüngeren Publikum.

 

Mit passender, oft sehr atmosphärischer sowie tragischer Musik begleitet wird die Geschichte von einer älteren Frau aus dem Off erzählt, quasi als Bericht der eigenen Vergangenheit. Ein Film der nachdenklich stimmt während er gleichzeitig so verdammt humane Züge aufweist und zeigt das trotz des Bösem Menschlichkeit vorhanden ist. Noch ein paar Worte zur Technik von "Die Odyssee". Diese ist extrem aufwendig und reine Handarbeit womit das Team einerseits eine emotionale Distanz aber auch Verbundenheit erschaffen hat.

 

Fazit: Florence Miailhe sorgt mit Ihrer Coming-of-Age Geschichte in Öl-auf-Glas-Animationen für ein pädagogisch wertvolles Werk das besonders Kinder mit der Thematik "Flucht und Vertreibung" vertraut machen kann.

 

Bewertung:

Genre: 8.5 von 10 Punkten

Gesamt: 8 von 10 Punkten

 

 

Meine schrecklich verwöhnte Familie (Komödie)

 

Das Leben als Superreiche Familie ist schon ziemlich öde, nicht so bei den Bartek's aus Monaco.

 

Bislang haben Philippe (Artus), Stella (Camille Lou) und Alexandre (Louka Meliava) ein sorgloses und verwöhntes Leben auf Kosten ihres Vaters Francis Bartek (Gérard Jugnot) geführt. Doch nun reicht es dem erfolgreichen Geschäftsmann und Millionär mit seinen verzogenen und längst erwachsenen Kindern und er beschließt ihnen eine Lektion zu erteilen, damit sie endlich auf eigenen Füßen zu stehen lernen. Er tut so, als wäre er pleite und würde noch dazu von der Polizei gesucht. Nun müssen Philippe, Stella und Alexandre zum ersten Mal in ihrem Leben selbst Verantwortung übernehmen und für ihren Unterhalt arbeiten...

 

Was verbindet man mit den Begriffen "Superreich", "Monaco" oder "Junge Menschen"? Genau, schnelle und teure Autos, Alkohol, Party und zügelloser Sex als gäbe es kein Morgen. Genau diese Ausgangslage findet der Zuschauer in der französischen Komödie "Meine schrecklich verwöhnte Familie" vor, bei der jeder gleich zu Beginn recht deutlich die verwendeten Klischees erkennt. Die Bartek-Kinder erfüllen schließlich alle Vorurteile über die Sprößlinge von Millionären, da niemand jemals im Ansatz gearbeitet hat und das Geld für Designerklamotten sowie ausufernde Partys raushauen. Als Ottonormalverbraucher kann man entweder den Kopf schütteln, sich darüber aufregen oder wie in diesem Film gewünscht ausführlich amüsieren. Vorallem deshalb, weil Stella, Alexandre und Philippe nicht nur reich sondern augenscheinlich auch recht dumm, naiv und wenig sympathisch sowie tollpatschig sind. Allgemein setzt Regisseur Nicolas Cuche durchweg mit Klischees, Oberflächigkeiten und einer durchweg vorhersehbaren Handlung.

 

Deshalb den Film nicht schauen? Keineswegs, zumal der Unterhaltungswert dann doch gegeben ist und einige heftige Lacher darüber hinweg sehen lassen wie inhaltslos der Film letztendlich dann doch ist. Zwar versuchen sowohl das Drehbuch als auch Cuche an einigen Stellen ein wenig Ernsthaftigkeit sowie Charaktertiefe einzubauen, was aber an einer konsequenten Umsetzung scheitert. "Meine schrecklich verwöhnte Familie" soll ein kurzweiliges Unterhaltungsvergnügen auf Kosten der Reichen darstellen; nicht weniger aber auch nicht mehr. Am Besten schaltet man bei Filmbeginn sein Hirn aus und lässt sich vom bekannten französischen Humor begeistern, der anders als in Deutschland seine dramatischen Momente auf elegant leichtfüßige und unbeschwerte Art löst ohne dabei ein Stimmungsloch zu erzeugen. So farbenfroh, sonnig und mediterran wie das Setting ist auch die Atmosphäre während der 95 Minuten, die recht zügig durchlaufen.

 

Neben dem prächtigen Anwesen in Monaco (inkl. einem Fuhrpark sehr teurer Edelschlitten) spielt sich das Geschehen auf dem heruntergekommenen Sitz von Francis Familie bei Marseille sowie der Stadt selber ab, ohne das es dabei zu einem Abfall der Ausstattungsformel kommt. In schöner abwechselnder Reihenfolge blickt man auf die zarthaften Versuche der drei verwöhnten Kinder sich in der Arbeitswelt zu behaupten, was natürlich anfangs zum Scheitern verurteilt ist. Der ein oder andere Zuschauer wird sich hier in seinem Vorurteil bestätigt fühlen das die Kinder von Reichen zwei linke Hände haben und aufgrund der fehlenden Nähe zum Normalbürger kein Gespür für harte Arbeit oder den richtigen Tonfall besitzen. Cuche inszeniert diese Szenen stets mit einem Unterton von Schadenfreude ohne dabei auch nur ansatzweise über die Stränge zu schlagen. Ich denke mal jeder Millionär kann darüber lachen und sich amüsieren, fehlt es dem Film doch eindeutig an einer bitterbösen Note mit einem Funken Kritik am Lebensstil.

 

Sieht man "Meine schrecklich verwöhnte Familie" mal von seiner Einordnung ins Genre der Komödien bekommt das Publikum einen durchweg generischen Vertreter präsentiert, der weder besonders orginell noch kreativ ausfällt und schon gar nicht mit großer Charakterentwicklung aufwartet. Die gezeigten Besinnungen aufs Wesentliche nimmt man weder Francis noch seinen drei Sprösslingen ab, da diese viel zu plötzlich und ohne Reifung auftreten und einzig dazu dienen die Filmlaufzeit nicht allzu sehr in die Länge zu ziehen. Ehrlich gesagt erwarte ich bei einer Komödie mit dieser Thematik oder Erzählstil auch keine groß auferlegten Charakterwandlungen. Jedoch hätte Cuche dem Ganzen etwas mehr Glaubwürdig verleihen können indem die Sprünge nicht ganz so krass ausfallen.

 

Neben der eigentlichen Handlung kommen noch eine für Promis typische Romanze sowie die auf dem gemeinsamen Schuhgeschmack basierende Freundschaft von einem der Söhne mit einem Radtaxifahrer hinzu, bei denen Cuche ebenfalls alle Register im Bezug auf Klischees zieht.

Gerade Juan Carlos bekommt ordentlich sein Fett weg und wird als geldgeiler und gutaussehender Heiratsschwindler gezeichnet, der in der Abschlussszene nochmals mit einer kleinen Idee für den großen Lachabgang im Saal sorgt.

Jedoch sind quasi alle Figuren mit Ihren oberflächigen Charaktereigenschaften ein Sinnbild für die Meinung über die Reichen von Monaco. Und hier lässt Cuche wirklich kein noch so kleines Fettnäpfchen aus, als er bsp Stella als Möchtegernprinzessin zeigt, die erst eine wertvolle Uhr des Bruder verkauft um sich davon dann teure Kleidungsstücke anzuschaffen statt etwas Essen für die Familie zu besorgen. Lieber im Glanz verhungern als auf Luxus zu verzichten lautet das simple Motto.

 

Zu den Darstellern gilt es an sich wenig zu sagen, da diese bei solch problemlosen Figurenvorlagen praktisch nicht versagen können. Ob es sich in der ein oder anderen witzigen Szene um perfekt gespielte Dummheit oder persönlicher Tollpatschigkeit handelt lässt sich abschließend nicht mit Sicherheit sagen. Eines kann man jedoch zweifesfrei feststellen: Jeder Schauspieler muss am Set Spaß gehabt haben, da die Figuren sonst nicht so unbeschwert über die Leinwand huschen können. Einen Favoriten zu küren fällt deshalb schwer, da die Gruppe als homogene Einheit recht gut funktioniert und viel Spaß bereitet.

Technisch gesehen befinden sich die relevanten Komponenten alle im soliden Bereich und sorgen für eine genretypische französische Komödie mit entsprechender Bildsprache. Das Gewöhnliche steht im Fordergrund, vermeidet man doch damit unnötige Fehler und spricht ein breites Publikum an. Musikalisch aber sollten alle Senioren weghören, da es ausschließlich Party- bzw. Clubtaugliche Tracks in die Liste geschafft haben, die dann auch sehr präsent und dominant verwendet werden.

 

Tatsächlich fallen mir auch keine weiteren nennenswerten Punkte mehr zu diesem Film ein, der sich wie bereits erwähnt überwiegend durch seine Durchschnittlichkeit in allen Bereichen auszeichnet und Anfang November in den deutschen Kinos Premiere feiern soll. Wer auf diese seichte Art von Unterhaltung steht und zudem den französischen Film mag wird hier auf jeden Fall eine gute Zeit haben, die anderen welche auf Komödien mit etwas Tiefe suchen können zwar auch lachen werden aber ansonsten kaum einen positiven Punkt nennen können.

 

 

Fazit: Tiefsinnigkeit oder ähnliches sollte man bei dieser Komödie aus Frankreich nicht suchen, dafür wird man mit Klischees und einer oberflächigen und ziemlich vorhersehbaren Handlung konfrontiert. Kurzweilige Unterhaltung ist aber durchaus gegeben.

 

Bewertung:

Genre: 6 von 10 Punkten

Gesamt: 7 von 10 Punkten

 

 

Stand Up! Was bleibt, wenn alles weg ist (Drama)

 

Charlie Schwarzer (Timo Jacobs) galt mal als großer Star der deutschen Stand-Up-Comedyszene, doch diese Zeiten sind lange vorbei. Mittlerweile ist vom Erfolg nicht mehr viel übrig und Charlie häuft immer mehr Schulden an. Als wäre dieser Zustand nicht schon belastend genug, wird er zusätzlich noch von Emilie, der Liebe seines Lebens, abserviert. Von nun an versucht der gescheiterte Komiker, alle drei Probleme auf einmal zu lösen, da bietet ihm sein Schwiegervater eine Lösung an, dass Charlie fast nicht ablehnen kann. Doch die Sache stinkt so sehr, daran muss etwas faul sein. Andererseits hat er keine andere Chance und muss das Angebot annehmen, um seine Schulden zu begleichen..

 

Künstler gelten ja gerne als eine Berufsgruppe zu der man nur gehören kann wenn man etwas extrovertierter daher kommt als der Durchschnittsbürger. Wer dabei im Bereich des Comedy bzw. Stand-Up-Comedy unterwegs ist muss zudem eine natürliche Witzigkeit ausstrahlen. Doch was passiert wenn es erstens zu einer sich ausbreitenden Demenz kommt und zweitens die Witze keinen mehr zum Lachen bringen? Genau diesem Szenario muss sich Charlie Schwarzer stellen, der einst ein Star in dieser Szene war. Die Schulden werden immer größer, die Auftritte weniger und plötzlich ist auch noch die eigene Ehefrau weg.

 

Drehbuchautor, Regisseur und Hauptdarsteller Timo Jacobs liefert bzw. spielt hier einen Charakter dessen Lebenssituation dramatische Züge annimmt während er versucht mit der neuen Situation irgendwie klar zu kommen. Die aktuellen Probleme wollen gelöst werden und das Leben soll dennoch einen Sinn haben, was allein schon Herausforderung genug ist. Durchweg ruhig und tempoarm erzählt bekommt das Publikum Einblick in Charlie's Tiefpunkte bei denen er als Krönung noch in einen Kunstraub verwickelt wird. Zahlreiche nachdenkliche Momente geben "Stand Up!" eine ernste Note wobei mir der Film an anderen Stellen einfach zu still gehalten ist. Einziger großer Aufreger ist der offenkundig und lautstark ausgetragene Streit von Charlie und seiner Frau während einer Kunstausstellung (da er mit einer jungen Frau eine schnelle Nummer auf der Toilette geschoben hat), von denen ich mir einfach mehr gewünscht hätte.

 

Dabei stellt das aufmerksame Publikum immer wieder fest mit welch verzweifelter Ausstrahlung die maximal präsente Hauptfigur agiert ohne wirklich zu explodieren. Manch einer mag diese Art auf Dauer ermüdend und wenig aussagekräftig finden, aber versetzt man sich in diese Lage intensiv hinein erscheinen viele Dinge plausibel. Klar, Jacobs besitzt ein etwas unkonventionelles Schauspiel, was besonnders an seiner Mimik und Gestik ablesbar ist, aber anhand der Dialoge wird für Klarheit gesorgt. Ich weiß nicht wieso doch Charlie bzw. Jacobs erinnert mich stark an Tom Schilling's Spiel in "Fabian, oder der Gang vor die Hunde", dessen Hauptfigur ebenfalls in einer Selbstfindungsphase steckt. Was wirklich bleibt wenn alles weg ist, wie es der Filmtitel ja ausdrückt, lüftet das Drama in seinen knapp 90 Minuten auf seine eigene Art und Weise.

 

Zwar erschließt sich mir der Gedanke mit dem Kunstraubkapitel durchaus, jedoch wird diese Idee nicht zu 100% zufriedenstellend ausgearbeitet. Dadurch passt dies nicht durchgehend optimal zur Haupthandlung und wirkt an einer Stelle wie ein kleiner Fremdkörper. Dazu gehören auch die drei maskierten Männer, welche regelmäßig ins Bild kommen um dann augenscheinlich unlogische Aktionen vollführen. Als netter Gag sicherlich gut gemeint verpufft der Effekt leider zu häufig ungenutzt. Auf der anderen Seite gefällt die Balance zwischen punktuell platzierten Humor mit ernsten Gedanken. Nicht weiter erwähnt wird der Schauplatz des Geschehens, Berlin was zum Glück nicht sonderlich ins Gewicht fällt, da ein Großteil der Szenen in verschiedenen Bars/Kneipen bzw. Comedy-Locations spielt.

 

Während Timo Jacobs die Präsenz seiner Hauptfigur vollends nutzt verkommen einige spannende Nebenfiguren einen Tick zu sehr zu Randgestalten. Somit bleibt vorallem Pegah Ferydoni alias Emilie unter Ihren Möglichkeiten und deren Potential kann nicht ausgeschöpft werden. Gerade die Zeit nach der unerwarteten Wendung (Unfall) hätte man nutzen müssen um Emilie etwas deutlicher in den Fokus zu rücken, zumal dieser Vorfall auf weitreichende Folgen haben wird.

Anscheinend bewusst mit kleineren Nebenrollen ausgestattet dürfen der ehemalige Serien-Star Katy Karrenbauer ("Hinter Gittern") und Oliver Korittke für ein paar Szenen auftretten. Dabei sieht man Karrenbauer meistens fast schon typisch in schwarzem Leder und mit finsterer Miene.

 

Neben einer ordentlichen Kameraarbeit (quasi frei von unruhigen Fahrten) gefallen die scharfen und farblich gut gesättigten Bilder sowie ein sanfter Schnitt, der hektische Situationswechsel vermeidet. Natürlich sieht der Betrachter "Stand Up!" seine Herkunft aus dem Independentbereich an, aber Kameramann Nuno Martini macht hier einen guten Job. Schlicht sowie praktisch sind sämtliche Kulissen gehalten, welche zudem keine umfangreichen Setbauten zur Folge hatten. Hier und da etwas skurril erscheint der facettenreiche Soundtrack, der in einigen Momenten vom Musikstil her nicht zum Bildmaterial zu passen scheint. Hierbei handelt es sich aber um meinen persönlichen Eindruck weshalb jeder ein anderes Gefühl haben könnte.

 

Gesehen habe ich "Stand Up! was bleibt, wenn alles weg ist" im Rahmen eines Sichtungslinks

Ab 16.06.2022 im Kino

 

Fazit: Das deutsche Independent-Drama "Stand Up!" ist in erster Linie ein Film über Selbstfindung im Bereich der darstellenden Kunst und bietet immer wieder nachdenkliche Momente während es hier und da einen Tick zu ruhig erzählt ist.

 

Bewertung:

Genre: 6.5 von 10 Punkten

Gesamt: 6 von 10 Punkten

 

The Second Life - Das zweite Leben (Doku)

 

Millionen von Tierarten sind vom Aussterben bedroht. Natürlich wäre es wünschenswert, wenn sie nicht aussterben, aber falls doch, werden Tierpräparate an sie erinnern – solche, wie sie Maurizio, Robert und Christophe herstellen, allesamt Meister ihres Fachs. Der Filmemacher Davide Gambino begleitet die drei bei den Vorbereitungen zu den europäischen Taxidermy Championships, der Meisterschaft für Tierpräparationen.

 

 

 

 

 

Wenn ich ehrlich bin war der Begriff Taxidermie bisher ein Fremdwort und dessen Bedeutung mir nicht bekannt. Das sich dahinter der Beruf des Tierpräparators versteckt ist nur eine Erkenntis von Davide Gambino's Dokumentation "The Second Life". Diese beschäftigt sich überwiegend mit deren Arbeit, wobei im Fokus der knapp 80 Minuten drei Präparatoren aus Rom, Brüssel und Berlin stehen die sich jeweils auf einen besonderen Wettbewerb vorbereiten um dort Ihr Meisterstück abzuliefern.

Ein Orang-Utan, ein Tiger und ein Adler sollen nach ihrem Tod Jury und vorallem Zuschauer begeistern und uns Menschen die wilde Natur zugänglicher machen.

 

Allgemein steht die Verbindung Mensch-Natur und deren Zusammenhänge weit oben auf Gambino's Liste mit der er uns Zuschauer auf ein sensibles Thema aufmerksam machen möchte. Gleich zu Beginn startet ein Countdown mit dem herunterzählen einer recht großen Zahl, mit der in etwa die Anzahl der aktuell auf der Erde lebenden Arten geschätzt wird. Schon länger warnen zahlreiche Forscher davor, das wir Menschen mit unserem Lebensstil samt bewusster Umweltzerstörung für ein neues, ungeahnt schnell voranschreitendes Artensterben verantwortlich sind. Daher soll "The Second Life" auch eine Art Wachrüttler sein, dass zukünftige Generationen viele Tierarten nur noch als Präparat im Museum zu sehen sein werden anstatt in ihrer natürlichem Umgebung.

 

Taxidermie ist somit eine kaum beachtete Wissenschaft, der zweifelsohne handwerkliches Geschick und Können zu Grunde liegt. Ein totes Tier haltbar zu machen ist nicht so einfach wie viele, einschließlich mir, immer denken und erfordert neben viel Geduld auch Augenmaß und den Blick für Details. Dank der Arbeit von Männern wie Maurizio lernt ein Großteil der  Menschen Tiere kennen, welche man sonst nur aus dem Fernsehen kennt. Quasi lernen mit den Augen und Händen, Proportionen ergründen und gewissermaßen die Seele des toten Tieres spühren. Zwar bieten Tiergärten und Zoos bereits einen wichtigen Grundstock wodurch gerade Kinder einiges erleben können, aber so richtig können erst Taxidermisten uns Natur zugänglich machen.

 

Konservierung ist nicht gleich Konserverierung wie die informative Doku zeigt während immer wieder mit eindringlichen Appellen an das Gewissen der Menschheit appelliert wird. Sicherlich will Gambino die erstaunlich vielseitige und spannende Arbeit seiner drei Protagonisten in den Vordergrund stellen, was jedoch auch mit etwas mehr Fakten und Zahlen möglich gewesen wäre. Eine 10 minütige Laufzeitverlängerung und schon wären etwa wichtige Statistiken untergebracht gewesen. Auch fehlen mir ausreichend Backroundinfos der drei Männer sowie deren Beweggründe diesen Beruf gewählt zu haben. Dadruch ergibt sich letztendlich ein nicht 100% stimmiges Bild und es bleiben Fragen offen. Zweifelsohne ist die Grundthematik verdammt umfangreich und wird niemals in einem einzigen Film erklärbar zu machen sein, weshalb Gambino's Herangehensweise nicht nur universelles Wissen vermittelt sondern vorallem auch für Kinder zugänglich inszeniert ist.

 

Wie so viele Berufe leiden auch Präparatoren unter Nachwuchsproblemen sowie zunehmend fehlenden Finanzierungen, was zwar nur kurz angeschnitten wird dafür jedoch umso eindringlicher. Regelmäßige Besuche in diversen Museen wären hier ein erster Schritt mit dem wir als breite Mehrheit diesen spannenden Berufszweig unterstützen können.

Letztendlich ist "The Second Life" ein informativer, interessanter und zugleich warnender Film dessen wohl wichtigste Aussage lautet: "Sterben die Tiere, sterben wir Menschen"

Daher empfehle ich diese Doku mit gutem Gefühl jedem Erwachsenen sowie Lehrern für den Einsatz im Schulunterricht.

Technisch gesehen ist Gambino's Werk durch und durch eine klassisch inszenierte Doku mit entsprechendem Soundtrack, Blickwinkeln und ruhiger Kamera samt teils langen Sequenzen und tempoarmen Übergängen. Die Bildschärfe ist entsprechend hoch und hinterlässt in Kombination mit kräftigen Farben einen optisch wertigen Gesamteindruck. Am Ende sprint der Countdown übrigens auf 0

 

Gesehen habe ich "The Second Life" im Rahmen eines Sichtungslinks

Ab 21.04.2022 in den deutschen Kinos

 

Fazit: Davide Gambino nimmt uns mit in die Welt der Taxidermie und zeigt mit seiner informativen Doku auf warum es sich hierbei um ein Handwerk in der Wissenschaft handelt. Leider fehlen am Ende ein paar relevante Zahlen und Statistiken mit denen das Artensterben visuell verdeutlicht wird

 

 

Bewertung:

Dokuwertung: 7.5 von 10 Punkten

 

Im Nachtlicht (Mystery/Thriller)

 

Minthe (Diana Maria Frank) fühlt sich völlig verloren, weil sie keine Konstante in ihrem Leben hat. Ihre Kindheit verbrachte sie in vielen Pflegeheimen, weshalb sie nicht weiß, wer ihre Eltern sind, noch woher sie stammt. Wenn sie nicht gerade von Albträumen heimgesucht wird, hält sie sich mit Aushilfsjobs über Wasser. Doch dieser Zustand soll bald ein Ende haben, da sie das Angebot erhalten hat, eine alte Mühle in ihrer Geburtsstadt zu restaurieren. Kaum ist sie im „Wolfstal“ angekommen, wird sie mit den Gestaltwandlern konfrontiert. Die geheimnisvollen Wesen leben in einem unterirdischen Höhlenlabyrinth und üben auf Minthe eine merkwürdige Fasziniation aus. Sie will sich ihrer Vergangenheit stellen und ihre wahre Identität erfahren, doch dafür muss sie sich auch den sonderbaren Wesen stellen...

 

 

Das der deutsche Independentfilm bzw. die Independentszene lebt und regelmäßig liefert beweist David Brückner mit Ghostpictures ziemlich eindrucksvoll. Zwar schaffen es allgemein leider nur die allerwenigsten Produktionen auf die Kinoleinwand doch Ausnahmen bestätigen bekanntermaßen die Regel. Dank dem kleinen Filmverleih Real Fiction flimmert ab dem 07.04.2022 (und nach zahlreichen Verschiebungen) endlich der Mystery-Thriller „Im Nachtlicht“ von Misha L. Kreuz über die deutschen Leinwände, der durchaus als Werwolffilm ohne Werwolf betitelt werden kann ohne dies negativ zu meinen.

 

Vielmehr handelt der zumeist in einer abgelegenen Mühle inmitten wilder Natur spielende Film von einer jungen Frau auf Selbstfindungsmission samt Vergangenheitsbewältigung. Ohne Eltern von Pflegefamiie zu Pflegefamilie geschoben landet Minthe nach vielen Gelegenheitsjobs wieder in Ihrem Geburtsort und soll dort eine alte, unter Denkmalschutz stehende Mühle restaurieren.

 

 

 

Geprägt von Albträumen, Depressionen versprüht die junge Frau keinerlei Freude, macht einen traurigen sowie leeren und einsamen Eindruck während Ihr kaum längere Sätze über die Lippen kommen. Einen richtigen Sinn sieht Minthe nicht im Leben, hat zudem auch kein rechtes Ziel und es fehlt an Ankerpunkten. Zweifelsohne eine herausfordernde Rolle, zumal es sicherlich einfacher ist eine Person zu spielen die vor Freude strotzt. Diana Maria Frank macht Ihren Job wirklich gut, verkörpert die ängstliche Minthe authentisch und verleiht dieser eine durchaus hilflose und traurige Aura mit tragischen Nebengeräuschen. In Hellheim (was zugleich Ihr Nachname ist) verändert sich das Leben der jungen Frau auf ungewohnte Weise wodurch „Im Nachtlicht“ eine Selbstfindungsabsicht zugrunde liegt.

 

 

 

Mit einer handvoll Nebenfiguren drum herum, denen allesamt eines gemein ist (sie werden deutlich oberflächiger charakterisiert), ergibt sich ein anfangs etwas undurchsichtiges Bild das zunehmend den Schleier lüftet. Dabei nimmt sich Kreuz extrem viel Zeit das Geheimnis der Mühle atmosphärisch aufzuladen und ganz nebenbei Minthe’s Vergangenheit in den Fokus zu rücken. Leider muss man am Ende sagen das für diesen Part viel zu viel Spielzeit „geopfert“ wird wodurch das auflösende Finale deutlich zu hektisch, unsauber und einfach nur unglaubwürdig durchgepeitscht wird. Fiel dem Regisseur etwa auf das seine geplante Filmlänge bald erreicht sei oder ging schlichtweg das Budget aus? Vielleicht kam es auch zu einem Kreativloch und das Ende musste irgendwie herbeigeführt werden.

 

 

 

Letztendlich bleiben die letzten Minuten der mit Abstand schwächste Part und könnten für einige ein enttäuschender Abschluss einer gewissen Vorfreude werden. Schließlich will man doch den Werwolf sehen wie er seine Opfer zerfetzt und sich über ihr Fleisch hermacht. Klar, zum eigentlichen Ansatz könnte eine solch blutige Gewaltorgie kaum passen, aber etwas mehr Werwolf sollte es dann schon sein. Auch vermisse ich die „Nachtlicht“-Thematik massiv, da Aufnahmen im Mondschein wirklich sehr auf das Minimum beschränkt werden und gar kein Gruselfeeling aufkommen lassen.

 

 

Dies sorgt auch regelmäßig dafür das es zum Spannungsabfall kommt, der gepaart mit punktuell unruhiger Kamera wenig Begeisterung auslöst. Dagegen wirken die Bilder allgemein dank toller Farbsättigung und vielerlei schöner Blickwinkel ziemlich wertig für einen Independentfilm, ohne dabei vollends auf Hochglanz setzen zu müssen. Zusammen mit dem ruhigen Erzählstil kann wirklich jeder der Handlung folgen und sich in Minthe hinein versetzten. Wenngleich nicht alle Dialoge sitzen bzw. logisch erscheinen sollte sich das wohl überwiegend aus Genrefans bestehende Publikum nicht täuschen lassen. Allein der Mut sein eigenes Drehbuch als Bewegtbild zu inszenieren verdient allerhöchsten Respekt und Mut weshalb man nicht jeden unsauberen Aspekt auf die Goldwaage legen sollte.

 

Dazu zählt auch der meines Erachtens völlig inakzeptable Polizeichef von Hellheim, der keineswegs authentisch wirkt und mit seiner Art so gar nicht zu den weiteren Bewohnern passen will. So viel ich herausfinden konnte handelt es sich hierbei auch um das Langfilmkinodebüt von Kreuz. Auch hoffe ich in naher Zukunft mehr von Diana Maria Frank zu sehen, die mir sehr gut gefallen hat. Mit Ruby O. Fee hat „Im Nachtlicht“ sogar eine recht bekannte Nachwuchsschauspielerin aus Deutschland im Cast, die jedoch keine 5 Sätze spricht und in Ihrer Rolle, die zudem kaum mit Backroundinfos angesiedelt ist, etwas untergeht. Mit gerade mal knapp einer Minute darf der böse Werwolf kurz vor Schluss dann doch noch vor die Kamera (optisch ok) um ein wenig böse zu schauen.

 

Gesehen habe ich „Im Nachtlicht“ in Form eines Sichtungslinks

 

 

Fazit: Misha L. Kreuz liefert ein solides Langfilmdebüt im Mysterystil und vergisst dabei das Fabelwesen prägnanter in Szene zu setzen. Als Independentfilm durchaus eine Sichtung wert

 

 

Bewertung:

Genre: 5.5 von 10 Punkten

Gesamt 5.5 von 10 Punkten